Snapchat:Nachrichten statt Selfies

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Die Snapchat-App: Bald auch mit Nachrichten? (Foto: AFP)

Snapchat ist bislang vor allem für Nacktfotos und Selfies bekannt. Das könnte sich ändern. Einem Bericht zufolge verhandelt der Dienst mit mehreren Medienhäusern über eine Kooperation. Auch die größte Online-Zeitung der Welt soll darunter sein.

Von Pascal Paukner

Die Geschichte mit den Nacktbildern ist eine Übertreibung. Sie wird zwar immer erzählt, wenn es um Snapchat geht. Doch das soziale Netzwerk, mit dem die amerikanische Jugend derzeit am liebsten die Zeit totschlägt, wird natürlich nicht allein für den Versand von Nacktfotos eingesetzt, wie immerzu behauptet wird. Seit die Universität von Washington kürzlich eine Studie veröffentlichte, ist das Vorurteil sogar offiziell widerlegt. Laut den Forschern wird das Netzwerk, bei dem sich verschickte Fotos nach kurzer Zeit von selbst löschen, zumeist für den Austausch von Witzbildern und Selfies genutzt.

Das dürfte auch eine ganze Reihe von Verlagsmanagern beruhigen, die sich derzeit fragen, ob sie mit dem Shootingstar der Internetszene einen Deal eingehen sollen: Wie das Wall Street Journal berichtet, befindet sich Snapchat in Verhandlungen mit mindestens zwölf Zeitungen, Magazinen und Fernsehsendern, die dem Netzwerk Nachrichteninhalte zur Verfügung stellen sollen. Der neue Dienst mit dem Namen "Snapchat Discovery" soll im November starten und über Werbeeinblendungen finanziert werden. Weitgehend unklar ist noch, welche Medienanbieter die Inhalte liefern. In dem Bericht wird einzig das Online-Angebot des britischen Boulevardblatts Daily Mail namentlich genannt. Dabei handelt es sich um die reichweitenstärkste Zeitungswebseite der Welt.

Snapchat wollte sich zu der Sache nicht äußern. Das Vorhaben passt aber zur Strategie von Firmengründer Evan Spiegel, der den Dienst auf der Suche nach einem Geschäftsmodell umbaut - von einer einfachen Bilder-App zu einer umfassenden Medienplattform. Bereits im vergangenen Jahr startete Spiegel deshalb den Dienst "Snapchat Stories". Nutzer können damit kurze Bildgeschichten erzählen und sie an ihre Freunde schicken, die dann bis zur Löschung 24 Stunden Zeit haben, das Ergebnis zu betrachten.

Flüchtigkeit als Grundprinzip

Die Flüchtigkeit von Inhalten ist das Grundprinzip von Snapchat. Auch die mehr als 700 Millionen Fotos, Videos und Nachrichten, die vor allem Jugendliche jeden Tag über die App verschicken, werden gelöscht, kurz nachdem der Empfänger sie betrachtet hat. Die Idee, dass auch digitale Inhalte flüchtig sein können, haben inzwischen viele andere Start-ups übernommen. Sollte der Deal mit den Medienhäusern zustande kommen, könnte das Konzept auch auf den Online-Journalismus übertragen werden. Der bietet seinem Leser derzeit neben schnellen Nachrichten zumeist auch umfangreiche Archive, die weit in die Vergangenheit reichen. Ebenso ist es üblich in Online-Artikeln auf ältere Inhalte zu verlinken. All das wird mit Snapchat und seinem absoluten Flüchtigkeitsprinzip wohl kaum möglich sein.

Wie es in Zukunft gehen könnte, zeigt jetzt schon der Nachrichtensender NRK P3 aus Norwegen. Die Radiomacher verbreiten ihre Nachrichten wie auch über Snapchat. Man wolle der Jugend die Nachrichten dort präsentieren, wo sie sich ohnehin aufhielten, sagte einer der Radioleute kürzlich in einem Interview mit dem Nieman Journalism Lab.

© SZ vom 22.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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