Schummeln im Abitur:Ägypten will den Abiturienten das Internet abschalten

Abitur

Auch in Deutschland wird beim Abi geschummelt - Bildungsministerin Wanka hat aber noch nicht gefordert, das Internet abschalten zu lassen.

(Foto: dpa)
  • In Ägypten schreiben derzeit mehr als eine halbe Million Jugendliche ihre Abiturprüfungen.
  • Der Erfolgsdruck ist enorm - dementsprechend versuchen viele Schüler zu schummeln.
  • Im Vorfeld wurden die Aufgabenstellungen in sozialen Netzwerken veröffentlicht, jetzt will der Bildungsminister das Internet abschalten lassen.

Von Paul-Anton Krüger

Seit zwei Wochen laufen in Ägypten die Prüfungen zum landesweiten Zentralabitur; 570 000 Schüler schreiben verteilt über mehr als drei Wochen zwischen sieben und neun Klausuren - je nachdem, ob sie den sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Zweig gewählt haben. Der Erfolgsdruck nach zwölf Jahren Schule ist enorm: Wer Medizin studieren will, vor Pharmazie das angesehenste Fach, muss in der Thanaweya Amma 97 Prozent der möglichen Punkte erzielen.

Wer mit 50 Prozent gerade noch besteht, kann sich keine Hoffnung auf einen Studienplatz an staatlichen Universitäten machen, auch mit 65 Prozent richtiger Antworten sieht es schlecht aus. Und private Universitäten sind wegen der Gebühren und der Wirtschaftskrise für immer weniger Ägypter erschwinglich.

Mobiltelefone in "sensiblen Bereichen" des Körpers

Umso größer ist der Anreiz für manche, sich nicht auf das Gelernte zu verlassen, sondern zu schummeln. Zwar schreiben die Schüler die Prüfungen in einer anderen Schule, um präparierte Spicker zu verhindern. Pro 20 Prüflinge wachen zwei Lehrer darüber, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Doch auch sie können nicht verhindern, dass Prüfungsfragen und zum Teil auch die Antworten im Internet auf Facebook-Seiten veröffentlich werden. Teils geschah dies bereits vor Beginn der zwei- bis dreistündigen Klausuren, teils kurz nachdem die Aufgaben aus den versiegelten Umschlägen entnommen und um Punkt neun Uhr den Prüflingen ausgeteilt wurden.

Wie viele Abiturienten unlautere Hilfe bekommen haben, ist nicht bekannt. Der Sprecher des Bildungsministeriums sagte aber, es sei schwer sei, das Handyverbot bei den Prüfungen durchzusetzen. Abiturienten würden Mobiltelefone in "sensiblen Bereichen" des Körpers verstecken, die niemand zu untersuchen wage. Miniatur-Headsets, die ins Ohr eingesetzt werden können, werden im Internet speziell für die Prüfungen angeboten. So können Komplizen von draußen Abiturienten die Lösungen soufflieren.

Ein Dutzend Mitarbeiter des Bildungsministeriums wurde festgenommen

Am ersten Prüfungstag veröffentlichte eine Facebook-Seite namens Chao Ming vor Beginn der Klausuren die Aufgaben für die Fächer Arabisch und Religion; zumindest die zweite Prüfung wurde neu angesetzt. Die Betreiber der Seite fordern Reformen des auf stures Büffeln angelegten und wegen seiner Qualität in der Kritik stehenden Bildungssystems. Ein 18-Jähriger wurde als Inhaber des Facebook-Accounts festgenommen, das jedoch stoppte die Lecks nicht.

Bildungsminister El-Helali el-Sherbini wurde ins Parlament zitiert; ägyptische Medien spekulieren über seine Ablösung. Er hatte versprochen zu verhindern, dass wie in den Jahren zuvor die Aufgaben durchsickern. Erst wurde ein Dutzend Mitarbeiter seines Ministeriums festgenommen, die Zugang zu den Unterlagen hatten. Am Montag teilte das Innenministerium mit, man habe den Hauptverdächtigen gefunden: einen Mitarbeiter der Druckerei des Ministeriums, die die Prüfungsbögen hergestellt hat. Die anderen Mitarbeiter kamen frei.

Der Skandal blamiert die Regierung, die großen Aufwand für das Abitur betreibt: Prüfungsbögen werden mit Militärmaschinen in entlegene Provinzen geflogen, die versiegelten Kisten von der Polizei bewacht, Lehrer, die Aufgaben erstellen, von den Sicherheitsbehörden überprüft. El-Sherbini erntete Spott, als er vorschlug, in ganz Ägypten eine Stunde vor Beginn der Prüfungen das Internet abzustellen und in den Prüfungsräumen das Handynetz zu stören - sie sehen das Problem in seinem Ministerium. Doch jetzt kann er auf Algerien verweisen: Dort hat die Regierung gerade vor Beginn des Abiturs angekündigt, Facebook und Twitter während der Prüfungen zu blockieren.

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