Süddeutsche Zeitung

Soziale Netzwerke:Die Facebook-Fahnder

Hier wird nicht nur gegruschelt: Für ihre Ermittlungen durchforsten Behörden immer häufiger soziale Netzwerke - auch in Deutschland. Dabei arbeiten einige Fahnder recht unkonventionell.

Die Männer freuten sich auf ein Treffen mit einer attraktiven Blondine - doch statt einer langbeinigen Schönen kam der "Kuckuck" zum Date. Weil Gerichtsvollzieher in Russland auf der Suche nach säumigen Schuldnern immer wieder vor verschlossenen Türen stehen, haben sie sich etwas einfallen lassen: Sie machen sich im russischen Online-Portal "Odnoklassniki" - vergleichbar mit StudiVZ oder Facebook - auf die Jagd.

Wie russische Medien berichteten, spüren sie die Männer dort auf, geben sich als scharfe Blondine aus und überreden sie zu einem Treffen. Bei dem vermeintlich heißen Date wird dann sofort alles gepfändet, was nicht niet- und nagelfest ist.

In Kanada wurde Facebook einer 29-Jährigen zum Verhängnis, die wegen Depressionen krankgeschrieben war und Geld von ihrer Krankenversicherung bekam. Als die Kasse fröhliche Fotos der Frau beim Strandurlaub mit der Mutter, beim Umtrunk mit Freunden und sogar bei einer Stripshow sah, strich sie das Geld.

Wenn Gerichtsvollzieher im Netz surfen

Die Frau habe sich offensichtlich von der Depression erholt und könne wieder zur Arbeit gehen, schloss die Versicherung aus den Bildern. Die 29-Jährige hat Einspruch eingelegt und will notfalls auch vor Gericht ziehen.

In Deutschland greift man noch nicht zu derart drastischen Mitteln. Die deutschen Kassen spähen ihre Mitglieder nach eigenen Angaben nicht über soziale Netzwerke aus. "Nein - nein - nein", sagt Udo Barske, Sprecher des AOK-Bundesverbandes. "Das gibt es bei der AOK nicht. Das ist auch unseriös und ich erwarte das auch nicht bei anderen Krankenkassen."

Trotzdem ist das Internet auch hierzulande mancher Behörde inzwischen eine Hilfe. So machen sich auch deutsche Gerichtsvollzieher per Mausklick auf die Suche nach Menschen, die ihre Rechnung nicht gezahlt haben. "Also, gegoogelt wird schon, wenn es sich nicht gerade um meine Stammkunden handelt", sagt die Geschäftsführerin des Deutschen Gerichtsvollzieher Bundes, Stephanie Steinmetz.

Die Suchmaschine wurde so zum Beispiel einem Schauspieler zum Verhängnis. Er hatte einen Auftritt auf seiner eigenen Homepage angekündigt - vor der Bühne wartete Frau Steinmetz mit dem "Kuckuck"-Stempel.

Das sei in Deutschland aber die Ausnahme, sagt sie. Nach der derzeitigen Rechtslage müssen Gerichtsvollzieher nicht nach Schuldnern fahnden. Es ist in erster Linie Aufgabe des Gläubigers, die richtige Adresse ausfindig zu machen. Ist der Gesuchte da nicht zu finden, heißt es eigentlich: Pech gehabt. "Aber manchmal kommt da doch Ehrgeiz auf", sagt Steinmetz.

Die Methoden ihrer russischen Kollegen hält sie allerdings für unseriös. "Das verträgt sich nicht mit unserem Beamtenstatus. Wir sind Justizbeamte und es gibt Vorschriften, wie wir auf Schuldner zugehen müssen. Und so eine Trickserei gehört da sicher nicht dazu."

Im Jahr 2013 soll das sogenannte Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung in Kraft treten. Dadurch bekommen Justizbeamte zwar mehr Befugnisse, eine "Detektivtätigkeit" ist nach Angaben des Justizministeriums in Berlin allerdings auch dann nicht vorgesehen.

Laut Zivilprozessordnung machen sich in Deutschland nicht die Gerichtsvollzieher, sondern die Gläubiger selbst, die oft von Inkasso-Unternehmen vertreten werden, auf die Suche. "Ein Inkasso- Unternehmen wird niemals direkt im Internet Kontakt zu einem Schuldner aufnehmen", sagt der Präsident des Bundes Deutscher Inkasso-Unternehmen, Wolfgang Spitz.

Google Earth statt Polizeihubschrauber

Trotzdem spiele das Internet inzwischen eine wichtige Rolle. Alle Schuldner, die angeschrieben werden, erhalten eine Internet-Adresse, über die sie direkt mit dem jeweiligen Inkasso-Unternehmen in Kontakt treten können. "Der Schuldner soll es möglichst leicht haben." Und nicht nur beim Versuch, Schuldner zu kontaktieren, ist das Internet eine Hilfe. Die Polizei fahndet inzwischen auch online nach Straftätern. "Natürlich nutzen wir Google und öffentlich zugängliche Netzwerke wie Facebook", sagt ein Sprecher des niedersächsischen Landeskriminalamtes.

Auch die Luftaufnahmen, die Google Earth zur Verfügung stellt, könnten manchmal von Nutzen sein, um Umgebungen auszukundschaften und sich anzusehen, wie bestimmte Gebäude angelegt sind. "Dann müssen wir nicht gleich mit dem Polizeihubschrauber drüberfliegen."

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