Süddeutsche Zeitung

Smartphone:Ein Adlerauge in der Hosentasche

  • Jedes Material reflektiert Licht anders. Mit dem entsprechenden Equipment kann man daraus Informationen über die Zusammensetzung gewinnen.
  • Forscher des Fraunhofer Instituts für Fabrikbetrieb und - automatisierung bringen diese Fähigkeit aufs Smartphone.
  • Besonders beim Einkaufen ergeben sich daraus viele Vorteile für Verbraucher, etwa um die Frische von Lebensmitteln besser beurteilen zu können.

Das menschliche Auge kann viel, aber lange nicht alles. Es scheitert daran, einen gespritzten Apfel von einem unbehandelten Apfel zu unterscheiden. Den Zuckergehalt der Frucht kann es auch nicht sehen. Und den Gesundheitszustand von Zimmerpflanzen schon gar nicht. Zum Glück gibt es bald eine App, die diese Unzulänglichkeiten ausgleichen soll.

Was wie Science Fiction klingt, machen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) in Magdeburg mit einem Trick möglich. Sie lassen das Display eines Smartphones schnell hintereinander in verschiedenen Farben aufleuchten. So kann der Gegenstand, auf den das Smartphone gerichtet ist, immer nur einen Frequenzbereich reflektieren. Die normale Frontkamera nimmt währenddessen auf. Die App "HawkSpex Mobile" errechnet dann aus verschiedenen Bildern in verschiedenen Farben ein Ergebnis, das einer Spektralfrequenzmessung gleichkommt.

Bisher brauchte man kompliziertes Equipment für solche Messungen

Spektralfrequenzmessungen, die ermitteln, wie viel Licht welcher Farbe von einem Gegenstand reflektiert wird, gibt es schon länger. Unterschiedliche Materialen werfen unterschiedliche Lichtfrequenzen zurück. Aus den Ergebnissen lässt sich berechnen, woraus ein Gegenstand besteht.

Bisher war dafür kompliziertes Equipment nötig, etwa eine Kamera mit einem Prisma vor der Linse, das das Licht in seine Frequenzen aufspaltet. "Das physikalische Prinzip dahinter ist schon lange bekannt", sagt Andreas Backhaus, Mitarbeiter beim IFF. "Nur die Idee, das mit einem Smartphone zu machen, hatte vorher noch keiner".

2015 hatte mehr als ein Drittel der Deutschen 20 oder mehr Apps auf ihrem Smartphone installiert. Apps sind also beliebt - und nicht nur Fraunhofer hat erkannt, wie groß der Bedarf an Verbraucherinformation ist.

Viele Einsatzbereiche sind denkbar

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bietet die App "VerbraucherSchutz" an, die Kunden über Rückrufaktionen und Produkte informiert, die den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Auch das Bundesjustizministerium will mit "Wissen Wappnet" Verbraucher mit wenigen Klicks über ihre Rechte informieren. Und Anbieter wie Barcoo lassen ihre Nutzer die Strichcodes an Produkten einscannen und liefern entsprechende Produktinformationen.

Auch bei "HawkSpex" muss die Nützlichkeit nicht bei Äpfeln und Pflanzen aufhören. "Es sind so zahlreiche Einsatzbereiche denkbar, dass der Markt uns sicherlich überrennen wird", sagt Ingo Seiffert, Kompetenzfeldleiter beim Fraunhofer Institut. Eine Wiki-Struktur soll deshalb Nutzern ermöglichen, eigene Anwendungsfelder zu finden - die Forscher bauen sie dann ein. Ende 2017 soll die App für Privatnutzer zur Verfügung stehen.

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