Süddeutsche Zeitung

Russland:Twitter-Ausraster macht Medwedew zum Gespött

Russlands Präsident Dmitrij Medwedew verbreitet eine Twitter-Botschaft, in der ein Oppositionsaktivist schwer beleidigt wird. Weil der Kreml die Nachricht mit einer seltsamen Erklärung herunterspielt, wird der Politiker zum Gespott im Netz.

Während zeitgleich russische Sicherheitsbehörden demonstrierende Regierungsgegner festnahmen, hatte Russlands Noch-Präsident Dmitrij Medwedew am Dienstagabend eine Botschaft für seine 730.000 Twitter-Follower - um genau zu sein war es die Nachricht des Parteifreundes und Duma-Abgeordneten Konstantin Rykow, die er per Retweet verbreitete: "Seit heute ist klar: Eine Person, die in ihrem Blog die Worte 'Partei von Ganoven und Dieben' schreibt, ist ein blödes, schwanzlutschendes Schaf."

Die Beschimpfung galt Alexey Nawalny, einem oppositionellen Juristen und Blogger: Der 35-Jährige hatte in seinem Blog und einer Straßenrede nach der Wahl Putin und seine Partei als "Gauner und Diebe" bezeichnet und war wenig später verhaftet worden. In einem Schnellverfahren verurteilte ihn ein Moskauer Gericht am Dienstag zu 15 Tagen Haft.

Der Duma-Abgeordnete Rykow gilt als einer der härtesten öffentlichen Kritiker Nawalnys und bezeichnet dessen Auftritte stets als gutgeplante Eigen-PR. Dass Medwedew sich allerdings die heftige Wortwahl seines Parteikollegen zu eigen macht, ist eher ungewöhnlich - weshalb der Kreml den Tweet auch schnell löschte.

Schon nach kurzer Zeit gab die Pressestelle des Kreml eine Erklärung heraus: "Heute erschien ein inkorrekter Retweet eines Eintrags auf dem Twitter-Konto von Dmitrij Medwedew", heißt es da in bester Bürokratensprache, "Eine Prüfung brachte zum Vorschein, dass ein Mitarbeiter des technischen Supports während eines Routine-Passwortwechsels unberechtigt in den @MedvedevRussia-Feed eingegriffen hat. Der Schuldige wird bestraft."

Diskreditierungsversuch aus den eigenen Reihen?

Nachdem Oppositionelle Medwedew auf Twitter und in Blogs zuvor heftig kritisiert hatten, schlug die Stimmung sofort in Häme um. "Können die russischen Bürger davon ausgehen, dass Sie und Ihr Team mit dem Ihnen anvertrauten Roten Knopf vorsichtiger umgehen als mit den Passwörtern ihres Präsidenten-Kontos?", spottete Berichten zufolge beispielsweise Wladimir Warfolomejew vom regierungskritischen Radiosender "Echo Moskau".

Russland wäre nicht Russland, wenn nicht auch sogleich über die Hintergründe der vermeintlichen Panne spekuliert werden würde: Wie der Guardian berichtet, gehen liberale Russen davon aus, dass Medwedew die Nachricht wissentlich untergeschoben wurde, um den künftigen Ministerpräsidenten schlecht aussehen zu lassen.

Medwedew wird bereits häufiger Ziel von Internet-Scherzen. Nachdem die Putin-Partei Einiges Russland bei den Parlamentswahlen mit ihm als Spitzenkandidat heftige Verluste hinnehmen musste, gilt er als politisch angeschlagen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1229622
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/joku/mri
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.