Sperrung von Kinderporno-Seiten:"Hirn herausgetwittert"

Die Grünen streiten sich über die Sperrung von Kinderporno-Seiten. Während die einen Netzsperren befürworten, fürchten andere, Wähler an die Piratenpartei zu verlieren.

Daniel Brössler

Die Sache ist, schlägt man im Wahlprogramm nach, ganz klar: "Wer Grün wählt, wählt ein freies Internet - ohne Filter und Massenüberwachung", ist dort zu lesen. Die Grünen lehnen die auf Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vom Bundestag beschlossenen Netzsperren zum Schutz vor Kinderpornographie ab.

Sperrung von Kinderporno-Seiten: Die Grünen lehnen die auf Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vom Bundestag beschlossenen Netzsperren zum Schutz vor Kinderpornographie ab. Sie argumentieren, dass die Sperrung von Kinderporno-Seiten umgangen werden können.

Die Grünen lehnen die auf Initiative von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) vom Bundestag beschlossenen Netzsperren zum Schutz vor Kinderpornographie ab. Sie argumentieren, dass die Sperrung von Kinderporno-Seiten umgangen werden können.

(Foto: Foto: dpa)

Alle "wichtigen Akteure" in der Partei seien sich einig, hatte Parteichef Cem Özdemir vor einigen Wochen verkündet. Die Position laute: "Wir sind gegen Internet-Zensur, genauso wie wir gegen jede Art von dieser ekelhaften Kinderpornographie sind."

Matthias Güldner, immerhin Fraktionschef der in Bremen mitregierenden Grünen, zählt der Parteichef offenbar nicht zu den "wichtigen Akteuren". Der Landespolitiker hält das bald in Kraft tretende Gesetz zur Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt für richtig. Nun hat er zum Schlag ausgeholt gegen die Internetlobby in der eigenen Partei.

"Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden", polterte er in der Welt.

Zum auch von vielen Grünen vorgebrachten Argument, die Sperren könnten umgangen werden, bemerkte der einst bei der Kinderschutzorganisation Save the Children aktive Güldner: "Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert." Genauso gut könne die Tatsache, dass Morde begangen werden, obwohl sie verboten seien, als Argument gegen den Mordparagraphen im Strafgesetzbuch angebracht werden.

Reinhard Bütikofer twittert gern

Güldners Schuss zielt in die Mitte einer Partei, in der die Begeisterung für alle Formen der Online-Kommunikation groß ist. Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer , und auch andere Parteigrößen glänzen durch Präsenz in sozialen Netzwerken. So ließ der Aufschrei in grünen Foren nicht lange auf sich warten. Per Twitter wandte sich der Bundesvorstand der Grünen Jugend an den "lieben Matthias". Sein Beitrag sei "diffamierend und vereinfachend". Das von Güldner gelobte Gesetz sei wirkungslos und schränke die Grundrechte ein.

"Dass prominente Vertreter unserer Partei sich in so verkürzter und populistischer Art und Weise gegen die eigenen Parteitagsbeschlüsse stellen, wie du das mit deinem Kommentar getan hast, macht es uns in den nächsten Monaten nicht leichter", empört sich die Parteijugend. "Mehr als merkwürdig" findet auch Vorstandsmitglied Malte Spitz Güldners Beitrag. Der Parteivorstand bescheinigt dem Bremer in einer Stellungnahme einen "nicht akzeptablen Ton".

Güldners Attacken, so die Befürchtung, könnten grüne Sympathisanten ins Lager der Piratenpartei treiben, die für Freiheit im Internet eintritt. "Wir brauchen uns vor der Piratenpartei inhaltlich nicht zu verstecken", übt sich Vorstandsmitglied Spitz in Schadensbegrenzung, "vielleicht haben die mal fünf Spiegelstriche extra." Der Bremer Fraktionschef Güldner freilich warnt seine Partei davor, mit der Piratenpartei in Konkurrenz zu treten.

"Fasziniert von den Möglichkeiten der virtuellen Mobilisierung und hingerissen von ihrem eigenen Getwitter" dürften die Grünen nicht vergessen, dass viele ihrer Anhänger "aus den erziehenden Berufen" kämen oder selbst Vater oder Mutter seien - und die Internetsperren befürworteten. Auch aus diesem Grund war 15 grünen Bundestagsabgeordneten beim Nein ihrer Fraktion zum Gesetz der Bundesfamilienministerin wahrscheinlich nicht ganz wohl. Sie enthielten sich.

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