Google-CEO in München:Eric Schmidt: Vom Chef zum Diplomaten

Nach zehn Jahren als Chef wechselt Eric Schmidt bald in den Google-Aufsichtsrat. In München mimt er schon den Elder Statesman - eine Fähigkeit, die er künftig häufiger brauchen wird.

Thorsten Riedl

Noch ist er der mächtigste Mann des Internets. Niemand kennt seine Kunden und deren Vorlieben genauer, niemand verdient besser daran. Doch in den 26 Minuten, in denen Google-Chef Eric Schmidt am Dienstag in München auf die Bühne tritt, ist davon wenig zu spüren.

Digital, Life, Design (DLD) in München

Der scheidende Google-Chef Eric Schmidt beim DLD: "Ich werde mich um die ganzen externen Angelegenheiten kümmern."

(Foto: dpa)

Der erste Mann des Suchmaschinenbetreibers entwirft lieber seine Vision der Technikwelt von morgen: von Autos, die selber fahren, Handys, die Sprache verstehen oder stets wissen, wo sich ihr Besitzer aufhält.

Alles nett - aber kein Wort verliert Schmidt in den 26 Minuten seiner Rede zu dem Thema, das an diesem Tag alle am meisten interessiert: Wie wird Google ohne ihn funktionieren? Es ist sein erster Auftritt, seit der Wechsel in der Chefetage bekannt wurde. Nur im kleinen Kreis wird er deutlicher.

Am vergangenen Donnerstag hatte Google die Bombe platzen lassen. Eigentlich stand die Veröffentlichung der Bilanz für das abgelaufene Quartal auf dem Plan. Routine. Doch, was dann folgte, war der größte Umbau an der Spitze des Unternehmens, seit die Suchmaschine 1998 von Sergey Brin und Larry Page gegründet wurde.

Schmidt, seit 2001 Chef, wird im April in den Aufsichtsrat wechseln, Page übernehmen. Brin kümmert sich dann um die Produktstrategie des Unternehmens. Die beiden Gründer sind jetzt gerade mal 37 Jahre alt.

Kokettieren mit dem Alter

Schmidt ist Jahrgang 1955. Zwischen den beiden Google-Gründern und ihm liegt eine Generation - und in der schnelllebigen Technikbranche noch weit mehr. Als Schmidt geboren wurde, gab es noch keine Mikroprozessoren, heute das Herz eines jeden Computers oder Handys. Als Brin und Page das Licht der Welt erblickten, war der Vorgänger des Internet schon in Entwicklung.

Am Dienstag kokettiert der Noch-Chef mit seinem Alter. So hielt er das neueste Google-Handy hoch. Es hat einen Prozessor, der zehn Milliarden Rechenanweisungen pro Sekunde ausführen kann. "Vor 30 Jahren habe ich bei Sun Microsystems den Ein-Megahertz-Prozessor vorgestellt", erinnerte Schmidt sich dann.

Damals ein Großrechner, heute ein Handy - mit 1000-mal so viel Rechenleistung. Nun würden die Entwickler immer zuerst an mobile Geräte denken, erklärt er weiter. "In einer Art, in der es meine Generation nie vorhergesehen hat."

Bei solchen Aussagen wird klar: In Zukunft will Schmidt den Elder Statesman bei Google geben, den erfahrenen Manager, der schon so gut wie alles erlebt und gesehen hat und den die jüngeren Kollegen gerne um Rat fragen. "Ich werde mich um die ganzen externen Angelegenheiten kümmern", geht Schmidt nach seiner Rede vor den Teilnehmern der Internetkonferenz DLD im Kreis von einem Dutzend Journalisten doch noch konkret auf seine Pläne ein.

Wo Google Schmidt noch braucht

Als Vorsitzender des Verwaltungsrates von Google will er sich ab April vor allem mit der Pflege der Beziehungen zu Regierungen beschäftigen. Ein Feld, das der Suchmaschine viele Probleme bereitet.

So läuft bei den europäischen Wettbewerbsbehörden gerade ein Verfahren gegen Google, weil sich Rivalen beschwert haben, das US-Unternehmen missbrauche seine Marktmacht. "Wir haben sehr komplizierte Beziehungen zu Regierungen", sagt Schmidt. Er will das vereinfachen, vor allem indem er erklärt, was Google macht und warum.

Gelingt ihm das, könnte er Larry Page Spielraum verschaffen, die der neue Chef etwa braucht, um eine Antwort auf die wachsende Konkurrenz der jungen, schnell wachsenden Internetfirmen wie Facebook zu finden.

Dabei sei dieses soziale Netz bei weitem keine so große Gefahr für Google - sagt Schmidt. So gebe es keine Abwanderung von Talenten. Die Fluktuation bei Google sei in den vergangenen Jahren gleichgeblieben. Die Suchmaschine arbeite auch nicht an einem "Facebook-Killer". "Das ist exakt das, was wir nicht tun."

Bei Google habe man eben einen anderen Blick auf soziale Netze und schaue auf die eigene Suchmaschine und darauf, wie diese besser werden könne. Bislang mit Erfolg: Die Zahlen sind gut. In diesem Jahr will Google tausend neue Stellen in Europa schaffen. In solchen zentralen Fragen seien sich der künftige Verwaltungsratsvorsitzende und der neue Chef einig. "In der Strategie stimmen wir überein", sagt Schmidt.

Das Smartphone als Simultan-Dolmetscher

Auch die Liebe zu Computern teilen beide. Hätte er heute noch einmal die Chance, bei Google anzufangen, würde er als Programmierer einsteigen, erklärt Schmidt. Die IT bei Google sei auf dem neuesten Stand, die Rechenleistung so gewaltig.

So kann künftig etwa bei zwei Gesprächspartnern unterschiedlicher Sprache das Handy in Verbindung mit dem Google-Rechenzentrum zum Simultan-Dolmetscher werden. "Natürlich nur mit ihrer Zustimmung."

Diesen Satz sagt Schmidt an diesem Dienstag mehr als ein dutzend Mal und hat verstanden: Als Google-Außenminister wird Diplomatie zu seinen neuen Stärken zählen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: