Süddeutsche Zeitung

Soziales Netzwerk:Facebook will Nutzer auf Fake News hinweisen

  • Facebooks Programm gegen Fake News: Deutlichere Meldemöglichkeiten, Überprüfung durch Faktenchecker-Redaktionen, Algorithmus-Änderung.
  • Der Konzern vermeidet damit die Rolle, als "Herausgeber" stärker direkt in die Nachrichten-Auswahl einzugreifen.
  • Die politische Rechte in den USA spricht bereits von einer "Zensur-Architektur".

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Vor kurzem hatte Facebook angekündigt, etwas gegen "Fake News" zu tun. Nun hat die Firma ein Pilotprojekt vorgestellt, mit dem es Falschnachrichten und Propaganda auf ihrer Seite eindämmen möchte.

Wie der Newsfeed-Verantwortliche Adam Mosseri in einem Blogeintrag mitteilt, sollen Facebook-Nutzer Falschnachrichten einfacher melden können. Konkret: Die Möglichkeit, einen Beitrag als "Fake News" zu kennzeichnen, wird deutlich prominenter angezeigt.

Falls genügend Hinweise eingehen, gibt Facebook die Meldung weiter an ein Netzwerk, das die Fakten überprüfen soll. Dafür qualifizieren sich Redaktionen, die den "Fact Checkers Code of Principles" unterschrieben haben (derzeit 43 internationale Redaktionen).

Vorerst wird der Testbetrieb allerdings auf die USA beschränkt sein, dort sind zum Beispiel die Nachrichtenagentur AP, der TV-Sender ABC und die Faktenprüfer-Seiten Politifact und Snopes beteiligt.

Diese Redaktionen erhalten dafür kein Geld, gewinnen aber mehr Nutzer für ihre Seiten: Wenn sich die Zweifel an der Echtheit bewahrheiten, können die Prüfer die markierten Falschnachrichten mit einem Warnsignal versehen. Dann steht unter dem Link im Englischen wörtlich "Disputed by 3rd Party Fact-Checkers" mit weiterführenden Informationen per Mausklick.

Warnhinweis unter dem Link

Wer solche gekennzeichneten Links dann trotzdem teilen will, wird noch einmal extra gefragt, ob er sich sicher ist. Zudem können die Produzenten die Falschnachrichten-Links nicht als Werbung schalten - eine beliebte Methode, um Nutzer zu ködern.

Facebook will auch seinen Algorithmus nochmals anpassen. Zum Beispiel können Links, die nach der Lektüre nicht mehr weiter geteilt werden, seltener in den Newsfeeds erscheinen, weil sie den Nutzererwartungen nicht entsprochen haben. Diese Ideen werden allerdings erst getestet.

Facebook war im Zuge der US-Wahl in die Kritik geraten, weil die große Zahl falscher Artikel die Meinungsbildung der Wähler beeinflusst haben könnte. CEO Mark Zuckerberg hatte eine entscheidende Rolle solcher Meldungen für den Ausgang der US-Wahl als "ziemlich verrückte" Vorstellung abgetan, aber Abhilfe versprochen.

Mit den jetzt vorgestellten Punkten vermeidet Facebook als Nachrichten-Herausgeber mehr Verantwortung für Inhalte zu übernehmen, die auf der Seite erscheinen - und damit letztlich publizistisch Stellung beziehen zu müssen. Die Entscheidung überlässt man nun den Partner-Redaktionen.

Die werden auch Standards finden müssen, wann sie Nachrichten "anzweifeln" und mit dem entsprechenden Warnsignal verssehen. Nicht alle Falschnachrichten sind so einfach zu erkennen wie die angebliche Empfehlung des Papstes, Donald Trump zu wählen. Nicht jede falsche Zahl macht eine Nachricht zu "Fake News", ein relativ vager Begriff. Der Zuckerberg-Konzern möchte unbedingt weiterhin als "neutrale Plattform" gelten, auch wenn Kritiker diese Einordnung immer deutlicher hinterfragen.

Auch die Konservativen sehen Facebook skeptisch

Allerdings wird man sich trotz dieser Zurückhaltung den Zorn der politischen Rechten zuziehen: Dort war bereits vor der Wahl häufiger die Rede davon gewesen, wie Facebook angeblich unliebsame konservative Meinungen zensiere. Durch Trumps Wahlsieg war diese Kritik verstummt, nun ist sie auf Portalen wie Breitbart sofort wieder laut zu hören: Faktenprüfer-Redaktionen gelten als "der liberalen Seite zuneigend", Organisationen wie ABC als "Mainstream-Medien". Die haben der Argumentation der Konservativen zufolge ein Interesse daran, die Konkurrenz zum Schweigen zu bringen.

Weil das Angebot an Falschnachrichten und Propaganda inzwischen groß ist, bleibt offen, wie viel die Faktenprüfer-Redakteure überhaupt abarbeiten können. Facebook hat angekündigt, Fake-News-Seiten genauer zu prüfen und gegebenenfalls als Spam zu klassifizieren, wenn ihr Geschäftsmodell auf werbefinanzierten Lügen-Clickbait fußt.

Der Internet-Konzern steht derzeit von verschiedenen Seiten unter Druck: Einerseits muss es die außergewöhnliche lange Verweildauer pro Nutzer - in den USA 50 Minuten pro Tag - halten, um weiterhin genügend Werbung ausspielen zu können. Andererseits ist es in Europa und Nordamerika wegen der Verbreitung falscher Nachrichten in der Kritik, in Ländern wie Deutschland auch wegen so genannter Hass-Postings von Nutzern.

Linktipp: Das SZ-Magazin berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, wie Facebooks 600 Mitarbeiter starkes Löschteam in Berlin arbeitet.

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