Süddeutsche Zeitung

Catan-Erfinder Teuber im Interview:"Viele Leute vermuten, dass der Computer sie betrügt"

Das weltweit erfolgreiche Brettspiel "Die Siedler von Catan" gibt es jetzt für Nintendo Switch. Ein Gespräch mit seinem Erfinder Klaus Teuber und dessen Sohn Benjamin über den Unterschied zwischen Computer- und Brettspielen.

Interview von Caspar von Au

Vor 24 Jahren erfand der hessische Spieleautor Klaus Teuber das Brettspiel "Die Siedler von Catan". Bis heute ist es eines der erfolgreichsten deutschen Brettspiele überhaupt. Seitdem wurde Catan - wie es seit 2015 genannt wurde - mehrmals als Computerspiel umgesetzt. Seit 2017 können Spieler plattformübergreifend online in der Welt von Catan gegeneinander antreten - auf dem PC, dem Smartphone und seit kurzem nun auch auf der Spielekonsole Nintendo Switch. Teubers Söhne Benjamin und Guido sind neben ihrem Vater als Geschäftsführer in der Catan GmbH tätig. Das Interview mit dem Spieleerfinder und seinem jüngeren Sohn findet auf Skype statt.

SZ: Klaus Teuber, spielen Sie selbst am Computer?

Klaus Teuber: Aktuell fehlt mir leider die Zeit, aber ich würde gerne "Anno 1800" spielen. Gerade Aufbauspiele interessieren mich sehr. Mir hat auch damals, Mitte der 90er Jahre, das PC-Spiel "Die Siedler" sehr gut gefallen, außer dass man am Ende den Partner abschlachten musste. Darauf lief alles hinaus. Generell lehne ich alle Shooter-Spiele ab - oder was mit Töten oder Krieg zu tun hat. Wie vielen Menschen ist mir Gewalt und Zerstörung zuwider. So sehr ich sie in der Realität verabscheue, so wenig mag ich sie im Spiel. In Spielen können wir Konflikte nicht vermeiden, aber in geeigneten Spielen können wir erleben und lernen, sie gemeinsam und gewaltfrei zum Nutzen aller zu lösen.

Was macht für Sie beide den Unterschied zwischen Computerspielen und Brettspielen aus?

Benjamin Teuber: Beim analogen Brettspiel hat man die Mitspieler greifbar vor sich. Jemandem bei einer Partie "Catan" in die Augen zu schauen, während man ihm ein Handelsangebot unterbreitet, was gut, schlecht oder vielleicht sogar frech ist, seine Reaktion zu sehen - das ist für mich der grundlegende Unterschied.

Klaus Teuber: Wenn man am Brett mal ein bisschen jammert, gehört das doch dazu. Online kann man seine Gefühle zwar über den Chat ausdrücken, aber das ist schwierig. Soziale Interaktion kommt da zu kurz.

Catan gibt es seit mehr als 20 Jahren auch als Computerspiel. Wie haben sie versucht, die mangelnde soziale Interaktion auszugleichen?

Klaus Teuber: Wir haben in der ersten Version Figuren eingeführt, die sich bewegt und Emotionen gezeigt haben. In den nachfolgenden Spielen gab's die nicht mehr, was viele bedauert haben. Die neuen Figuren waren - wohl aus Kostengründen - nicht mehr detailverliebt animiert und erreichten so nie mehr den Charme ihrer Urväter und Mütter im ersten Catan-Spiel für den PC.

Wie nehmen die Catan-Spieler die Unterschiede wahr?

Klaus Teuber: Durch die Würfel ist auch ein gewisses Glücksmoment im Spiel. Wir bekommen regelmäßig Briefe und E-Mails von Leuten, die Catan digital spielen und die vermuten, dass der Computer sie betrügt.

Benjamin Teuber: Und es ist natürlich Quatsch! Das ist eine Frage der Greifbarkeit: Wenn ich selber würfele, ist das unglaublich, wenn zum Beispiel vier Mal in Folge die 7 gewürfelt wird, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Das fehlt im Computerspiel die Transparenz. Wir versuchen sie zu erhöhen, indem wir nach dem Spiel die Würfelstatistik anzeigen.

Computerspieleentwickler haben jederzeit die Möglichkeit, die Regeln anzupassen - ein Update zu veröffentlichen. Gibt es etwas an Ihrem Brettspiel, das Sie nach 24 Jahren gerne ändern würden?

Klaus Teuber: Nein, eigentlich nicht.

Benjamin Teuber: Ein gutes Spiel lebt davon, dass die Leute ihre Hausregeln einbauen können. Man kennt das ja von Monopoly: Ich glaube, es gibt mehr Spieler, die mit ihren eigenen Varianten spielen, als diejenigen, die sich streng ans Regelbuch halten. Viele Catan-Spieler machen das auch so.

Klaus Teuber: Ein einziges Mal haben wir offiziell eine Regel geändert. In der Erweiterung "Städte und Ritter" haben wir den Anfang ein bisschen harmonischer gestaltet. Solange die Barbaren nicht das erste Mal gelandet sind, darf man den Räuber nicht einsetzen, damit die anfängliche Entwicklung nicht gestört wird.

Diese Regel ist mir völlig neu, obwohl ich Catan spiele, seit ich zehn Jahre alt bin. Nächstes Jahr wird Ihr Spiel ein Vierteljahrhundert alt. Ist es in Zeiten, in denen die Partien in manchen Computerspielen nur wenige Minuten dauern, überhaupt noch zeitgemäß, dass man sich für ein Brettspiel mal zwei, drei Stunden Zeit nimmt?

Klaus Teuber: Es ist sogar zeitgemäß, dass eine Partie am Brett sieben, acht Stunden dauern kann. Es gibt Menschen, die spielen exzessiv Brettspiele. Wir kennen diese Kreise, da ist Catan mit seiner Spielzeit ein Witz. In den letzten 20, 30 Jahren hat sich eine Brettspieler-Szene etabliert. Es ist keineswegs ein Phänomen, dass die Spiele jetzt zu lang sind, sondern dass sie für viele noch länger sein dürfen als früher.

Das heißt, Brettspiele wird's auch in zehn Jahren noch geben?

Klaus Teuber: Natürlich. Der Brettspielmarkt wächst. Der Wunsch, die Elektronik mal in der Hosentasche zu lassen und die ganzen Ablenkungen nicht zu haben, wird auch eher wachsen als abnehmen.

Trotzdem boomen Computerspiele nach wie vor, gleichzeitig sinken die Einstiegshürden. Für Cloud-Gaming beispielsweise braucht man in naher Zukunft nicht mal mehr eine Spielekonsole.

Benjamin Teuber: Ich glaube zwar auch, dass der digitale Markt weiterhin stark wachsen wird. Aber das steht für mich nicht im Widerspruch. Analoge und digitale Spiele sprechen zwei unterschiedliche Bedürfnisse an.

Klaus Teuber: Richtig. Bei Brettspielen trifft man sich bewusst, holt sich etwas zu trinken, zu knabbern und setzt sich genüsslich an den Tisch. Ein Computerspiel spiele ich dagegen oft zwischendurch. Früher hat man ein Buch genommen, heute zücken die meisten ihr Smartphone oder ihr Tablet. Die Zeit für die elektronischen Medien geht nicht von der Zeit für Brettspiele ab, sondern vom Lesen, Fernsehgucken und so weiter.

Benjamin Teuber: Ich sehe eher die vollen Terminkalender als Hauptkonkurrenten von Brettspielen. Sich die Zeit für einen ganzen Abend nehmen zu können, ist der große Luxus.

Würden Sie Eltern empfehlen, mit ihren Kindern am Computer oder am Brett zu spielen?

Klaus Teuber: Aus meiner Erfahrung natürlich Brettspiele, aber es sollte ausgewogen sein. Ich habe im Urlaub mehrere Familien beobachtet, in denen Fünfjährige während des Essens vor ein iPad gesetzt wurden. Da hat null Kommunikation in der Familie stattgefunden, aber die Eltern waren froh, dass sie ihre Ruhe hatten. Zum Teil wurden die Kleinen sogar gefüttert, während sie auf den Bildschirm starrten. Das fand ich bedenklich. Eltern und Kinder sollten vor allem gemeinsam spielen. Es ist ja gerade schön für Kinder, wenn sie zum Beispiel im Memory gegen die Erwachsenen gewinnen und sich so in einer Welt mit den gleichen Chancen und Rechten bewegen. Das gibt ihnen sehr viel Selbstbewusstsein.

Benjamin Teuber: Das trifft natürlich auch auf Computerspiele zu, dass sich die Kinder gegen die Eltern durchsetzen. Man sollte das Beste aus beiden Welten mitnehmen: Bei Brettspielen lernt man sehr viel, etwa auch mal verlieren zu können. Computerspiele bieten für mich den Reiz, bei der gleichen Herausforderung relativ schnell verschiedene Strategien durchzuprobieren um zu schauen, welche davon am besten zum Ziel führt.

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SZ vom 26.06.2019/cva
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