Spähaktionen:Ein Freund, ein guter Freund

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Bewiesen ist nichts. Aber es ist gut möglich, dass die französischen Telefonate auch in Deutschland abgefangen wurden. Die BND-Anlage in Bad Aibling könnte dazu technisch durchaus in der Lage sein.

Von John Goetz und Hans Leyendecker

In der Welt der Geheimdienste muss eins plus eins nicht zwei sein. Andere Lösungen sind vorstellbar. Man rechnet eben anders. Dieser Hinweis ist wichtig, wenn jetzt in Paris, aber vor allem auch in Berlin, gemutmaßt wird, die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente der NSA seien mithilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bad Aibling zustande gekommen. Diese Annahme muss nicht stimmen.

Es ist zwar mittlerweile bekannt, dass in der langen Bad Aiblinger Selektoren-Liste, welche die NSA dem BND geschickt hatte, viele Politiker in Frankreich sowie zahlreiche EU-Institutionen vorkommen. Die SZ hat darüber mehrmals berichtet. In der als streng geheim eingestuften Liste findet sich offenbar darüber einiges. Die Bundesregierung will die Liste auf keinen Fall dem NSA-Untersuchungsausschuss vorlegen.

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Wie es ihre Pflicht ist, haben nach den Veröffentlichungen in Deutschland die französischen Offiziellen bei der Bundesregierung und beim BND nachgefragt, was es mit der Liste auf sich habe. Aber die deutschen Gesprächspartner hatten den Eindruck: So genau wollten es die Franzosen nun doch nicht wissen. Im Kanzleramt soll man darüber erleichtert gewesen sein.

Jetzt findet sich bei den Wikileaks- Dokumenten der Hinweis, dass es sich bei den aufgezeichnete Gesprächen um abgefangene Satelliten-Kommunikation handelt. Nun weiß man, dass der Horchposten in Bad Aibling genau das macht. Aber eben nicht nur dort. Die Welt der Dienste ist kompliziert. Ein früherer NSA-Mitarbeiter sagt, er finde es unverständlich, dass die NSA in Bayern so viele Selektoren gepflanzt habe. Das müssten faule NSA-Leute gewesen sein, denn die Deutschen hätten, mit ein bisschen Arbeit, herausfinden können, was die NSA in Europa alles treibt. Ein Geheimdienst, der derart sein Profil verrate, sei unfähig. Ansichtssache.

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Die Welt der Dienste ist auch voller Kürzel und Zuschreibungen. Unter einem der Dokumente, auf dem der Abhörhinweis "Foreign Satellite" steht, findet sich eine Art Kennung: Z-G/00/503643-12. Das meint wohl: Frankreich. Daneben steht eine ähnliche Kennung, die statt der 643 die Ziffern 541 hat. Das meint wohl deutsche Regierung. In dem Dokument ist auch von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel die Rede. Aber dass die NSA mit Hilfe des BND Angelegenheiten von Gabriel ausspioniert haben könnte, klingt reichlich verwegen.

Andererseits: Aus Sicht der US-Dienste ist Freundschaft keine Kategorie. Im US-Senat hat im vergangenen Jahr ein führender Geheimdienstler erklärt, er finde die Aufregung um Angela Merkels Handy und andere abgehörte Politiker lächerlich. Er sagte, es erinnere ihn an den Film "Casablanca", in dem der korrupte Polizeichef in einem Nachtclub erscheint und ruft: "Ich bin schockiert, schockiert, dass hier um Geld gespielt wird." Das Abhören sei wichtig, sagte der US-Geheimdienstler, um die wirklichen Absichten ausländischer Regierungschefs zu erkennen.

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Hat der BND mitgeholfen, Hollande und all die anderen auszuspionieren? In der nächsten Woche wird der frühere Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich vermutlich als Vertrauensperson der Regierung zur Aufarbeitung der Affäre von Bad Aibling ernannt. Eine seiner ersten Aufgaben könnte sein zu prüfen, ob die Bad Aiblinger Daten und die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente übereinstimmen oder nicht.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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