Süddeutsche Zeitung

Vernetztes Zuhause:Ist das smart oder kann das weg?

Programmierbare Kaffeemaschinen sind unverzichtbar - behauptet zumindest die Industrie. Aber eigentlich wohnt es sich auch ohne Smart Home ganz gut.

Von Helmut Martin-Jung

Was ist eigentlich so schlimm daran, kurz die Hand zu heben und einen Lichtschalter zu betätigen? Wie viel Aufwand ist es, sich zu merken, wann die Waschmaschine fertig sein wird? Und muss die Kaffeemaschine wirklich en détail den persönlichen Terminkalender kennen, nur damit der Kaffee schon duftet, wenn man schlaftrunken die Küche betritt?

Es sind einfache Fragen, aber gerade diese helfen manchmal am besten, um sich eine Meinung zu bilden. Auch wenn die Antworten auf einfache Fragen oft genau das nicht sind.

Natürlich zielen diese Fragen darauf ab, zu ergründen, ob denn das smarte Heim, die Vollvernetzung des Haushalts, wirklich sein muss. Sie müsste sein, wenn der Nutzen, der sich daraus ergäbe, so groß wäre, dass er den Aufwand rechtfertigte. Sie könnte sein, wenn der Spaß daran so eminent wäre, dass man ihn sich gerne gönnen möchte. Die Frage also ist: Trifft eines von beiden zu?

Manchmal reicht auch ein stinknormaler Küchenwecker

Dazu sollte man erst einmal wissen, wo er denn liegen könnte, der Nutzen. Wenn also die Waschmaschine über Wlan mitteilt, sie sei jetzt fertig, könnte dies auf dem ebenfalls an diesem Wlan angeschlossenen Fernseher angezeigt werden. Oder das Smartphone würde vibrieren. Aber nervt die Einblendung auf dem TV nicht eher? Hätte es nicht gereicht, per Sprachsteuerung einen Timer auf dem Smartphone zu starten? Was - unter uns - auch schon ziemlich smart gewesen wäre, es hätte ja auch ein stinknormaler Küchenwecker zum Aufziehen gereicht.

Oder die Sache mit dem Licht. Muss es wirklich angehen, wenn man nachts auf die Toilette eilt? Ist es sinnvoll, keine Lichtschalter mehr per Kabel anzuschließen, sondern über Bluetooth-Funk? Klar, das klingt praktisch, aber wie oft ist schon eine Kabelverbindung unterbrochen worden und wie oft eine über Bluetooth? Die Frage mag jeder selber beantworten, der schon einmal ein Bluetooth-Headset, also eine funkbasierte Kombination aus Kopfhörer und Mikrofon, ausprobiert hat.

Und wie nachhaltig schreckt es potenzielle Einbrecher ab, wenn das Licht zeitgesteuert oder auch übers Internet zu beliebigen Zeit ein-und ausgeschaltet wird? Wenn dazu auch noch der Fernseher angeht? Ja, ein bisschen schon, aber die Profis werden trotzdem merken, dass keiner zu Hause ist.

Der Nutzen: na ja. Der Spaß: höchstens für Bastler

Wenn es also mit dem Nutzen nicht soweit her ist, macht es dann wenigstens Spaß? Man muss heute vielleicht nicht mehr masochistisch veranlagt sein, um den Gerätezoo eines vernetzten Hauses im Zaum zu halten. Aber glaube niemand, das würde einmal eingestellt und dann problemlos laufen. Dafür gibt es bei vielen unterschiedlichen Geräten zu viele Fehlerquellen.

Vielleicht lässt es sich so beschreiben: Das vernetzte Haus ähnelt der Modelleisenbahn im Keller. Die wird auch nie fertig. Mit dem Unterschied, dass sich bei der Eisenbahn Langeweile einstellt, wenn das geplante Ausbaustadium erreicht ist. Weshalb das nächste quasi unvermeidlich ist. Bei der Hausvernetzung dagegen ist eher das System selber instabil, weshalb Nachjustierungen nötig werden. Wer daran Freude hat und Familienmitglieder, die das Werkeln tolerieren oder die Leidenschaft sogar teilen - nur zu.

Die Hersteller vernetzter Toaster sind keine Experten für IT-Sicherheit

Nun ja, ein paar Gründe fielen einem schon ein, warum es nicht so ohne ist, sich mit Hurra auf die Vollvernetzung zu werfen. Der Wichtigste: Damit alles funktioniert, müssen die Geräte jede Menge Daten hin- und herschicken. Von Gerät zu Gerät, aber auch an Cloud-Dienste. Um das Licht und die Glotze vom Strand aus ein- und ausschalten zu können, braucht es eine Internetverbindung. Wer sich ein bisschen mit Sicherheit vernetzter Gerät und im Internet befasst, ahnt, was kommt: Eine Garantie, dass niemand in die häuslichen Netze eindringt, wird einem kein seriöser Anbieter geben können.

Ebenso wenig wie man nicht immer darauf zählen kann, dass die Dienstleister, bei dem man seine Daten speichert, das auch verantwortungsvoll macht. Dazu kommt, dass die Hersteller vernetzter Kaffeemaschinen oder Toaster nicht zwingend Experten in IT-Sicherheit sind. Sie werden vielmehr Bausteine zukaufen und vielleicht nicht immer in voller Tiefe verstehen, was sie da eigentlich machen. Das führt dazu, dass Standard-Passwörter, die sich im Internet googeln lassen, für die Absicherung reichen sollen - ein Beispiel von vielen.

Das Smart Home kann die "Fehlerquelle Mensch" einbremsen

Eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Fehlerquelle in computerisierten Systemen ist der Mensch. Einem selbstfahrenden Auto käme es gar nicht erst in den Sinn, bei voller Fahrt nach der herunter gefallenen Zigarette zu suchen.

Also alles Unsinn, ein Hype, der wieder vergehen wird? Nein. Gegen eine Wohnung zum Beispiel, die sich mit einem Knopfdruck auf den Ich-bin-dann-mal-weg-Modus stellen lässt, ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Herdplatten aus, Fenster zu, vielleicht auch Alarmanlage an.

Technisch möglich ist das heute alles schon, bis sich auch industrieweite Standards etabliert haben, dauert es aber noch. Wir erleben gerade die Phase, in der wir entdecken, was alles möglich ist. Doch bevor dies auch Wirklichkeit wird, gibt es eben erst einmal Enttäuschungen - so einfach und so toll ist manches doch nicht.

Wenn sich das Smart Home plötzlich gegen die Bewohner wendet

Vor allem darf Folgendes nicht passieren: Dass die Menschen noch mehr Daten produzieren, über die sie letztlich kaum Kontrolle haben. Dass sie sich mit all den vernetzten Alltagsgegenständen potenzielle Sicherheitslecks ins Haus holen. Mit steigender Komplexität steigt immer auch die Gefahr, dass sich irgendwo eine Lücke auftut.

Viele sind daher skeptisch gegenüber dem voll automatisierten Heim. Man muss aber auch nicht gleich das Schlimmste annehmen so wie es Philip Kerr in seinem bereits 1995 erschienenen Buch "Game over" getan hat. Der Zentralcomputer eines hochmodernen Hochhauses hält plötzlich die Menschen darin für eine Gefahr und bekämpft sie mit allen Mitteln, und das durchaus kreativ. Am Ende - Achtung, Spoiler - verliert der Computer. Aber nur knapp.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2015/sih
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