Schnelles Internet:Kabel, die die Welt zusammenhalten

Schnelles Internet: Das Breitbandkabel "Marea" verläuft nun unter dem Atlantik, von Spanien zum US-Bundesstaat Virginia.

Das Breitbandkabel "Marea" verläuft nun unter dem Atlantik, von Spanien zum US-Bundesstaat Virginia.

(Foto: Microsoft)

Lichtimpulse lassen Daten blitzschnell durch Tiefseekabel rasen. Für schnelles Internet betreiben Konzerne wie Microsoft riesigen Aufwand - und hoffen, dass Haie ihr Werk nicht kaputt beißen.

Von Helmut Martin-Jung

Das Ding sieht aus wie eine Mischung aus Weihnachtsbaum und CD-Ständer. Normalerweise steckt es in einer dicken Gummihülle in einem Schacht unter der Straße. In die Plastikbehälter, die entfernt an CD-Boxen erinnern, münden dünne, farbige Kabel. In ihrem Inneren, dünner als ein menschliches Haar: Glasfasern. Was die Facharbeiter im Auftrag des Netzanbieters Colt ans Tageslicht und auf eine Werkbank in ihrem Transporter geholt haben, ist eine Art Synapse der digitalen Welt. Eine Schaltstelle im Nervensystem des Digitalzeitalters.

Die Nervenfasern der modernen Welt liegen in Rohren in der Erde, und sie liegen, ummantelt von Schutzschichten, auf dem Meeresgrund. Obwohl so unfassbar dünn, können sie doch schier unglaubliche Datenmengen übertragen. Das funktioniert deshalb, weil bei dieser Technik mit Lichtimpulsen aus Lasern gearbeitet wird. Es rasen also Photonen durch die dünnen Fasern, nicht Elektronen wie bei Kupferkabeln.

Das neue Kabel kann 71 Millionen HD-Videos parallel übertragen

Was heute möglich ist, zeigt das Projekt von Microsoft, Facebook und der Telefónica-Tochter Telxius. Marea, spanisch für Gezeiten, ist das leistungsfähigste Seekabel der Welt. Es führt vom nordspanischen Bilbao nach Virginia Beach im US-Bundesstaat Virginia. Marea kann bis zu 160 Terabit Daten pro Sekunde übertragen. Das würde reichen, um 71 Millionen HD-Videos gleichzeitig über den großen Teich zu senden. Und man darf annehmen, dass das noch lange nicht das Ende ist. Denn bei Glasfaserkabeln hängt die Leistungsfähigkeit sehr von der Technik ab, die an den Endpunkten eingesetzt wird. Deshalb kann oft auch die Kapazität bestehender Leitungen nachträglich erhöht werden.

Aber wieso sind überhaupt solche leistungsstarken Leitungen nötig? Die Antwort ist ziemlich einfach: Ohne Glasfasern wäre die vernetzte Welt von heute nicht möglich. Mehr als 430 aktive Glasfaser-Kabel liegen in den Weltmeeren, und ständig kommen neue dazu. Waren es früher vor allem die Telekommunikationsfirmen, die solche Kabel verlegten und sie anschließend vermieteten, werden heute auch zunehmend die Internetanbieter selbst aktiv. Für sie ist es, erstens, von eminenter Bedeutung, dass die Nutzer mit möglichst geringen Wartezeiten auf ihre Angebote zugreifen können.

Zweitens helfen neue Leitungen, etwa nach Afrika, auch dabei, Weltgegenden ans Netz und damit zu den eigenen Diensten zu bringen, die bisher nur eine schlechte Anbindung ans Internet haben. Zwar rechnen viele Experten damit, dass in Gegenden, in denen es nur wenige Festnetz-Verbindungen gibt, das Internet drahtlos verbreitet werden wird. Doch um große Distanzen zu überbrücken, vor allem interkontinentale, sind Seekabel unerlässlich. Nur noch ein verschwindend geringer Teil der weltweiten Kommunikation wird über Satelliten abgewickelt. Seekabel sind zwar nicht gerade billig, aber doch erheblich günstiger als die künstlichen Himmelskörper und außerdem weniger störanfällig.

Was nicht heißt, dass nicht etwas schiefgehen kann. Das tut es sogar laufend. Mal beißt ein Hai in die Leitung, dann reißt ein Fischtrawler mit seinem Schleppnetz eines kaputt, oder in Hafennähe gerät eines in eine Schiffschraube. Natürlich tun die Kabelunternehmen viel dafür, das zu vermeiden. Zum Beispiel erhalten die Schifffahrtsunternehmen und Fischereifirmen Karten, auf denen die Kabel eingezeichnet sind. Doch es kommt immer wieder vor, dass ein Kabel reißt oder von der Strömung auf felsigem Untergrund durchgescheuert wird.

Dann müssen die Reparaturtrupps ausrücken und das Kabel wieder flicken. Da die Kabel weit unten liegen, aber nur an der Oberfläche repariert werden können, muss ein Stück Kabel eingesetzt werden, dieses wird dann als Schleife auf dem Meeresboden abgelegt. Auf hoher See sind die Kabel nicht besonders dick, nur etwa eineinhalb mal so dick wie ein Gartenschlauch. In Ufernähe dagegen sind sie stärker geschützt, das letzte Stück werden sie sogar eingegraben, um Beschädigungen zu vermeiden.

Spleißen

Um zwei Glasfasern miteinander zu verbinden, zu spleißen, wie das im Fachjargon heißt, muss zunächst die schützende Kunststoffummantelung entfernt werden. Anschließend wird die Faser mit einem Spezialgerät möglichst glatt gebrochen. Die beiden Fasern werden nun in ein weiteres Spezialgerät eingespannt. Das verfügt über optische Sensoren und Motoren, die die beiden Fasern exakt aufeinander ausrichten und dann per Laser verschweißen. Je genauer das passiert, desto weniger Verlust ruft die Nahtstelle in der Gesamtleitung hervor. Ist eine Leitung einmal geschaltet, kann nicht mehr viel passieren. Glasfasern sind immun gegen Störungen anderer Kabel und gegen Wasser. Nur wenn ein Bagger ein Kabel zerreißt, gibt es ein Problem. Dann müssen vor und hinter der Bruchstelle zwei neue Kabelschächte gegraben und alle Fasern einzeln wieder verbunden werden. Helmut Martin-Jung

Gerade weil es nie ausgeschlossen ist, dass ein Kabel einmal ausfällt, ist es wichtig, dass es redundante Anbindungen gibt. Der Anstoß zum Seekabel Marea kam daher auch von einer Erfahrung, die man 2012 beim Hurrikan Sandy gemacht hatte. Der Wirbelsturm, der die Ostküste relativ weit im Norden getroffen hatte, legte kurzzeitig wichtige transatlantische Verbindungen lahm. Zwar gleicht das Internet solche Unterbrechungen aus - diese Fähigkeit war ja der ursprüngliche Grund, es zu entwickeln. Doch Umwege kosten Zeit, Zeit, die die Unternehmen nicht haben.

Glasfaserkabel sind unempfindlich gegen Störungen von Stromleitungen

Glasfaserkabel sind aber nicht nur für interkontinentale Verbindungen wichtig. Auch wenn es zum Beispiel darum geht, zwei Firmenstandorte miteinander zu verknüpfen, sind sie oft die Technik der Wahl. Die Netzanbieter wie etwa Colt besitzen an vielen Orten Kabel, die bereits im Boden liegen. Sie haben in der Regel zwischen zwölf und 288 Fasern, meist sind es 144. Die Kabel liegen meistens in Kunststoffrohren mit 110 Millimetern Durchmesser, in manchen Fällen verlaufen in den dicken Rohren noch einmal dünnere, sogenannte subducts. Glasfaserkabel sind unempfindlich gegen Störungen zum Beispiel von Stromleitungen. Auch Wasser macht ihnen nichts aus. Nur zu stark biegen darf man sie nicht, und sie dürfen keinem zu hohen Druck ausgesetzt sein, etwa in einem zu vollen Schacht.

Sonst aber, wenn das Spleißen fachgerecht gemacht wird, bieten die Glasfasern den bestmöglichen Durchsatz. Für Firmen, die sich eine eigene Leitung legen lassen, ist die Verbindung so, als säße der Kollege nicht an einem anderen Standort Hunderte Kilometer entfernt, sondern im Zimmer nebenan. Besonders Firmen, die es aus Sicherheitsgründen vermeiden wollen, für die Übertragung ihrer Daten zwischen den Standorten das öffentliche Internet zu nutzen, bieten sich diese Leitungen an. Glasfasern sind aber eigentlich so leistungsstark, dass sich viele Nutzer eine Leitung teilen können. Die Endgeräte versehen jeden einzelnen Datenstrom dabei mit einer Codierung, die nur das entsprechende Gegenstück wieder entziffern kann.

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