Smartphone-Ratgeber:Was verunsicherte Eltern lesen sollten

Jugendschutz im Internet

Kind mit Smartphone: Ein Bild, das viele Eltern problematisch finden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer seinen Kindern einen vernünftigen Umgang mit Technik beibringen will, sieht sich einer Fülle von Ratgebern gegenüber. Wie sinnvoll sind die Tipps? Eine Bestandsaufnahme.

Von Mirjam Hauck

Darf das Kindergarten-Kind auf dem Tablet spielen? Braucht das Grundschulkind schon ein Smartphone oder vielleicht gar eine Spielekonsole? Ist es gut, wenn Teenager stundenlang Emojis mit ihren FreundInnen hin- und herschicken? Haben digitale Technologien in der Kindheit tatsächlich nichts verloren, wie ein Experte auf Spiegel online kürzlich propagierte?

Ich selbst habe einen 8-jährigen Sohn. Er hat ein kleines Tablet, seit er 5 Jahre alt ist. Damit spielt er kleine Videospiele, baut echte Lego-Modelle Online-Anleitungen nach oder guckt Videos auf der App eines Kindersenders. Ein Handy hat er noch nicht, er will auch noch keines. Er ist eher genervt, wenn ich zu lange darauf starre. Und er hat auch schon Verbotsschilder gemalt - mit Rot durchgestrichenem Handy, die er mir unter die Nase gehalten hat, wenn ich dem Gerät zu viel Aufmerksamkeit schenke. Aber Zeiten ändern sich. Bald will er sicher auch ein Handy. Und vielleicht gehört mein Sohn in vier Jahren zu den 2,6 Prozent Social-Media-Süchtigen, die es laut einer DAK-Studie in Deutschland geben soll.

Wer sich also jenseits von kategorischen Verteufelungen konstruktiv mit mittlerweile auch nicht mehr ganz so neuen Technologien auseinandersetzen, sprich seinen Kindern einen vernünftigen Umgang mit Tablet, Smartphone und Co beibringen will, der sieht sich einer Fülle von Ratgebern gegenüber. Die Bücher versprechen, "Wie wir unsere Kinder von der digitalen Sucht befreien" (Thomas Feibel: Jetzt pack doch mal das Handy weg/ Ullstein). Sie heißen simpel "Generation Smartphone" (Pia Zimmermann/Fischer & Gann) oder "Digitale Welt" (Lena Thiele/Ravensburger). Und in der optimistischen Version "Digitale Intelligenz - warum die Generation Smartphone kein Problem, sondern unsere Rettung ist" (Verena Gonsch/Lübbe).

Krude Toaster-Analogie

Thomas Feibels hat für seinen Ratgeber mit vielen Experten gesprochen. So kommt der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort zu Wort, der erklärt, dass Eltern eine wichtige Vorbildfunktion haben. Das klingt banal, aber wer nicht möchte, dass seine Kinder ständig am Handy hängen, der sollte erst einmal seinen eigenen Umgang mit dem Gerät reflektieren. Dafür liefert das Buch mit Checklisten und kleinen Tests Aha-Erlebnisse. Allerdings wird es krude, wenn Feibel Argumente gegen das Smartphone für Kinder sucht und dann so etwas findet: "Sicher, es gibt viele technische Errungenschaften für Erwachsene, die Kinder mitbenutzen dürfen. Den Toaster zum Beispiel. Aber das ist noch lange kein Grund, ihnen einen eigenen Toaster zu kaufen."

Auch seine Tipps sind nicht immer stringent argumentiert. So empfiehlt er, dass Eltern beim Restaurantbesuch "viele Malstifte, Papier, Schere und Kleber mitnehmen", sonst würde Kinder darauf konditioniert, in Phasen der Langeweile immer Zugriff auf Mobilgeräte zu brauchen. Zum einen sind Kinder keine Hunde im Pawlowschen Sinne, zum anderen zeigt ein Blick auf die heutigen Erwachsenen, dass es keiner Smartphones im Kindesalter bedurfte, um in freien Minuten ständig auf sein Handy zu starren.

Feibel will die Technologie nicht verteufeln, dennoch unterstellt er ihr Suchtpotential. Belege liefert er dafür nicht, zitiert nur den umstrittenen Hirnforscher Manfred Spitzer: So würde sich durch die Smartphone-Nutzung die schulische Leistung verschlechtern. Aber die Lage scheint dennoch nicht verloren zu sein, es kommen im Buch auch Teenager zu Wort, die im Urlaub ganz freiwillig ihr Handy zuhause lassen oder es im Restaurant auf einen Stapel legen.

Digitale Intelligenz als Rettung

Weniger Experten und Anekdoten, dafür mehr Fakten liefert "Generation Smartphone" von Pia Zimmermann. Wer sich als Eltern digitales Wissen erarbeiten will, macht mit diesem Bucht nichts falsch. Die Autorin erklärt die Herkunft des Wortes "posten" genauso wie das Phänomen E-Sport, Game-Design und Gamification sowie Youtube, Facebook und Whatsapp. Sie stellt Programmiersprachen vor, erläutert auch das Anonymisierungsnetzwerk Tor und gesicherte Kommunikationsnetze wie VPN. Schließlich gibt sie noch Tipps für sichere Passwörter. Das ist ziemlich viel und recht trockener Stoff, aber wer das Buch gelesen hat, weiß zumindest mehr und kann leichter mit seinen Kindern auf Augenhöhe diskutieren.

Wer sich zusammen mit seinen (jüngeren) Kindern in das Thema einarbeiten will, für den gibt es aus der beliebten "Wieso, weshalb, warum?"-Reihe des Ravensburger Verlages seit kurzem den Band "Digitale Welt". Der beantwortet kindgerecht - und damit auch für verunsicherte Eltern geeignet - die Fragen, was denn ein Computer überhaupt sei, wie das Internet und soziale Medien funktionieren, was ein Cyborg ist und ob künftig unsere ganzes Leben digital sein wird.

Wie ausgehungert auf Schokolade stürzen

Keine Angst, dass ihr Sohn als pickeliger und von Pizzakartons umgebener computersüchtiger Alien endet, hat Verena Gonsch. Zusammen mit dem Journalisten Till Raether hat sie "Digitale Intelligenz - warum die Generation Smartphone kein Problem, sondern unsere Rettung ist" verfasst. Wie bei Feibel kommt auch in diesem Buch der Hamburger Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort zu Wort - unter der für viele Eltern wohl provokanten Kapitelüberschrift "Warum Computerspiele besser sind als ihr Ruf". Darin erinnert sich Schulte-Markwort an Eltern, die glücklich warten, ihre Kinder möglichst lange von Süßigkeiten fernzuhalten, nur damit diese sich bei Kindergeburtstagen bei anderen Familien wie ausgehungert auf die Schokolade stürzen. Die Analogie ist klar: Was verboten ist, wird dadurch erst interessant.

Auch hält er die heutige Jugend für sozial kompetenter als frühere Generationen, sie könne sich viel besser ausdrücken. Er rät daher Eltern - als eine Art Mantra - einen Zettel auf den Kühlschrank zu kleben, auf dem steht: "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Kinder durch die Benutzung digitaler Medien dümmer werden oder in der Schule schlechter abschneiden!".

Verena Gonsch fordert Eltern auf, sich der Digitalisierung zu stellen, Unsicherheit, Unkenntnis und jede Menge Vorurteile abzulegen, denn "ein Zurück zur Offline-Welt zu Stockbrot, Lagerfeuer, Cowboy und Indianer wird es nicht mehr geben". Und sie geht in ihren Forderungen an die Eltern noch einen Schritt weiter. Es sei Ihre "Pflicht", die Kinder für die kommenden Herausforderungen der Digitalisierung fit zu machen, sonst blieben sie auf der Strecke und der Standort Deutschland gleich mit.

Diese kapitalistische Verwertungslogik muss man nicht unterstützen, aber es ist angenehm, diesen entspannten, nicht nörgelnden Blick von Verena Gonsch auf Handys, Tablets, Computerspiele und Co. zu lesen. Auch weil Neugier und Interesse der spannendere Weg sind, um mit seinen Kindern durchs Leben zu gehen.

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