Süddeutsche Zeitung

Soziales Netzwerk:Facebook entwickelt App zum anonymen Chatten

  • Facebook soll demnächst eine App veröffentlichen, mit der die Nutzer anonym kommunizieren können.
  • Bislang hat Facebook vor allem darauf gesetzt, dass die Nutzer ihre "echte Identität" preisgeben.
  • Damit reagiert das Unternehmen auf Erfolge von Konkurrenz-Apps wie Whisper und Secret.

Von Hakan Tanriverdi

Die neue App von Facebook soll Anonymität erlauben

Es gibt Dinge, die will man gerne diskutieren, aber nicht unbedingt unter seinem echten Namen - diese Erkenntnis ist jetzt auch bei Facebook angekommen. Wie die New York Times berichtet, wird das Unternehmen in den kommenden Wochen eine App veröffentlichen, mit der die Nutzer anonym diskutieren können. Zu diesem Zeitpunkt sei noch unklar, wie die App funktioniert - ob es also zum Beispiel möglich sein wird, Bilder zu verschicken oder auf die Facebook-Kontakte zuzugreifen. Ebenso unklar bleibe es, ob die App überhaupt als Produkt von Facebook erkennbar ist. Das Unternehmen hat sich zuletzt dafür entschieden, nicht zu sehr in den Vordergrund zu treten. Facebook äußerte sich nicht zu dem Bericht. Instagram gehört zu Facebook, ist aber als solches eigenständig geblieben. Ähnliches gilt im Fall von Whatsapp.

Facebook distanziert sich von der eigenen Sicht auf das Internet

Mit dieser Entscheidung rückt Facebook von seiner eigenen Philosophie ab - bis dato hat das Unternehmen darauf gepocht, dass Nutzer sich mit ihrem echten Namen anmelden müssen. Mark Zuckerberg, Chef von Facebook, hatte 2010 gesagt, dass Menschen nur eine Identität hätten und alles andere ein "Mangel an Integrität" wäre. Diese Position hat Zuckerberg inzwischen relativiert. Dennoch wurde auf Facebook selbst diese Haltung mit der sogenannten Klarnamen-Regelung durchgesetzt. Wer den Dienst nutzen will, muss seinen echten Namen angeben.

Erst kürzlich wurde Facebook deswegen kritisiert, vor allem von Mitgliedern aus der schwul-lesbischen Community. Deren Accounts wurden gelöscht, weil Facebook nicht nachgeben wollte, um diesen Personen eine Nutzung von Facebook mit ihrem Künstlernamen oder unter Pseudonym zu erlauben. Viele dieser Nutzer suchten sich in der Folge ein anderes soziales Netzwerk: Sie entschieden sich für Ello. Daraufhin hat Facebook seine Position geändert - und erlaubt seither auch Künstlernamen.

Anonymität ist wesentlicher Bestandteil des Internets

Im Netz anonym zu sein, gehört mit zu den Grundprinzipien des Internets, sei es in Foren oder auf Seiten wie Reddit. Es ist als Phänomen so weit verbreitet, dass jahrelang der Spruch galt: "Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist" (nach diesem Comic im US-Magazin New Yorker). Erst durch das Entstehen von Firmen, die sich auf das Datensammeln spezialisiert haben, durch Firmen wie Facebook also, hat dieser Spruch ein Stück weit an Geltung verloren.

Erfolg von Konkurrenz-Apps zwingt Facebook zum Handeln

In den vergangenen Monaten wurden immer mehr Apps entwickelt, die das Prinzip der Anonymität wiederentdeckt haben. Die Apps heißen Whisper oder Secret und sind ein Gegenprogramm zu Facebook. Wer die App nutzt, will nur eine Botschaft loswerden, nicht seine Daten. (mehr zu Whisper lesen Sie hier ...) Facebook sieht den Erfolg dieser Apps - und zieht nun nach.

Stand-alone-Apps sind die neue Strategie von Facebook

Apps zu entwickeln, die nur einem Zweck dienen, das ist für Facebook mittlerweile Alltag. Nach der Zeitungs-App "Paper", dem ausgekoppelten Kurznachrichtendienst "Messenger" und dem Snapchat-Klon "Slingshot" (Nachrichten, die sich selbst zerstören), wäre eine App zum anonymen Chatten ein weiterer Schritt in diese Richtung. Wie viele soziale Netzwerke experimentiert auch Facebook konstant mit neuen Ideen. Diese müssen sich nicht sofort finanziell lohnen. In den Worten von Mark Zuckerberg: "Die meisten neuen Sachen, die wir ausprobieren, werden in unserem Geschäft für eine lange Zeit keine Rolle spielen."

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