Süddeutsche Zeitung

Soziale Netzwerke:"Problematisch wird es, wenn Social Bots politische Themen posten"

Ob eine Nachricht in sozialen Netzwerken von einem Bot oder einem Menschen versendet wird, ist nicht immer ersichtlich. Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Simon Hegelich.

Von Laura Pickert

Sie sind in den sozialen Netzwerken gang und gäbe, doch sie fallen kaum auf: Social Bots. Automatisierte Accounts, die auf Plattformen wie Twitter oder Facebook eigenständig Inhalte posten, liken oder teilen. Nicht immer ist ersichtlich, dass hinter den Inhalten kein realer Nutzer steckt, sondern ein automatisch ablaufendes Programm. Kritiker halten Social Bots deshalb für gefährlich. Andere bezweifeln, dass automatisierte Accounts reale Nutzer tatsächlich beeinflussen. Wie zum Beispiel Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der Technischen Universität München. Er erklärt, was bei Bots zu beachten ist.

SZ: Herr Professor Hegelich, woran können Nutzer einen Social Bot überhaupt erkennen?

Simon Hegelich: Viele Bots verschweigen gar nicht, dass sie automatisierte Inhalte produzieren. Auf Twitter gibt es zum Beispiel Bots, die automatisch Erdbebenwarnungen oder den Wetterbericht verschicken. Es gibt aber auch automatisierte Accounts, die nicht gekennzeichnet sind. Viele Studien versuchen deshalb, diese Accounts an Mustern zu erkennen. Beispielsweise, welche Ähnlichkeiten es zwischen Bots generell gibt und ob das auf einen bestimmten Account auch zutrifft. Die Definition von Social Bots ist aber nicht eindeutig. Das kann dann hohe Fehlerquoten geben.

Automatische Erdbebenwarnungen - das klingt hilfreich. Dennoch mahnen Kritiker, automatisch generierte Inhalte seien gefährlich.

Es kommt darauf an, wie man Social Bots einsetzt. Ich nutze selbst einen Social Bot für meinen Twitter-Account. Wenn ich auf meinem Blog etwas schreibe, postet der Bot dazu automatisch einen Tweet. Das ist gar nicht schwer, das könnte sich jeder selbst einrichten. Problematisch wird es, wenn Social Bots politische Themen posten oder teilen. Die Befürchtung ist, dass das die Meinung der Nutzer beeinflussen könnte.

Bestätigt sich diese Befürchtung denn?

Politische Meinungen zu manipulieren ist generell sehr schwierig. Nur, weil ein Bot tausendfach beispielsweise #merkelmussweg teilt, ändert niemand seine Meinung. Social Bots können also bestimmt keine politische Story entwickeln, die andere beeinflusst. Aber sie können Signale im politischen Diskurs verstärken. Also, dass zum Beispiel ganz vielen Nutzern dieselbe Nachricht angezeigt wird. Die eigentliche Gefahr besteht dann darin, wenn diese Nachricht als Mehrheitsmeinung gesehen wird und sich die Wahrnehmung der Nutzer verzerrt. Das wird dadurch verstärkt, wie soziale Netzwerke funktionieren.

Inwiefern ist die Funktionsweise von Social Media ein Problem?

Man darf nicht vergessen, dass Twitter und Co. private Konzerne sind, die wirtschaftliche Interessen verfolgen. Das bedeutet, dass vordergründig Inhalte gezeigt werden, die oft geteilt werden. Meistens sind das dann Themen, über die sich viele aufregen, ohne sich intensiver damit auseinanderzusetzen. Mit Social Bots können diese Themen dann künstlich noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Da muss man sich fragen, ob wir das so haben wollen oder ob das ein Schaden für die Demokratie sein kann.

Könnte eine Kennzeichnungspflicht von Bots dieses Problem lösen?

Es wäre sehr einfach, jeden automatisierten Inhalt zu kennzeichnen. Das würde aber zum Beispiel bedeuten, dass bei Nachrichtenagenturen alle automatischen Meldungen gekennzeichnet werden müssten. Oder professionell betriebene Accounts, die Inhalte automatisch zur selben Uhrzeit posten - das müsste dann auch angegeben werden. Welchen Nutzen hat diese Kennzeichnung dann? Nur, weil etwas automatisiert erstellt wurde, ist es nicht zwangsläufig weniger glaubwürdig.

Wie kann dann verhindert werden, dass die Wahrnehmung der Nutzer verzerrt wird?

Generell kann im Nachhinein nicht sicher nachgewiesen werden, ob ein Social Bot die Wahrnehmung verzerrt hat oder nicht. Der Hauptpunkt ist aber: Ich muss als Nutzer auch selbst nachdenken. Mir klarmachen, dass das, was in den sozialen Netzwerken passiert, nicht unbedingt die wirkliche Welt ausmacht. Die Frage, die ich mir deshalb stelle, ist: Ist es angebracht, dass so viel politische Kommunikation auf Plattformen stattfindet, die dafür nicht geeignet sind? Bräuchten wir dafür nicht eigentlich so etwas wie eine öffentlich-rechtliche Social-Media-Plattform? Eine Plattform, die eben auch Inhalte zeigt, die nicht oft geteilt wurden. Dann wären Social Bots wirkungslos.

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