Was wichtig ist, steht an der Wand: "Unterschätze nicht meinen Willen und mein Können", heißt es über dem Eingang in bunten Lettern. Gegenüber ist der Spruch "Arbeite wie der Boss" überpinselt - "Sei der Boss" heißt es nun. Gestrichen ist auch "Denke wie ein Mann", geblieben ist nur: "Denke".
Graffiti mit frohen Sinn- und Unsinnssprüchen zieren das gesamte Büro, junge Leute sitzen locker vor ihren Laptops, und wer will, kann auf dem Sofa in der Ecke in Schräglage der neuesten Idee nachhängen. Treffpunkt für alle ist natürlich die Kaffeeküche mit dem Schrank voller Süßigkeiten. Ganz klar, hier brütet die Start-up-Szene am nächsten großen Ding, so cool und kreativ wie überall auf der Welt. Der Unterschied zum Rest der Welt ist allerdings, dass hier draußen die Eselskarren vorüberziehen und ringsherum noch die Trümmer vom jüngsten Krieg liegen.
Das ist der Stand der Dinge bei den "Gaza Sky Geeks", wo die nerdigen Himmelsstürmer von ganz weit unten starten und sicher auch die Not erfinderisch macht.
Luftlinie sind es von diesem Büro aus gerade einmal 60 Kilometer bis nach Tel Aviv, wo die Hightech-Industrie längst schon eine Heimstatt gefunden hat. Zwischen der Szene in Israel und der im Gazastreifen aber steht eine Betonmauer, die radikal die erste Welt von der dritten oder vielleicht sogar vierten trennt. Der durch Israel und Ägypten komplett abgeriegelte palästinensische Küstenstreifen mit knapp zwei Millionen Einwohnern zählt zu den ärmsten und rückständigsten Gebieten auf dem gesamten Globus. Doch auch hier gibt es große Träume und schlaue Ideen. Und es gibt die Gaza Sky Geeks als "Bastion der Hoffnung und Normalität".
"IT ist das einzige, was nicht von Grenzen abhängt."
Ryan Sturgill sagt das so, der bei den Sky Geeks als Programmdirektor amtiert und ein verglastes Büro bewohnt. Er kommt aus den USA, den Job in Gaza hat er vor neun Monaten übernommen, "einzigartig" nennt er das Projekt. "Durch die Blockade des Gazastreifens ist es sehr schwer, hier ein Geschäft aufzuziehen, es kommt ja nichts rein und nichts raus an Gütern", sagt er. "IT ist das einzige, was nicht von Grenzen abhängt." Über das Internet also lässt sich jede noch so hohe Mauer überwinden, Ideen können importiert und Lösungen exportiert werden. Dies ist die Geschäftsgrundlage für die Sky Geeks.
Die Organisation wurde von der amerikanischen Hilfsorganisation Mercy Corps ins Leben gerufen und von Google mit einem Startkapital von 900 000 Dollar ausgestattet. Damit hilft sie jungen Firmen - indem sie Kontakte vermittelt, Workshops und Arbeitsräume bietet. Zu den Partnern zählt inzwischen auch das Auslandsbüro der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah.
Die Resonanz ist riesig, und ein Wunder ist das nicht. Denn der Gazastreifen verfügt bei aller Armut und einer Arbeitslosenquote von offiziell 45 Prozent über viele gut ausgebildete junge Leute. Jedes Jahr verlassen allein 2000 Technik-Studenten die hiesigen Universitäten - mit Diplom und fast ohne Chance auf einen Job. Bei den Sky Geeks werden für sie Wege in die Welt bereitet. Hier gibt es Schreibtische mit Internet-Anschlüssen, die allen offenstehen. 50 bis 60 junge Leute - Männer wie Frauen - nutzen das jeden Tag und loggen sich in die verschiedenen Wlan-Netze ein, die "Inspiration" heißen, "Leidenschaft" oder "Innovation".