Soziale Netzwerke als Fahndungswerkzeug:Mit Facebook auf Verbrecherjagd

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Bundesweit einmalig: Die Polizei Hannover nutzt bei Ermittlungen ein eigenes Facebook-Profil. Hier zeigen die Beamten Fotos von Verdächtigen und sammeln nützliche Hinweise, zuweilen sind ihre Facebook-Freunde kriminell. Die Plattform ist längst eine wichtige Informationsquelle - doch Behörden verwenden sie meist nur verdeckt.

Sebastian Beck

Es war nicht gerade der spektakulärste Coup in ihrer Geschichte, als die Polizei Hannover im Juli drei Baustellendiebe festnahm. Das Trio hatte 57 Starkstromkabel im Wert von 6000 Euro gestohlen. Trotzdem freut sich Polizeisprecher Stefan Wittke ganz besonders über diesen Fahndungserfolg: Denn damit steht es nach Wittkes Rechnung nun bereits 6:0 für Facebook.

Die Polizei in Hannover hat bereits etwa 23.000 Facebook-Freunde - darunter auch solche, die einen Streifenwagen schon von innen gesehen haben. (Foto: dpa)

Seit Februar dieses Jahres unterhält die Behörde auf Facebook einen eigenen Account, den sie für Fahndungszwecke einsetzt - ein bundesweit einmaliges Projekt. Ihre digitale Pinnwand schmückten die Beamten auch mit Fotos einer Überwachungskamera, auf denen die Kabel-Diebe bei ihrer nächtlichen Arbeit zu sehen sind. Das brachte den Ermittlern den entscheidenden Hinweis. "Sehr geil! :-)" lautet ein Kommentar unter dem Bericht über den Fahndungserfolg.

Auch sonst erfreut sich die Polizei in Hannover anscheinend großer Beliebtheit: Genau 23.199 Freunde zählte ihr Facebook-Auftritt am Mittwoch, darunter sind auch solche, die Streifenwagen schon von innen gesehen haben. Auf diesen Freundeskreis legt die Polizei ganz besonderen Wert: Ihre Anhänger auf Facebook sind zumeist männlich, jünger als 35 Jahre und damit laut Wittke häufiger Opfer von Kriminalität oder selbst einschlägig aktiv. Auch deshalb konnten via Facebook seit Mai sechs Straftaten aufgeklärt werden. Die Zeugenaufrufe in den Zeitungen erwiesen sich hingegen als nutzlos: Deren Leser sind zu alt und zu gesetzestreu. "Das geht an der Zielgruppe vorbei", sagt Wittke.

Für Polizei und Justiz sind Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter längst zu einer wichtigen Informationsquelle geworden, wenngleich die Behörden anders als in Hannover meist verdeckt arbeiten. Allein in Deutschland hat Facebook etwa 20 Millionen Mitglieder, die oft ihr ganzes Leben samt Kontakten der Öffentlichkeit preisgeben - der Traum jedes Ermittlers.

Wer im Auto an der roten Ampel geblitzt wird, der muss damit rechnen, dass die Beweisfotos mit denen auf Facebook abgeglichen werden. Das sei längst Routine, sagt Johannes Caspar, der Hamburger Landesbeauftragte für Datenschutz. Er wundert sich über die Naivität vieler Menschen: "Nutzer dürfen sich nicht der Illusion hingeben, dies seien Daten, die nur zum privaten Gebrauch mit Freunden ausgetauscht werden", sagt er. "Man läuft durchaus Gefahr, auch in polizeiliche Ermittlungen zu geraten."

Virtuelle Ermittler

Mitunter diskutiert die Kripo in Foren sogar selbst unter Pseudonym mit oder unterhält gefälschte Accounts, wie das Technikmagazin Chip in seiner aktuellen Ausgabe schreibt. Das Bundeskriminalamt zum Beispiel setzte in den vergangenen zwei Jahren in sechs Fällen virtuelle Ermittler ein, die "längerfristig und gezielt" an der Kommunikation in sozialen Netzwerken teilnahmen.

Was sie dort genau machten, das unterliegt der Geheimhaltung. So steht es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken. Nach Ansicht des Datenschützers Caspar ist die Praxis der Behörden problematisch, vor allem dann, wenn sie das Vertrauen ihrer vermeintlichen Online-Freundschaften ausnutzen. Hier fehle es noch an klaren Regelungen.

In Hannover läuft der Modellversuch Ende des Monats aus. Danach soll entschieden werden, ob die Polizei auch anderswo in Deutschland Facebook-Freundeskreise aufbaut. Eins stellt sie auf ihrer Profilseite aber klar: Wer auf "Gefällt mir" klicke, der meine damit nicht die Straftat.

© SZ vom 11.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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