Suchmaschinen-Bündnis: Bing und Baidu:Microsofts gefährlicher China-Pakt

Der US-Konzern Microsoft drängt mit aller Macht nach China: Nutzer erhalten dort bei der Suche mit dem dortigen Marktführer Baidu englischsprachige Bing-Ergebnisse - allerdings wahrscheinlich zensiert. Ist ein gutes Geschäft für ein westliches Unternehmen wichtiger als die Menschenrechte?

Johannes Kuhn

Microsoft-Aktionäre dürften diese Nachricht goutieren, Menschenrechtler weniger: Der Windows-Konzern kommt mit dem chinesischen Suchmaschinen-Unternehmen Baidu ins Geschäft. Künftig liefert die Microsoft-Suchmaschine Bing chinesischen Baidu-Nutzer englischsprachige Suchergebnisse.

A photo illustration shows the websites of search engines Baidu and Bing on computer screens in Shanghai

Baidu und Bing: Partner im chinesischen Filter-Netz.

(Foto: REUTERS)

Aus unternehmerischer Sicht ist dieser Schritt für Microsoft äußerst wichtig: Etwa 470 Millionen Chinesen nutzen das Internet, so viele Menschen wie in keinem anderen Land der Welt. Baidu besitzt bei der Internet-Suche einen Anteil von mehr als 80 Prozent, ausländische Anbieter konnten bislang dort nicht Fuß fassen.

Der Weltmarktführer Google, dessen Suchdienst international weit häufiger genutzt wird als Bing, hatte seinen Suchdienst im vergangenen Jahr nach einem Streit über mögliche chinesische Cyberspionage nach Hongkong verlegt und hält derzeit einen Marktanteil von 20 Prozent. Der Zusammenschluss der Konkurrenten dürfte dem Suchgiganten deshalb kaum schmecken.

Doch Microsoft weiß wie jeder westliche Internet-Anbieter, dass es in China den Zensurregeln des Staates folgen muss. Wer in China Begriffe wie "Tiananmen", "Dalai Lama" oder "Falun Gong" eingibt, erhält keine Ergebnisse. Bei der Baidu-Bing-Suche dürfte das kaum anders sein.

Microsoft hat es in seiner Firmenhistorie stets vermieden, den chinesischen Staat für seine Zensurpolitik zu kritisieren. 2006 musste das Unternehmen einräumen, in der chinesischen Version seiner damaligen MSN-Suche Worte wie "Demokratie" und "Freiheit" zu blocken. Damals erklärte Microsofts Rechtsvorstand Brad Smith, man würde "lieber rund um die Welt präsent sein, als nicht".

Moral vs. Geschäft

Bill Gates hatte 2010 den Google-Rückzug aus China kritisiert, da dort Zensurmaßnahmen bislang "sehr begrenzt" eingesetzt würden. "Es ist einfach, die Zensur zu umgehen", sagte er, "deswegen halte ich es für wichtig, dass dort das Internet floriert." Menschenrechtler kritisieren eine solche Handlung als heuchlerisch.

Die Frage, ob und wie ein US-Unternehmen im streng kontrollierten chinesischen Netz operieren soll, stellt sich derzeit auch Facebook. Sheryl Sandberg, Facebooks Nummer zwei hinter Mark Zuckerberg, gab jüngst in einem Gespräch mit der US-Zeitschrift New Yorker die Linie vor: "Wenn du mit der ganzen Welt verbunden sein möchtest, kannst du das nicht ohne China sein."

Gerüchten zufolge hat auch Facebook bereits eine Partnerschaft mit Baidu geschlossen, die einen Kompromiss darstellt: Dabei würden die Unternehmen gemeinsam ein chinesisches soziales Netzwerk gründen, das den dortigen Regeln entspricht und nicht mit Facebook verbunden ist. Im Zweifelsfall würden dort allerdings die Regierungsbehörden stets Einsicht in die Nutzerkonten erhalten - was Facebooks Ruf auch bei einer stillen Beteiligung schaden würde.

Baidu profitiert

Westliche Unternehmen wie Facebook und Microsoft schweben zudem immer in der Gefahr, das Wohlwollen chinesischer Behörden zu verlieren und aus dem verlockenden Wachstumsmarkt gedrängt zu werden. Baidu hingegen kann von solchen Partnerschaften nur profitieren: Das Unternehmen gilt als einer der relativ unbekannten chinesischen IT-Giganten und konnte seinen Börsenwert in den vergangenen zwei Jahren vervierfachen. Es ist kaum anzunehmen, dass die chinesische Regierung Baidu einfach fallenlässt.

"Mehr und mehr Menschen hier suchen nach englischen Begriffen", zitiert die New York Times einen Baidu-Sprecher, "aber Baidu hat bislang dort keinen guten Job gemacht. Das wird sich jetzt ändern."

An der chinesischen Filter-Praxis ändert sich jedoch nichts.

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