Süddeutsche Zeitung

Silicon Valley:WhatsApp-Gründer verlässt Facebook

Jan Koum wird dem Unternehmen, das seine App gekauft hat, den Rücken kehren. Offenbar gibt es Streit mit Facebook-Chef Zuckerberg - über Datenschutz und das Geschäftsmodell.

Von Beate Wild, Austin

Nach fast vier Jahren bei Facebook ist Schluss: WhatsApp-Gründer und Tech-Milliardär Jan Koum verlässt das Unternehmen, das seinen Messaging-Dienst für Handys 2014 für 19 Milliarden Dollar gekauft hat. "Es ist Zeit für mich, etwas Neues zu machen", schrieb er am Montagabend in einem Beitrag auf Facebook. Facebook-Chef Mark Zuckerberg antwortete prompt: "Ich bin dankbar für alles, was du getan hast, um die Welt zu vernetzen und was du mir beigebracht hast."

Koum wird nicht nur seinen Job bei Facebook aufgeben, sondern auch von seinem Posten im Aufsichtsrat zurücktreten. Doch so friedlich, wie dieser Abschied aussieht, ist er wohl nicht: Die Washington Post hatte kurz zuvor einen Artikel veröffentlicht, in dem davon die Rede ist, dass hinter Koums Abgang massive Meinungsverschiedenheiten über Datenschutz und das Geschäftsmodell von WhatsApp stecken.

Facebooks Versuch, die persönlichen Daten der WhatsApp-Nutzer zu verwerten und seine Verschlüsselung zu schwächen, hätten laut hausinternen Quellen zu Streit zwischen Koum und dem Facebook-Management geführt. Schon seit längerem soll der 42-Jährige nur noch unregelmäßig auf dem Facebook-Campus aufgetaucht sein.

Datenskandal bei Facebook führte zum endgültigen Bruch

Koum und sein WhatsApp-Mitgründer Brian Acton waren stets um den Schutz der Nutzer-Daten und die Unabhängigkeit von Facebook bemüht gewesen. Unter dieser Prämisse hatten die beiden ihren rapide wachsenden Messaging-Service an den Social-Media-Giganten überhaupt verkauft, hieß es damals.

Dass es ihnen ernst war mit dem Datenschutz zeigten sie, als sie 2016 eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei WhatsApp einführten. Das bedeutet, das wirklich nur Sender und Empfänger die Nachrichten lesen können. Inzwischen nutzen 1,5 Milliarden Menschen weltweit die App.

In anderen Fragen musste sich Whatsapp dem Mutterkonzern beugen: So habe Facebook bei der Übernahme versprochen, die Nutzerdaten von Whatsapp und Facebook getrennt zu halten. Im August 2016 kündigte Whatsapp dann jedoch an, die Telefonnummer von Whatsapp-Nutzern mit den jeweiligen Facebook-Nutzerprofilen zu verknüpfen. Die Europäische Union belegte den Facebook-Konzern daraufhin mit einer Strafe in Höhe von 110 Millionen Euro. Die Verknüpfung habe "einen Keil" zwischen Koum und das Konzern-Management getrieben, so die Webseite Techcrunch. Koum habe bereits seit einem Jahr überlegt, zu gehen.

Zum endgültigen Bruch mit Facebook und Zuckerberg trugen wohl auch die jüngsten Enthüllungen über Cambridge Analytica bei. Die britische Analysefirma mit Verbindungen zu Donald Trumps Wahlkampfteam hatte Zugang zu den Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern. Der Skandal erschütterte offenbar nicht nur das Vertrauen der User in Facebook, sondern auch das der WhatsApp-Gründer.

Mitgründer Brian Acton: #DeleteFacebook

Acton, der Facebook bereits 2017 verlassen hat, um ein gemeinnütziges Unternehmen zu gründen, war wegen des Datenskandals äußerst verärgert und zeigte dies auch öffentlich: Via Twitter forderte er seine Follower auf, ihr Facebook-Konto unverzüglich zu löschen. "Es ist an der Zeit", schrieb er mit dem Hashtag #DeleteFacebook.

Ein weiterer Konfliktpunkt zwischen Koum und Zuckerberg könnte möglicherweise die Einführung von Werbung auf WhatsApp sein. Ob und wann Facebook in dem Messaging-Dienst Anzeigen zulassen will, ist nicht bekannt. Doch Koum und Acton hatten den Usern einst versprochen, in ihrem Geschäftsmodell Werbung niemals zuzulassen.

Der Rücktritt von Koum, einem der prominentesten Tech-Köpfe im Silicon Valley, ist eine weitere Negativschlagzeile für Facebook nach dem Datenskandal, der zu einer Anhörung von Zuckerberg im US-Kongress führte. Das Unternehmen, dessen Geschäft trotz der Schlagzeilen weiterhin bestens läuft, wollte sich bislang nicht zu einem Nachfolger äußern. Der 42-jährige Koum hat angekündigt, sich nun vorerst seiner Porsche-Sammlung zu widmen und mehr Ultimate Frisbee spielen zu wollen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3962648
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/wib/joku
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.