Soziale Netzwerke:Der Mann, der Facebook nervt

Der Facebook Newsfeed ist sehr wichtig für das Unternehmen, und "FB Purity" stört.

Der Newsfeed soll Nutzer bei der Stange halten.

(Foto: Dado Ruvic/Reuters)
  • Das Browser-Plugin "FB Purity" ermöglicht Nutzern, den Newsfeed zu individualisieren und Änderungen von Facebook rückgängig zu machen.
  • Seit sechs Jahren hat Programmierer Steve Fernandez deshalb Ärger mit dem Unternehmen.

Von Christian Simon

Facebook zu nerven ist eine Mammutaufgabe. Das Netzwerk hat 1,8 Milliarden Nutzer und wächst weiter. Wer diesen Giganten ärgern will, muss sich schon anstrengen.

So wie Steve Fernandez. Der Brite arbeitet als Programmierer und entwickelt seit März 2009 in seiner Freizeit die Browser-Erweiterung "FB Purity". Auf allen gängigen Browsern können Nutzer damit das Erscheinungsbild der klassischen Facebook-Timeline verändern. Sie können gesponserte Beiträge ausblenden oder den Hintergrund durch ein beliebiges Bild ersetzen. Sie können Bilder mit Babys, Essen oder glücklichen Paaren ausblenden. Die Timeline dauerhaft im Modus "Neueste Posts zuerst" halten. Oder alle Posts des Typs "Freund X gefällt das" entfernen. Kurz: Fernandez' Erweiterung macht Facebook weniger nervig.

"Ich habe viele Dinge bemerkt, die man am Newsfeed verbessern könnte"

Eine eigene Facebook-Fanseite hat "FB Purity" auch. Mehr als 300 000 Nutzern gefällt das. Allerdings stört sich Facebook an diesen Änderungen. Die Timeline ist der Firma heilig, der Algorithmus, der sie zusammenstellt, ist das wichtigste Geschäftsgeheimnis. Denn Facebooks Geschäftsmodell basiert darauf, Nutzer möglichst lange auf der Seite zu halten, um möglichst viel Werbung auszuspielen. Zu diesem Zweck wird die Timeline ununterbrochen optimiert.

Tausende, immer kleinteiligere Faktoren fließen in die Bewertung jedes einzelnen Posts ein - was ganz oben steht, soll immer das sein, was für den jeweiligen Nutzer gerade am relevantesten ist. Facebook will alles kontrollieren. Und Steve Fernandez funkt dazwischen.

Er nutzt dafür ein Programm namens "Greasemonkey", mit dem er Programmschnipsel baut, die beim Aufruf einer Webseite gleichzeitig ausgeführt werden. Dadurch kann er Webseiten mit zusätzlichen Funktionen ausstatten, die dann nur auf Nutzerseite existieren und nicht Teil der Seite werden. "Ich bin viel auf Facebook unterwegs und habe irgendwann viele Dinge bemerkt, die man verbessern könnte, besonders bei der Zusammensetzung des Newsfeeds", sagt Fernandez. Die mehr als 322 000 Nutzer von "FB Purity" sehen das genauso.

Fernandez beschäftigt sich obsessiv mit dem Newsfeed. Auf seinem Blog beschwert er sich regelmäßig darüber, dass Facebook mal wieder mit einem Update den Newsfeed "kaputtgemacht" habe. Und präsentiert gleich ein Update für "FB Purity", mit dem man die Änderung rückgängig machen kann.

Was die Nutzungsbedingungen angeht, befindet sich Fernandez in einer Grauzone

Ob Fernandez mit "FB Purity" gegen die Nutzungsbedingungen Facebooks verstößt, ist nicht ganz klar - eine entsprechende Nachfrage ließ Facebook unbeantwortet. Die Firma verbietet zwar alles, was "Funktion oder Erscheinungsbild" verändern könnte - aber FB Purity verändert das Erscheinungsbild Facebooks als Ganzes strenggenommen nicht. Fernandez achtet nach eigener Aussage darauf, die Serverleistung des Unternehmens nicht anzutasten. FB Purity verändert nur, was der Browser des Nutzers anzeigt. Trotz dieser Unsicherheit wird Steve Fernandez immer wieder von Facebook sanktioniert.

Zwischen 2010 und 2014 sperrte oder löschte Facebook die Fanseite von FB Purity insgesamt drei Mal. Der private Account von Steve Fernandez wurde zweimal gesperrt. Beide Seiten standen jeweils nach einigen Tagen wieder zur Verfügung. Einmal drohte Facebook Fernandez mit einem permanenten Bann, setzte ihn aber nie um. Den Grund für den ersten Bann versteht Fernandez sogar: "FB" stand damals noch für Facebook - eine Urheberrechtsverletzung. Er entfernte alle Logos und Namen aus seiner Erweiterung. "FB" steht seitdem für "Fluff Busting".

Seit April 2012 blockt Facebook außerdem alle Links zu fbpurity.com. Wenn Nutzer versuchen, eine Statusmeldung oder einen Kommentar mit diesem Link zu veröffentlichen, erhalten sie eine Fehlermeldung. Erst wenn sie den Link entfernen, kann der Post veröffentlicht werden. Die Fehlermeldung begründet das damit, dass der Link von Facebooks Sicherheitssystemen als unsicher erkannt worden sei. Lächerlich, findet Steve Fernandez: Weder langfristige Nutzer seiner Software noch Sicherheitstests wie die des Antivirenunternehmens Norton hätten sich jemals über FB Purity beklagt.

Eine Chance auf eine Einigung mit Facebook sieht er nicht mehr

"Ich gebe nicht auf, denn ich kämpfe für einen guten Zweck", sagt Fernandez. "Facebook ist heutzutage beinahe essenziell um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, Events zu organisieren und so weiter. Ich habe viele Probleme mit dem Netzwerk - zum Glück kann ich meine Fähigkeiten einsetzen, um ein paar davon zu beheben."

Facebook selbst will hauptsächlich, dass Fernandez seine Browsererweiterung so umbaut, dass sie auf Facebooks offizielle Programmieroberfläche, die API, zugreift. Facebook hätte dann die Kontrolle und könnte missliebige Funktionen leichter überwachen und blockieren. Und die Möglichkeiten wären begrenzter: "Ich kann keine Browsererweiterung programmieren, die dieselben Funktionen wie 'FB Purity' hat und trotzdem auf die API zugreift", sagt Fernandez, "das wäre unmöglich."

Eine Chance auf eine Einigung mit Facebook sieht er deshalb nicht mehr. Darauf angesprochen, ob er trotz aller Schikanen weitermachen wolle, antwortet er nur, dass er seinen Kampf so lange "wie nur menschenmöglich" führen werde. Alle paar Wochen aktualisiert er "FB Purity". Alle paar Wochen ändert Facebook den Code.

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