Süddeutsche Zeitung

Software-Gigant stellt Windows 8 vor:Microsofts Touchscreen-Windows soll Apple und Co. stoppen

Jetzt wird es ernst für Microsoft: Mit Windows 8 krempelt das Unternehmen seine Betriebssystem-Reihe gründlich um. Der Nachfolger von Windows 7 soll PC-Besitzer bei der Stange halten und gleichzeitig die Antwort auf den Tablet-Siegeszug der Konkurrenz geben. Dafür mutet Microsoft den Windows-Nutzern einige Änderungen zu.

Helmut Martin-Jung und Thorsten Riedl

Lange Zeit war Bill Gates der berühmteste Computer-Unternehmer der Welt. Der zweitreichste Mensch der Welt ist er immer noch. Doch die herausragende Stellung seiner Firma Microsoft wankt. Apple und Google, das sind die Namen, die nun gefragt sind. Jetzt will es Microsoft noch mal wissen. Die neueste Version seines Betriebssystems Windows "wird alles ändern", tönt der weltweit größte Software-Konzern auf seiner Entwicklerkonferenz in Kalifornien.

Mit Windows 8 sagt Microsoft Apple und Google den Kampf an. Die konkurrierenden Produkte waren zuletzt mehr als Nadelstiche: Junge Kunden kommen heute ganz ohne Microsoft-Software auf ihren Geräten aus. Ein Novum in der PC-Geschichte. Und eine Gefahr, der das Unternehmen nun mit Windows 8 begegnen will - und dafür die besten Ideen der anderen kopiert. Windows-Anwender müssen sich komplett umgewöhnen.

Vor 30 Jahren stellte IBM den ersten Personal Computer vor: Das Gerät wurde damals schon mit Hilfe der Betriebssystem-Software von Microsoft gesteuert. Auch wenn IBM längst keine Rechner mehr baut, Microsoft hat überlebt - und ein Quasi-Monopol bei Betriebssystemen für PCs erlangt. Der Marktanteil liegt bei mehr als 90 Prozent.

Doch die Stellung von Microsoft im Kerngeschäft gerät zum ersten Mal in Bedrängnis. "Die junge Generation hat eine komplett andere Sicht auf Computer als die Älteren", erklärt Ranjit Atwal, Experte beim Marktforschungshaus Gartner. "Sie kaufen PCs nicht als ihr erstes Gerät - oder überhaupt notwendigerweise als das wichtigste".

PC-Absatz sinkt

Sie würden gleich zu einem Tabletcomputer wie den iPad von Apple oder Googles Produkten greifen. Damit lässt sich fast alles machen wie mit einem herkömmlichen Computer - ohne lästige Wartezeiten beim Start oder komplizierte Bedienung.

In Deutschland sank der Absatz von Rechnern zuletzt zum zweiten Mal in Folge im zweistelligen Prozentbereich. Im zweiten Quartal ging die Nachfrage laut Gartner um 13 Prozent zurück.

Händler seien sehr konservativ gewesen mit Bestellungen von Rechnern, auf denen Windows läuft. "Stattdessen wollten viele von ihnen Platz schaffen für Tabletcomputer", sagt Gartner-Analystin Meike Escherich. In dieser Kategorie führt Apple, gefolgt mit weitem Abstand von Google. Microsoft spielt keine Rolle.

Die Namen der Rivalen sprachen, wenn überhaupt, bei der Tagung in Anaheim nur die fragenden Journalisten aus. Niemals die Verantwortlichen von Microsoft selbst. Doch natürlich haben sich die Softwareexperten aus Redmond angesehen, was den Erfolg des iPad von Apple oder der Tabletcomputer mit Google-System ausmacht.

Windows 8 soll der Befreiungsschlag werden. Die Software wurde von Grund auf neu geschrieben. Microsoft musste einen Weg finden, weder die Geschäftskunden zu verprellen, noch die Privatklientel, die gerne einen Tabletcomputer besitzen möchte. Die Vorgabe sei also nichts weniger gewesen, als Windows neu zu erfinden, sagt Steven Sinofsky, Windows-Chef bei Microsoft.

Bei der Neuentwicklung stützt sich der Softwarekonzern auf Ideen der Konkurrenz: vor allem auf berührungsempfindliche Bildschirme und Apps, kleine Programme, die sich leicht aufspielen lassen. Beides kennen die Kunden von den Betriebssystemen iOS von Apple und Android von Google. Die Fingerzeige auf dem Display sorgen für einfache Bedienung, Apps für mehr Umsatz. Die Erlöse mit den kleinen Programmen werden bei Apple allein auf weit mehr als zwei Milliarden Dollar in diesem Jahr geschätzt.

Für Windows-Nutzer bedeuten die grundlegenden Veränderungen: Umdenken und Umlernen. Wenig bleibt bei Windows 8 an der gewohnten Stelle. Der neue Startbildschirm etwa hat mit dem klassischen Windows nichts mehr gemein. Anstelle des Start-Knopfes und der Programm-Icons, die seit 1995 den Windows-Schirm dominieren, verdecken nun Programm-Kacheln den Bildschirm.

Es gibt sie in drei Größen, und die meisten von ihnen sind nicht nur Schaltflächen, sondern agieren wie kleine Fenster, die einen Blick gewähren auf das, was dahinter steckt. Die Kachel für das Mailprogramm zum Beispiel zeigt neue E-Mails an, die für Twitter die letzten Sofortnachrichten oder die der Aktien-App die aktuellen Kurse.

Noch funktioniert nicht alles wie gewünscht

Bedienen lassen sich alle Programm-Kacheln mit den Fingern - oder der langjährig bewährten Kombination: Maus und Tastatur. "Es ist ja kein Versehen, dass wir so arbeiten", sagt Sinofsky, "sondern es funktioniert auf diese Weise eben sehr präzise".

Was aber ist mit den Zehntausenden von Programmen, die für die früheren Windows-Versionen geschrieben wurden? Sie alle, so verspricht der Manager, werden auch unter Windows 8 laufen, wenn sie unter Windows 7 funktionierten.

Ob es Microsoft gelingt, wieder alle Käuferschichten für sein Betriebssystem zu begeistern, hängt nicht zuletzt an externen Entwicklern. Wie Apple und Google plant der Softwarekonzern einen App-Store, in dem Zusatzprogramme gekauft werden können. Und der Reiz der Tabletcomputer der beiden Rivalen liegt gerade darin, dass sich die Geräte über Hunderttausende verschiedener Apps fast beliebig erweitern lassen.

Zunächst funktioniert bei Windows 8 aber noch nicht alles wie gewünscht. Bis es nächstes Jahr zu kaufen sein wird, ist noch einiges zu tun.

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SZ vom 14.09.2011/joku
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