Soziale Netzwerke:Fälschung per Bleistift und pöbelnde Promis - die bizarre #Brexit-Debatte

Im Netz blühen die Verschwörungstheorien, eine 93-jährige Mutter wird zum Running Gag. Und dann ist da noch Lindsay Lohan.

Zusammengestellt von Hakan Tanriverdi

Die Briten haben am 23. Juni darüber abgestimmt, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht (anscheinend wollen sie nicht: mehr dazu im Liveblog). Die Folgen eines Brexits sind unklar, die Unsicherheit so ansteckend, dass das Pfund in den Stunden nach der Entscheidung Achterbahn fährt.

Die Bevölkerung ist tief gespalten und entsprechend misstrauisch. Diese Unsicherheit verbreitet sich auch im Netz - es kommt zu bizarren Szenen. Eine Übersicht:

#UsePens: Benutzt Kugelschreiber

Wer an einer Wahl teilnehmen will, braucht einen Stift, um ein Kreuz zu setzen. Einen Bleistift zum Beispiel. Oder einen Kugelschreiber. Wahllokale in Großbritannien sind mit Bleistiften ausgestattet - für den Fall, dass jemand vergisst, seinen Stift mitzubringen.

Einige Nutzer in den sozialen Netzwerken finden das offenbar merkwürdig. Sie fragen sich: Warum Bleistifte, warum keine Kugelschreiber? Sie gehörten zu denen, die in Richtung Brexit tendieren, wie die BBC schreibt. Eine Antwort - Entschuldigung: ein Gerücht - stand schnell im Raum. Wenn die Stimme per Bleistift abgegeben werde, könnten Mitglieder der Regierung (und die Geheimdienste natürlich) das Kreuz bei "Leave" einfach ausradieren - und stattdessen bei "Remain" setzen.

Aus dem Wahlbezirk East Northamptonshire kam sogar eine offizielle Bitte an die Wählerschaft: "Bitte benutzt einen Bleistift auf eurem Wahlzettel, da Tinte verwischen kann, wenn der Zettel gefaltet wird." Dadurch könnte die Stimmabgabe unklar sein und der Zettel ungültig. Der Tweet galt den Verschwörungstheoretikern als Beweis.

Die logische Reaktion: Ein Beweisvideo.

Darauf ist zu sehen, dass die Tinte nicht verwischt. Folglich zogen einige Wähler vorsichtshalber mit einem Kugelschreiber los, "um Wahlbetrug zu verhindern".

Mit der Polizei gegen den Brexit?

Eine Ukip-Wählerin behauptete auf Twitter, dass "Remain"-Anhänger die Polizei gerufen hätten. Der vermeintliche Grund: Die Ukip-Wählerin gab ihren Kugelschreiber weiter (sie betrieb also aktive Wahlbetrugs-Verhinderung!). Die Polizei, behauptete die Ukip-Wählerin weiter, habe versucht, sie an der Weitergabe des Kulis zu hindern.

Auf Nachfrage des Guardian bestätigt die örtliche Polizei zwar, dass sie gerufen wurde, es aber keine Straftaten gegeben habe,. Deshalb habe es seitens der Polizei kein Eingreifen gegeben.

Die Gerüchte wurden schließlich so laut, dass die Wahlkommission reagierte: Es sei den Wählern erlaubt, sowohl Bleistift als auch Kugelschreiber zu verwenden.

"Ich liebe die #usepens-Brigade", twitterte daraufhin eine Nutzerin satirisch. "Aber am meisten liebe ich die Vorstellung, dass MI5 (der Geheimdienst; Anm. d. Red.) reihenweise Beamte losschickt, die mit nichts außer Radiergummis bewaffnet sind."

Die 93-jährige Mama

Keith Adams ging mit seiner Mutter ins Wahllokal. Seine Mutter ist als blinde Wählerin registriert, so erzählt es Adams auf Twitter.

"Dann fragte sie mit sehr lauter Stimme: 'Welches Kästchen steht für raus?' Die wartenden Wähler haben gejubelt." Der Tweet wurde knapp 4500-mal geteilt.

Der Tweet führte zu zwei Reaktionen. Erstens: Man warf Adams vor, er würde lügen. Blinde Wähler könnten ihre Stimme über Braille abgeben, also Blindenschrift. Die Mutter hätte also gar nicht nach dem richtigen Kästchen fragen müssen.

Adams wurde anscheinend so oft vorgeworfen, ein Lügner zu sein, dass er in einem (mittlerweile gelöschtem, aber im Cache verfügbaren) Blogpost klarstellte, dass seine Mutter an einer Makuladegeneration leide. Ihre Netzhaut sei beschädigt:

"Das heißt, damit sie was sieht, muss sie ihren Kopf seitlich drehen und aus den Augenwinkeln schauen. Sie sieht nicht, was direkt vor ihr ist. Damit sie das bisschen Sehkraft, das sie besitzt, nutzen kann, braucht sie helles Licht, große Schrift und kontrastierende Farben."

Parallel dazu fingen viele Twitter-Nutzer plötzlich an, über ihre eigenen Mütter zu schreiben. Wie der Zufall es will, waren alle diese Mütter ebenfalls 93 Jahre alt ... eine Art Running-Gag war geboren.

Lindsay Lohan

Und dann ist da noch Lindsay Lohan, die Schauspielerin, in deren Twitter-Feed Politik sonst eher selten eine Rolle spielt. Nicht so an diesem Abend.

Lohan kam in New York zur Welt, lebt aber dem People-Magazin zufolge derzeit in London. Auch sie hat sich nun in Sachen Brexit zu Wort gemeldet - mit wütenden "Remain"-Appellen. Für viele Beobachter kam das eher unvermittelt.

Die Frage liegt nahe: Wurde ihr Account gehackt? Die Person, die den Account kontrolliert, verneinte das.

embed.js" data-config="${variable3}" data-channel="www" onload="szigEmbed.apply(this, arguments);">
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: