Surfer und ihre Rechte:Jagd auf schwarze Schafe

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Ein Klick zu viel und Daten gelangen in falsche Hände. Auf einer Internetseite können sich Bürger nun über ihre Rechte im Netz informieren und schwarze Schafe melden.

Alexander Mühlauer

Ilse Aigner lächelt, als sie an diesem sonnigen Mittwochmorgen die Berliner Mauerstraße entlangschlendert, auf dem Weg in ihr Ministerium, um sich dort vor eine bunte Wand zu stellen.

Mit der "Kompetenzoffensive Digitale Welt" soll es den schwarzen Schafen im Internet an den Kragen gehen. (Foto: Foto: AP)

Sie sei gekommen, sagt sie, um ihre "Kompetenzoffensive Digitale Welt" vorzustellen, und fragt im nächsten Atemzug: "Warum machen wir das?" Tja, gute Frage, warum eigentlich? Die Antwort gibt die Verbraucherschutzministerin gleich selbst: "70 Prozent der Bürger nutzen das Internet. Und ich will nicht, dass ihre Daten ohne Einwilligung weitergegeben werden." Vielen Menschen seien die Risiken im Netz schlicht und einfach nicht bewusst.

Um das zu ändern hat die CSU-Ministerin zusammen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Webseite aufbauen lassen, die Internetnutzer über ihre Rechte im Netz aufklären soll. Unter www.surfer-haben-rechte.de beantworten Verbraucherschützer Fragen zur Datensicherheit von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken wie Facebook, StudiVZ oder Xing.

Mit Hilfe einer Checkliste sollen Bürger prüfen können, wie sie ihre persönlichen Daten gegen dubiose Anbieter besser schützen können. Wer ein "schwarzes Schaf" im World Wide Web entdeckt, kann es auf der Internetseite melden.

"Die Surfer wissen oft nicht, worauf sie sich mit der Zustimmung zu den Geschäfts- und Datenschutzbedingungen einlassen", sagt Verbraucherschützerin Cornelia Tausch. Bereits im Juli hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen fünf Anbieter sozialer Netzwerke abgemahnt. Die Betreiber sollten sicherstellen, dass Daten nur verwendet werden dürften, wenn der Nutzer ausdrücklich einwilligt, so Tausch. Facebook hatte die Kritik zurückgewiesen, Xing sofortige Besserung versprochen.

Inzwischen ist der tägliche Aufenthalt in sozialen Web-Gruppen für Internetnutzer so selbstverständlich wie Telefonieren oder Fernsehen. Glaubt man dem US-Marktforschungsinstitut Comscore, sind weltweit 734 Millionen Menschen Mitglied eines sozialen Netzwerks. Allein bei Facebook melden sich jeden Tag etwa 100.000 neue Nutzer an, ohne genau zu wissen, was das Unternehmen aus Kalifornien mit all den persönlichen Daten eigentlich macht.

Unvorteilhafte Fotos

Eines ist sicher: Wer im Internet seine Meinungen und Neigungen preisgibt, muss damit rechnen, dass er eines Tages damit konfrontiert wird. Zum Beispiel bei einem Bewerbungsgespräch, wenn der Personaler plötzlich unvorteilhafte Fotos herauszieht und fragt, was da genau zu sehen sei.

Oder wenn man plötzlich einen Werbebrief im Briefkasten hat, in dem sich eine Autofirma für das Interesse an ihren Produkten bedankt, obwohl man selbst nie Interesse bekundet hat. Oder wenn vom Bankkonto auf einmal ein Mitgliedsbeitrag abgebucht wird, obwohl man selbst nie Mitglied bei einem Buchclub oder Tierschutzverein werden wollte.

"Ich will nicht, dass Daten missbraucht und weitergeleitet werden", sagt Ilse Aigner, und lächelt, obwohl dieses Thema eigentlich nicht zum Lächeln ist. Wie sie da vor der bunten Wand steht, braungebrannt, das "R" rollend, würde man gerne wissen, wie die Ministerin ihr Ziel erreichen will. Erst auf Nachfrage erklärt Aigner, dass die vorhandenen Gesetze ausreichten, um Abmahnungen vorzunehmen. Und da mag sie recht haben, letztlich kommt es wohl auch auf die Verbraucher an, sich vorsichtig in der digitalen Welt zu bewegen.

Wobei ja das Schöne am Internet ist, dass sich entblößen kann, wer mag. Gefährlich wird es nur, wenn sich jemand entblößt, ohne zu wissen, dass er es tut. Oder wie Aigner sagt: "Das Problem ist, dass die Nutzer sich nicht immer bewusst sind über die Risiken, die sich dahinter verbergen."

Nachholbedarf in Sachen Datensicherheit haben nicht nur die Nutzer, sondern vor allem die Anbieter von Suchmaschinen oder Netzwerk-Seiten. "Die Unternehmen müssen ihrer Verantwortung für die Sicherheit im Netz besser gerecht werden", fordert die Verbraucherschutzministerin. Die Firmen müssten die Daten der Nutzer effektiver schützen.

Als Aigner mit ihrem "Kompetenzoffensive"-Vortrag fertig ist, kommt es an diesem Mittwochmorgen noch zum Höhepunkt, wie eine Mitarbeiterin der Ministerin verkündet. Ilse Aigner soll persönlich den Startschuss für die neue Internetseite geben. Dazu muss sie sich nochmal vor die bunte Wand stellen. Vor ihr auf dem Redepult steht ein roter Knopf, den Fernsehquiz-Moderatoren Buzzer nennen. Aigner legt also ihre rechte Hand darauf, lächelt, dann drückt sie vorsichtig auf den Knopf. Als scheinbar nichts passiert, lächelt sie immer noch. Ein Techniker sagt leise: "Jetzt ist sie drin."

© SZ vom 27.08.2009/cf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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