Satire bei Facebook:Rat vom Kundendienst: "Nicht herumweinen"

Lesezeit: 3 min

Die Facebook-Seite "Kundendienst" soll Satire sein. Doch das fällt vielen Lesern womöglich gar nicht auf.

Von Hakan Tanriverdi

Als sich der Kunde auf der Facebook-Seite von Vodafone über zu langsames Internet beschwert, folgt die Antwort des "Kundendienstes" prompt: Der Kunde solle mal nicht so "herumweinen". 732 Personen "gefällt" diese reichlich brüske Reaktion.

Der "Kundendienst" bei Facebook ist eine Satire-Seite. Vermutlich wäre ich auch darauf hereingefallen. Ausschließen kann ich es jedenfalls nicht - und das ist das Problem.

Die Betreiber der Seite " Kundendienst" durchforsten Facebook-Seiten von großen Marken, zum Beispiel Haribo oder McDonalds. Finden sie dort eine vermeintlich absurde Anfrage oder Beschwerde eines Kunden, antworten sie ihm. Und die Reaktionen der Nutzer zeigen: Oft genug werden die Antworten des Fake-Kundendienstes als offizielle Position der Firma missverstanden. Die Nutzer trauen Vodafone eben durchaus zu, den Kunden so brüsk abzufertigen. "Die große Firma ignoriert die Sorgen der Kunden", das will die Satire-Seite als Botschaft vermitteln.

Natürlich steckt Vodafone nicht hinter dieser Antwort. Ebensowenig Haribo, McDonalds, Unitymedia oder EA Sports, in deren Namen der "Kundendienst" ungefragt antwortet. Doch genug Menschen fallen darauf herein. Denn den Frust, der hinter ihren Service-Anfragen steckt, kennen wir alle. Ich auch.

Kürzlich etwa wollte ich meinen Mobilfunk-Vertrag kündigen, außerplanmäßig. Wer für längere Zeit nicht in Deutschland lebt, kann den Vertrag für eine Weile "einfrieren" lassen. So wurde mir der Tarif verkauft. In der Zwischenzeit hat der Anbieter dieses Angebot heimlich eingestellt - es gilt also nicht mehr. Ich zahle nun monatlich Unsummen für einen Dienst, den ich nicht nutzen kann. Gekündigt habe ich zwar, doch das gilt erst ab Ende 2016.

"Sie sind aber ein Depp"

Während des Gesprächs mit dem Kundendienst, dem echten, verwickele ich mich in einen kleinen Streit. Ich weiß sehr wohl, dass der Telefon-Mitarbeiter jeden Tag mit einem Dutzend Menschen sprechen muss, die so drauf sind wie ich. Sauer, weil etwas nicht so klappt, wie angepriesen. Frustriert, weil sich das nicht ändern lassen wird. Er gehört vermutlich zu jenen in diesem Land, deren Jobbeschreibung sich mit "für 8,50 Euro die Stunde lasse ich mich anbrüllen" zusammenfassen lässt.

Ich weiß auch, dass dieser spezielle Mitarbeiter in dieser speziellen Situation nichts ändern kann. Der Tarif existiert einfach nicht mehr. Das sage ich auch am Telefon. Als Antwort hätte ein "Sorry, da kann ich nichts machen" gereicht. Stattdessen bekomme ich eine nette Version von "Sie sind aber ein Depp, dass Sie sich dieses Tarif-Angebot nicht schriftlich haben geben lassen" zu hören.

Was Satire sein soll, gelt als Realität durch

Die Rolle des Kundendienstes ist undankbar. Menschen kaufen ein Produkt oder eine Dienstleistung. Und wenn sie unzufrieden sind mit dem, was sie bekommen, wollen sie sich beschweren. Das ist ungünstig für die Firma, denn der Kunde ist schon schlecht gelaunt, wenn der Service-Mitarbeiter den Hörer abnimmt. Noch bevor das Gespräch beginnt, muss er sich also verteidigen. Viele Kunden haben bereits stunden-, tage- oder wochenlang versucht, ein Problem selbst in den Griff zu bekommen. Vergeblich. Frust gesellt sich zur Unzufriedenheit. Dass Kundengespräche kein gutes Ende nehmen, überrascht also nicht.

Was der satirische "Kundendienst" auf Facebook macht, soll eine Überspitzung dessen sein, was tatsächlich passiert. Oft genug liest es sich aber wie die Realität. Hätte ich meine Beschwerde auf Facebook gepostet und hätte der "Kundendienst" geantwortet: Es wäre vermutlich kein Unterschied festzustellen gewesen.

Die Schadenfreude ist unbegründet

Klar kann das witzig sein. Parodie-Seiten funktionieren so gut, dass Menschen, etwa beim Postillon, davon leben können. Es macht Spaß, anderen Menschen beim Scheitern zuzuschauen. In Deutschland würde man das Schadenfreude nennen. Im Internet läuft das kollektive Sich-Lustig-Machen unter dem Begriff "Prank".

"Der Postillon"-Satiriker Stefan Sichermann
:Sensation: Mann (32) verdient Geld mit Witzen im Internet

Kein Scherz: Die Satireseite "Der Postillon" ist wohl der beliebteste Blog in Deutschland. Gefälschte Nachrichten wie "Transferwahnsinn: FC Bayern München kauft Borussia Dortmund komplett für 550 Millionen" verbreiten sich massenhaft auf Facebook. Hinter der Seite steckt nur ein Mann in Fürth.

Von Bastian Brinkmann

Doch genau betrachtet ist diese Schadenfreude unbegründet. Worüber genau freuen sich Menschen im Fall von "Kundendienst"? Dass sie über ausreichend Zeit, Ressourcen und Misstrauen verfügen, um Satire zu erkennen - während andere darauf hereinfallen. Offizielle Antworten können auf Facebook nur von dem Konto kommen, dem die Seite gehört. Wer sich bei Haribo beschwert, kann eine Antwort nur von dem Nutzer-Account "Haribo" bekommen, nicht aber von einem Kundendienst. Das kann man wissen. Man muss es aber nicht.

Übrigens: Freundliches vom Kundendienst alleine bringt einen auch nicht weiter. Das musste ein Kunde gerade erfahren. Er hatte ein Problem mit seinem Anschluss, die Telekom wollte mit netten Worten helfen. Acht Monate später war der Fall immer noch nicht gelöst.

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