Soziales Netzwerk:Facebook meldet BBC wegen Kinderporno-Recherche bei der Polizei

Soziales Netzwerk: Facebooks Moderationspraxis gerät immer wieder in die Kritik.

Facebooks Moderationspraxis gerät immer wieder in die Kritik.

(Foto: AP)
  • Reporter der britischen BBC kritisierten, dass Facebook sexualisierte Inhalte von Minderjährigen nicht schnell löscht.
  • Zum Beweis schickten sie Facebook die entsprechenden Bilder. Das Netzwerk meldete sie dafür bei der Polizei.

Journalisten der britischen BBC wollten darüber aufklären, was Pädophilie auf Facebook treiben - und bekamen die berüchtigte Widersprüchlichkeit von Facebooks Content-Moderation auf brutale Weise zu spüren. Als sie Facebook - auf Wunsch des Unternehmens selbst - anzügliche Bilder von Minderjährigen schickten, die sie in geschlossenen Facebook-Gruppen gefunden hatten, bekamen die Reporter es selbst mit der Polizei zu tun. Denn Facebook hatte daraufhin die Reporter bei der Polizei angeschwärzt.

Die BBC hatte Defizite bei der Moderation der sozialen Plattform aufgedeckt: Facebook hatte bei 80 Prozent der gemeldeten Bilder zunächst nichts zu beanstanden, obwohl sie nach Ansicht der BBC zumindest gegen die Community-Richtlinien des Netzwerks verstoßen. Facebook versprach, sich ausführlich zu den Anschuldigungen zu äußern.

Doch zuerst sollten die BBC-Journalisten nach eigener Aussage zum Beweis Bilder schicken, die Facebook nicht löschte, obwohl sie als problematisch gemeldet worden waren. Die BBC willigte ein - doch Facebook meldete sie dann wegen der Verbreitung eben dieses Materials an das Child Exploitation & Online Protection Centre (Coep) der Polizei. Das versprochene Gespräch sagte das Unternehmen ab.

Facebook spricht von einem Missverständnis

Dass die Journalisten dem Ceop gemeldet wurden, erklärte Facebook mit einem Missverständnis. Nach einer BBC-Recherche im vergangenen Jahr habe man mit dem Sender besprochen, wie Journalisten solche Bilder abseits der Meldefunktion mitteilen könnten: Sie sollten die Links zu den entsprechenden Bildern an Facebook senden. Die Reporter hätten aber die Bilddateien selbst geschickt - man habe deshalb keine andere Wahl gehabt, als diese Verbreitung zu melden. Die Bilder auf Facebook selbst habe man selbstverständlich auch gemeldet.

David Jordan, bei der BBC für die redaktionellen Richtlinien verantwortlich, bezeichnete das Vorgehen als "überraschend" und "außergewöhnlich". Er sieht darin vor allem einen Vorwand: "Man kann nur vermuten, dass die Verantwortlichen bei Facebook sehr ungern darüber sprechen, wieso solche Bilder auf ihrer Seite verfügbar sind", sagte er.

Schon vor einem Jahr hatte Facebook nach einer ähnlichen Recherche der BBC versprochen, sein Moderationssystem verbessern zu wollen. Um das Versprechen zu prüfen, recherchierten die Journalisten in den geschlossenen Facebook-Gruppen. Lediglich 18 von 100 Bildern, die die Journalisten über Facebooks Meldefunktion anzeigten, wurden gelöscht.

Facebooks Moderatoren stehen immer wieder in der Kritik

Außer solche Bilder zu löschen schreiben Facebooks Gemeinschaftsstandards auch vor, verurteilte Sexualstraftäter keinen Account eröffnen zu lassen. Beides wird aber den Recherchen der BBC zufolge mangelhaft umgesetzt. Die Fotos, die die Journalisten meldeten, zeigten Minderjährige in "hoch sexualisierten Posen" und mindestens in einem Fall ein Standbild aus einem kinderpornographischen Video. Außerdem meldete die BBC fünf Profile verurteilter Pädophilen an Facebook - keines wurde gelöscht. Facebook selbst sagte in einem Statement, dass inzwischen alle gemeldeten Inhalte entfernt seien. Man nehme das Thema sehr ernst und wolle den Meldevorgang weiter verbessern.

Facebook wurde schon oft ein problematischer Umgang mit fragwürdigen Inhalten vorgeworfen. Im Dezember zeigte eine Recherche der SZ, dass Moderatoren des Netzwerks auch in Deutschland unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und mit grauenvollem Material konfrontiert werden. Immer wieder empören sich Nutzer über Beiträge, die trotz rassistischer oder gewaltverherrlichender Inhalte nicht gegen die Gemeinschafts-Richtlinien verstoßen, von Facebook aber nicht gelöscht werden. Vieles von dem, was deutsche Nutzer als Verunglimpfung von Minderheiten ansehen, ist für Facebook in Ordnung - das Unternehmen richtet sich nach der amerikanischen Auffassung von Meinungsfreiheit. Bei Kindesmissbrauch hört die Toleranz aber auch für das amerikanische Unternehmen auf - was in diesem Fall recherchierende Journalisten traf.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: