Stille SMS:Alle eineinhalb Minuten pingt der Staat

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Der Staat kann Smartphones mit sogenannten stillen SMS orten. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Zahlen zeigen, wie oft Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei Handys orten - ohne dass deren Besitzer es merken.

Von Jannis Brühl

Alle eineinhalb Minuten verschicken Sicherheitsbehörden des Bundes im Schnitt eine sogenannte stille SMS, um Menschen heimlich zu orten. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken hervor. Stille SMS sind auf dem Handy des Empfängers nicht sichtbar, das Telefon bestätigt dem Provider jedoch den Eingang, und schickt ihm per "stealth ping" - dem heimlichen Ping - den Ort, an dem sich das Gerät befindet. Der Provider gibt diesen an die Ermittler weiter.

Mit der Technik können Bewegungsprofile von Menschen erstellt werden - also wann und wie oft sie sich wo aufhalten. Bewegungsprofile sind datenschutzrechtlich heikel, weswegen die stille SMS immer umstritten war. Der Verfassungsschutz versandte dem Ministerium zufolge im ersten Halbjahr 2018 103 224 stille SMS, das Bundeskriminalamt 30 988 und die Bundespolizei 38 990. Zahlen der Zollfahnder gibt die Bundesregierung seit einigen Jahren nicht mehr bekannt.

Das sind weniger Fälle als im Vorjahreszeitraum und auch als im zweiten Halbjahr 2017. Das bedeutet aber nicht, dass weniger überwacht wird, ganz im Gegenteil. Unter der großen Koalition stiegen die Fallzahlen seit 2014 tendenziell an. BKA und Bundespolizei forderten per Funkzellenabfragen öfter eine Liste aller Handys an, die in der Nähe eines Tatorts angeschaltet waren. Über die Zahlen hatte zuerst das Handelsblatt berichtet. Stille SMS dürfen nur in Ermittlungen wegen schwerer Straftaten eingesetzt werden. Sollen mit ihnen Personen geortet werden, muss ihr Einsatz von einem Richter genehmigt werden. Im Februar hatte der Bundesgerichtshof sie für rechtmäßig erklärt. Ihr Einsatz sei durch die Strafprozessordnung gedeckt, die es Behörden erlaube, Mobiltelefone mit "technischen Mitteln" aufzuspüren. Das verstoße auch nicht gegen das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, selbst wenn sich das Handy während der Ortung in der Wohnung befinde.

Ob Bürger mit stillen SMS überwacht werden, können sie nur aufwendig mit technischer Expertise und Spezial-Software herausfinden.

© SZ. vom 8. August 2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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