Spam:Propaganda und Jobs statt Viagra und Pornos

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Lange sah es aus, als würde nerviger Spam verschwinden. Jetzt ist er zurück - in neuen Formen. Aber man kann sich wehren.

Von Michael Moorstedt

Man könnte jede Woche mit der gleichen Tirade beginnen. Die Lage im Internet ist schlecht, Sicherheitslücken überall, ein jeder keift und schreit seinen Nächsten in den sozialen Medien an. Alles bleibt schlecht, weil sich nichts verändert. Oder?

Zumindest ein Problem hat sich in den letzten Jahren scheinbar in Wohlgefallen aufgelöst: nämlich die Spam-E-Mail. Waren zu Beginn der Nullerjahre noch mehr als 90 Prozent des globalen Mailverkehrs Spam-Nachrichten, so sank dieser Anteil langsam, aber stetig, bis er 2015 mit 53 Prozent seinen niedrigsten Stand erreichte. Zwar trudelte noch immer eine vereinzelte Nachricht über einen vermeintlichen Lottogewinn in den Posteingang, doch sie war mehr ein Relikt von früher.

In letzter Zeit aber scheint der Spam wiederzukehren. Wie ein Krebsgeschwür befand er sich in Remission und kommt nun mit voller Wucht zurück. Er hat auch seine Form gewechselt. Spam tritt heutzutage nicht mehr nur als tumbe Massenmail auf, sondern auch als SMS, als Whatsapp-Nachricht, als Facebook-Chat oder gar als automatisierter Telefonanruf. Aber auch der Inhalt selbst hat sich geändert. Die Viagra-Werbung ist längst Geschichte. Statt Medikamenten und Pornografie bekommt man jetzt vor allem politische Propaganda und interessanterweise auch immer häufiger Jobangebote serviert. So geraten die Betreffzeilen im Spam-Ordner zum Spiegel für die Überzeugungen, Bedürfnisse und Nöte der Bevölkerung.

Die Software Lenny schlägt Telefonbetrüger mit ihren eigenen Mitteln - Teleterror

Wie kann man aber heutzutage gegen Spam vorgehen, wenn das Blockieren und Filtern offensichtlich an seine Grenzen stößt? Der griechische Softwareentwickler Stavros Korokithakis hatte vor einiger Zeit eine neue Idee: Man schlägt die Spammer am besten mit ihren eigenen Methoden - und spammt zurück. Mit automatisierten zufällig ausgewählten Nachrichten, die Interesse vorheucheln. Jeder Empfänger einer ungebetenen Nachricht kann sie an Korokithakis' Software weiterleiten. Der Bot erledigt den Rest. Auf spa.mnesty.com lassen sich die Konversationen nachlesen. Oftmals entspinnt sich ein umfassendes Hin und Her. Zunächst die aufgeregte Antwort des Spammers, beinahe ungläubig, dass tatsächlich jemand auf seine Masche hereingefallen sein soll. Dann sein Drängen auf die Preisgabe persönlicher und finanzieller Daten und schließlich die Frustration, wenn man bemerkt, einer Software auf den Leim gegangen zu sein.

Noch schöner und vor allem zeitgemäßer ist jedoch eine Software namens Lenny, die ein anonymer Entwickler gebaut hat. Lennys Ziel sind Telefonvermarkter. Bekommt man einen solchen Anruf, kann man ihn an eine andere Nummer umleiten, dann übernimmt das Programm. Es handelt sich dabei um vorgefertigte Stimmaufnahmen, die zufällig abgespielt werden. Lenny mutet demnach an wie ein präseniler Greis und zählt damit zu den bevorzugten Opfern der Tele-Betrüger. Der fiktive Senior hat außerdem ein Problem mit Schwerhörigkeit und bittet oft darum, der Anrufer möge sich doch noch mal wiederholen. Manche der Audio-Aufnahmen, die man sich auf Youtube anhören kann, dauern bis zu 50 Minuten und haben großes komödiantisches Potenzial.

Etwa wenn Lenny zum fünften Mal ausgiebig davon erzählt, dass sich seine undankbaren Kinder nicht mehr bei ihm melden und von der anderen Seite der Leitung nur noch ein genervtes Stöhnen zu hören ist. Die meisten der Anrufer geben aber schon früher auf. Ohne zu merken, dass es dieses Mal sie selbst waren, die betrogen worden sind.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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