Suchmaschinen in China:Baidu verhöhnt Google

Selbstbewusste Töne aus Peking: Chinas Internet-Suchmaschine will Google bald weltweit abhängen. Die US-Firma überlegt derweil, in dem Land zu bleiben.

Marcel Grzanna

Unterstützung von der chinesischen Zensurbehörde kann der Internetkonzern Google bei der Suche nach Spionen im eigenen Haus offenbar nicht erwarten. Zumindest werden seit einigen Tagen Internetseiten geblockt, die sich mit dem delikaten Fall befassen.

Suchmaschinen in China: Baidu-Logo auf einer Messe in Peking: Große Pläne im Falle des Google-Ausstiegs

Baidu-Logo auf einer Messe in Peking: Große Pläne im Falle des Google-Ausstiegs

(Foto: Foto: AP)

Die Zensoren sperren Seiten, auf denen über die Aussage eines vermeintlichen Mitarbeiters von Google China diskutiert wird. Die Person beschuldigt chinesische Behörden, einen ehemaligen Staatsdiener bei Google China eingeschleust zu haben. Der Maulwurf soll Daten ausspioniert und weitergeleitet haben, mit deren Hilfe die Email-Konten von Google-Kunden geknackt werden konnten.

Zwei weitere Google-Mitarbeiter soll der Spion zur Weitergabe geheimer Daten überredet und ihnen jeweils eine Million Yuan, rund 100.000 Euro, dafür gezahlt haben. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen ist zunächst einmal nicht nachzuprüfen. Doch offenbar hat sich Google tatsächlich auf die Suche nach einer undichten Stelle in den eigenen Reihen gemacht, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

Maulwurf-Suche als PR-Strategie?

Mancher aber glaubt, dass die Suche nach einem Maulwurf lediglich eine PR-Strategie von Google sei, um einen halbwegs eleganten Weg zu finden, seine Geschäfte in China doch fortzusetzen. "Mit der Strategie, die Schuld nun in den eigenen Reihen zu suchen, will Google die Angelegenheit etwas abkühlen", sagte Li Zhi von der Technologie-Beratung Analyst International in Peking der chinesischen Tageszeitung Global Times.

Tatsächlich hatte Google am Wochenende Berichte dementiert, nach denen die Entscheidung für den Rückzug bereits gefallen sei. Zuvor hatte der Konzern gemutmaßt, die chinesische Regierung könnte hinter Hacker-Angriffen auf das Unternehmen stehen. Außerdem hatte Google angekündigt, die Zensur der eigenen Internetseiten durch die Kommunistische Partei nicht länger hinzunehmen.

Wie Baidu vom Google-Rückzug profitieren würde

Für Googles größten Konkurrenten in China wäre ein Verbleib des Anbieters durchaus von Vorteil, glauben Experten. Die Suchmaschine Baidu.com verzeichnet 63 Prozent Marktanteil und würde zwar eine echte Monopolstellung erlangen, wenn die Amerikaner ernst machen sollten.

Doch die langfristigen Folgen halten Beobachter für schädlich. "Es gäbe keinen echten Konkurrenten mehr, und es würde keine Notwendigkeit für neue Entwicklungen bestehen", sagt Bo Ziqin vom E-Commerce-Forschungszentrum in Hangzhou. Für die internationalen Ambitionen von Firmengründer Robin Li könnte eine solche Stagnation als Bremsklotz wirken. Dabei will Li die Welt erobern.

Bei der Party zum zehnten Geburtstag seiner Suchmaschine am Samstag schmiedete er große Pläne. In den kommenden zehn Jahren soll das Unternehmen zu einem Global Player heranwachsen, der dann nicht mehr nur chinesischen Kunden den Weg durch das Netz weist, sondern Zugang zur Hälfte der Weltbevölkerung besitzt.

Werbeindustrie könnte Suchergebnisse diktieren

Der Jahresumsatz könne um ein Vielfaches auf weit mehr als eine Milliarde Euro klettern. Weltmarktführer Google sei nicht mehr als Staffage bei Baidus Aufstieg, prahlte Li bei der Feier mit seinen Angestellten.

Doch Experten sind skeptisch. "Baidu ist für Google international keine Konkurrenz. Google ist eine High-End-Suchmaschine, Baidu nicht", sagt Lin Juan vom Technologie-Forschungsunternehmen Wegde MKI in Peking. Der Erfolg von Baidu in China basiert auf mehreren Säulen. Gegenüber Google hat die Firma hier einen Vorsprung von sechs Jahren.

Außerdem wird dem Unternehmen eine große Bereitschaft nachgesagt, die Zensur-Vorgaben der Regierung zu erfüllen. Flexibilität gegenüber der Regierung gilt in China stets als gesunde Basis für gute Geschäfte, unabhängig vom Industriezweig. "Obwohl auch Google zensieren muss, sind die Resultate nicht so manipuliert wie bei Baidu", sagt Lin.

Chinesische Nutzer müssen außerdem befürchten, dass ihnen eine Monopol-Suchmaschine Baidu Inhalte vorsetzen würde, die vor allem von der werbetreibenden Industrie diktiert sind. Denn als nahezu einzige Anlaufstelle im Netz könnte Baidu die prominentesten Treffer für viel Geld verkaufen. Ein ähnlicher Trend war vor dem China-Start von Google im Jahr 2006 schon einmal erkennbar gewesen.

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