Schlechte Computerspiele:Vollgurken treffen auf Machodünnpfiff

Einst wurde der Computerspielemarkt mit Schrott überschwemmt, heute gibt es nur noch selten schlechte Spiele. Ist deshalb alles gut? Nein, denn die Branche hechelt jedem fragwürdigem Trend hinter - und die Spieler lassen sich mit albernem Zubehör viel Geld aus der Tasche ziehen. Das neue Games-Magazin "WASD" rechnet ab.

"Tasty Trash" heißt die erste Ausgabe der WASD, einem neuen Magazin rund um die Gameskultur. Zum Auftakt einer Kooperation mit dem Magazin veröffentlichen wir folgenden Text, dessen Autor SpielerZwei tagsüber ein unauffälliges Leben als Großindustrieller, Multimillionär und Jetset-Playboy lebt. Nachts kämpft er mit tapferen Mitstreitern im Blog Polyneux gegen 08/15-Spielejournalismus.

Schlechte Computerspiele: Szene aus "Call of Duty: Black Ops II": Der Erfolg der Reihe zog unzählige geklonte Kriegs-Shooter nach sich

Szene aus "Call of Duty: Black Ops II": Der Erfolg der Reihe zog unzählige geklonte Kriegs-Shooter nach sich

(Foto: AP)

In den 80ern und frühen 90ern wurde der Markt noch tonnenweise mit regelrechten Unverschämtheiten überschwemmt, aber inzwischen ist die durchschnittliche Qualität von Spielen allgemein so hoch, dass die Frage nach gut oder schlecht immer mehr zu einer Frage des persönlichen Geschmacks geworden ist. Natürlich finde ich auch heute noch viele Spiele schlecht, aber da reden wir im Wesentlichen von Spielen, die mich persönlich einfach nicht ansprechen, nicht von Totalkatastrophen, von deren Kauf man grundsätzlich jedermann abraten müsste, weil sie in jeder Hinsicht indiskutabel wären.

Sicher, es gibt sie noch, die Kernschrott-Spiele, die man nicht einmal seinem ärgsten Feind empfehlen würde. Dieses Jahr hatten wir da zum Beispiel "Duke Nukem Forever". Das war wirklich richtig schlecht! (Falls Du, lieber Leser, zu der knappen Million gehören solltest, die es trotzdem gekauft hat, mach's wie die anderen auch: Rede es Dir mit Floskeln wie "retro" und "oldschool" schön. Das Spiel bleibt aber trotzdem kapitaler Mist.) Aber der Marktanteil solcher Vollgurken ist heute deutlich geringer als früher.

Vielleicht spielt in meinem Fall ja inzwischen auch etwas Altersmilde mit hinein, aber ich kann mich in den letzten Jahren auch nicht mehr so richtig über schlechte Spiele aufregen, weil es da meistens doch eine mehr oder weniger große Zielgruppe gibt, der ich durchaus einräume, auch mit diesen Spielen ihren Spaß zu haben. Sollen sie doch ruhig den "Güllepumpensimulator 2012" oder "Mein Ponyhof 24: Jetzt erst recht!" spielen, wenn es sie glücklich macht. Solange ich genügend Alternativen habe und nicht gezwungen bin, ebenfalls derartige Titel zu spielen, kann mir das doch vollkommen egal sein. In dieser Hinsicht bin ich über die Jahre wirklich scheißliberal geworden.

Stumpfe Deckungs-Shooter-Mechanik

Wirklich problematisch, ja, sogar richtig ärgerlich, werden schlechte Spiele für mich heute nur noch, wenn sie so erfolgreich sind, dass sie weitreichende Branchentrends setzen. Was ich damit meine, kann ich am besten anhand eines meiner Lieblingsgenres, den Shootern, erläutern: Ich hasse zum Beispiel "Gears of War". Nicht etwa weil es bis unter die Hutkrempe mit infantilem Machodünnpfiff vollgestopft ist, den eigentlich nur 12-jährige Jungs gut finden dürften, ohne sich dafür schämen zu müssen. Und für sich allein genommen, ist seine stumpfe Deckungs-Shooter-Mechanik inklusive Auto-Healing auch noch kein Grund, sich ernsthaft über dieses Spiel aufzuregen.

Der eigentliche Grund für meinen Groll auf dieses Spiel ist sein immenser Erfolg. Bei weltweit über 16 Millionen Einheiten, die von der Reihe inzwischen verkauft wurden, bleibt es natürlich nicht aus, dass sich andere Entwickler kräftig bei "Gears of War" bedienen.

"Gears of War" hat selbstverständlich weder das Auto-Healing, noch das Deckungssystem erfunden, aber es hat sie so extrem populär gemacht, dass seit einigen Jahren gefühlte 90 Prozent aller Shooter diese beiden spielerisch anspruchslosen Elemente einsetzen und mir damit ein Stück weit mein geliebtes Shooter-Genre versaut haben.

Geklonte Kriegs-Shooter

Ähnliches gilt übrigens auch für die "Medal of Honor"- und "Call of Duty"-Reihen, die dafür gesorgt haben, dass wir seit über zehn Jahren in geklonten Kriegs-Shootern ersticken, weil in der Spieleindustrie die gleichen Mechanismen gelten, wie in fast jeder anderen Branche: Hat jemand ein erfolgreiches Produkt, werden alle Mitbewerber versuchen, diese Formel so gut es geht zu kopieren. Und der Erfolg gibt ihnen recht: Die uninspirierten Shooter von der Stange verkaufen sich nach wie vor wie geschnitten Brot.

Da kann man schon fast von Glück sprechen, dass die beiden interaktiven B-Filme von David Cage, "Fahrenheit" und "Heavy Rain", zwar noch viel zu gut, aber Gott sei Dank nicht gut genug vom Publikum aufgenommen wurden, denn sonst würden wir bei storylastigen Spielen vielleicht bald alle nur noch auf dem Bildschirm angezeigte Quick Time Events nachdrücken und uns dabei ernsthaft einreden, wir würden doch tatsächlich noch immer richtige Videospiele spielen.

Es sind aber nicht nur bestimmte Entwicklungen in einzelnen Genres, sondern auch branchenweite Trends, die ich als schlecht empfinde und die mich dementsprechend ärgern. Mir ist es beispielsweise ein Rätsel, warum DLCs von der Mehrheit der Spielerschaft so gut angenommen werden. Es geht mir dabei nicht um das klassische Add-On, das wir früher schon auf Datenträgern gekauft haben.

Honkiger Kleinkram

*Half-Life: Opposing Forces oder "Starcraft: Brood War" waren beispielsweise sehr gute und vollwertige Erweiterungen, die ihr Geld wirklich wert waren. Aber seit ein paar Jahren wird einem ja überall honkiger Kleinkram wie beispielsweise zwei zusätzliche Waffen oder drei neue Hüte und ein Tribal-Tattoo für die Spielfigur angeboten. Da werden Teile des fertigen Produktes gezielt zurückgehalten, um mit ihnen später noch zusätzliches Geld in die Kassen zu spülen.

Da frage ich mich manchmal, ob man Videospielern nicht auch Hemden ohne Knöpfe verkaufen könnte, um sie ihnen später als kostenpflichtiges Zubehör anzudrehen ...? Und was ist das überhaupt für eine Nummer mit EAs Möchtegern-Steam-Konkurrenten "Origin"? Erst empört sich das halbe Internet darüber, dass sich EA in den Nutzungsbedingungen das Recht vorbehält, uns theoretisch mit "Origin" ausspionieren und die erhobenen Daten sogar an Dritte weitergeben zu dürfen, und dann kommt "Battlefield 3" als das perfekte Trojanische Pferd um die Ecke und kaum jemand besitzt die Konsequenz, EA entsprechend abzustrafen, indem man das Spiel einfach nicht kauft.

Gerade beim Thema Digital Rights Management konnte man in den letzten Jahren immer wieder gut verfolgen, wie so ziemlich jeder Aufreger in der Spielergemeinde spätestens dann komplett verpuffte, wenn der entsprechende Must-Have-Titel mit dem Mechanismus XY auf den Markt kam, den dann doch keiner verpassen wollte.

Ärgernis Durchschnittskonsument

Ihr seht, ich rege mich eigentlich nicht über einzelne schlechte Spiele auf, sondern vielmehr über deren Käufer. Also über Euch, liebe Leser. Natürlich nicht über jeden einzelnen von Euch. Viele von Euch sind bestimmt ganz nette und intelligente Menschen, die sich nicht jeden Müll andrehen lassen und auch nicht blind jedem Trend hinterher hecheln.

Frechheiten der Hersteller

Aber der sogenannte Durchschnittskonsument bestimmt mit seinem Kaufverhalten letztendlich das Angebot. Und genauso, wie dieses Kaufverhalten positiv dafür gesorgt hat, dass die durchschnittliche Qualität von Computer- und Videospielen in den letzten 20 Jahren zugenommen hat, sorgt es auf der anderen Seite leider auch dafür, dass sich gewisse Frechheiten seitens der Hersteller tatsächlich als Normalität etablieren konnten.

Gut, viele von Euch sind natürlich dadurch entschuldigt, dass sie als videospielabhängige Junkies nicht mehr die volle Kontrolle über ihren Spielekonsum haben, aber diejenigen unter Euch, die sich noch etwas Selbstkontrolle bewahrt haben, sollten einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob man sich nicht vielleicht gezielter gegen diesen oder jenen Trend wenden sollte, um sich nicht am Ende einem Markt gegenüberzusehen, den man mit all seinen Käuferentmündigungen und durchkonfektionierten Einheitsspielen so nie gewollt hat.

Also, reißt Euch in Zukunft mal etwas mehr am Riemen, dann habe ich Euch alle auch wieder lieb.

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