Süddeutsche Zeitung

Soziales Netzwerk:Facebook: Weltherrschaft oder Erschöpfung

Facebook wächst weltweit, doch in wichtigen Märkten verließen im vergangenen Monat Hunderttausende die Plattform. Setzt die große Facebook-Müdigkeit ein?

Johannes Kuhn

Steigt Mark Zuckerberg vom Prinzen zum König der Internetwelt auf oder ist sein Reich bereits dem Verfall anheim gegeben? Wer auf die jüngst veröffentlichten Nutzerzahlen schaut, findet für beide Szenarien Anhaltspunkte.

"Facebook stürmt rund um den Globus voran", titelte die New York Times vor einigen Tagen. Das Online-Netzwerk steuere deutlich auf das Mitglied Nummer 500.000.000 zu, ein Wachstum von 300 Millionen Nutzern innerhalb von 15 Monaten.

Das Portal holt selbst in den wenigen Ländern auf, in denen es zwar erreichbar ist, aber bislang andere Seiten den Markt beherrschen. In Indien ist es mit dem Google-Netzwerk Orkut gleichgezogen, in Brasilien liegt es noch 20 Millionen hinter dem dortigen Marktführer, verachtfachte jedoch seine Benutzerzahl im vergangenen Jahr auf etwa acht Millionen. Analysten loben in der New York Times, Facebook profitiere von einem Kreislauf, "in dem Erfolg weiteren Erfolg hervorbringt."

Hunderttausende verlassen Facebook

Das ist die eine Seite. Weniger optimistisch sind die Zahlen, die jüngst der Statistikdienst Facebaker und das Beobachtungsblog Inside Facebook vorlegten. Beide Dienste werteten die Daten aus, die das Portal seinen Werbekunden zur Verfügung stellt.

Demnach verflacht das Wachstum bei der Anzahl neuer Nutzer in den USA, Großbritannien, Australien, Kanada und Schweden verließen im Juni sogar hunderttausende Mitglieder das Netzwerk. In der wichtigen Zielgruppe der 18- bis 34-Jährigen büßte Facebook auch im Stammland USA mehr als 200.000 Mitglieder ein.

Über die Ursachen darf spekuliert werden: Handelt es sich um einen kurzfristigen Trend oder hat das Freundschaftsnetzwerk mit den Folgen der missglückten Privatsphären-Politik zu kämpfen, für das es medienträchtig kritisiert wurde? Der Quit Facebook Day Ende Mai kann den Trend nicht erklären: Damals verließen nach Angaben der Verantwortlichen etwa 33.000 Nutzer das Portal.

Von der Negativ-PR könnte sich Facebook erholen, zumal das Unternehmen mit einigen kosmetischen Änderungen die Privatsphären-Verwaltung übersichtlicher gemacht hat. Doch im Netz macht gerade ein anderes Wort die Runde: Facebook-Erschöpfung ("Facebook fatigue").

Der Begriff bezeichnet das Gefühl, sich nur noch widerwillig auf der Seite einzuloggen, weil es zur Informationspflicht über aktuelle Ereignisse im Freundeskreis dient. Dieses Gefühl der Langeweile hat einer Umfrage der Online-Spieleseite Roiworld bereits jeden fünften Facebook-Nutzer im Alter zwischen 13 und 17 Jahren dazu gebracht, die Seite inzwischen weniger zu benutzen oder ihr sogar den Rücken zu kehren.

Bereits öfter misslang es großen Netzwerken, ihre Nutzer langfristig zu binden. Es wäre allerdings zu früh, aus diesen Statistiken einen solchen Trend abzulesen, zumal Facebook nach Berichten aus Unternehmenskreisen im Jahr 2009 einen mehrfachen zweistelligen Millionenbetrag verdiente und das Geld in neue Funktionen der Plattform investieren könnte.

Vor wenigen Tagen kaufte das Unternehmen das Reiseführer-Startup "NextStop", das Nutzer ortsbasierte Reiseführer für Freunde erstellen lässt - ein weiteres Zeichen dafür, dass Facebook künftig im mobilen Internet stark präsent sein möchte, wo sich mit personalisierten und ortsgebundenen Anzeigen künftig erhebliche Summen verdienen lassen.

Kein Konkurrent in Sicht

Auch auf die Besonderheiten anderer Märkte stellt sich das Unternehmen gerade ein: Vor allem in ärmeren Gegenden der Welt hat Zuckerbergs Firma Verträge mit Mobilfunkanbietern abgeschlossen, die ihre Kunden kostenlos auf die Facebook-Webseite zugreifen lassen.

Der größte Trumpf des Netzwerks könnte allerdings die fehlende Konkurrenz sein: Plattformen wie MySpace, StudiVZ oder Bebo verloren vor allem an Attraktivität, weil mit Facebook ein echtes Alternativangebot vorhanden war. Bislang sind aber keine wirklichen Facebook-Konkurrenten in Sicht: Alternative Portale wie das Studentenprojekt Diaspora erhalten zwar große Medienaufmerksamkeit, dürften jedoch Schwierigkeiten bekommen, eine kritische Masse zu erreichen.

Anders verhält es sich jedoch bei Plattformen, die bereits über eine gewisse Marktmacht verfügen. Gerüchten zufolge plant Google mit Google Me nun einen weiteren Angriff auf die Welt der sozialen Netzwerke - doch seit dem Flop seines Debattendienstes Buzz traut die Branche dem sonst so mächtigen Konzern in Sachen sozialer Netzwerke kaum noch etwas zu.

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