Rückblick auf das Social-Media-Jahr:So war 2015 im Netz

Rückblick auf das Social-Media-Jahr: "Face with tears of joy" heißt das meistgenutzte Emoji des Jahres.

"Face with tears of joy" heißt das meistgenutzte Emoji des Jahres.

Selfies in Disneyland, Drake und One Direction: Für 2015 sieht es so aus, als sei der neue Mainstream ganz der alte. Immerhin lacht das beliebteste Emoji so sehr, dass es weint.

Von Michael Moorstedt

Früh hat das Fernsehen sein Pulver verschossen, und das Feuerwerk aus Menschen, Bildern und Emotionen ist abgebrannt. Die Jahreszeit der TV-Jahresrückblicke beginnt ja gefühlt schon Mitte November. Auch die großen und etwas kleineren Internetkonzerne bieten ihre eigene Sicht auf das abgelaufene Jahr an. Nach wem wurde am häufigsten gesucht, welcher Wikipedia-Artikel wurde am meisten geändert, welches Lied auf Spotify am häufigsten gehört, an welchem Ort die meisten Instagram-Bilder aufgenommen? Und überhaupt: Welches Emoji war das am häufigsten verwendete?

Wie war es also, das Jahr im Netz 2015? Bei den Musik-Streams liegen Hip-Hop-Wunderknabe Drake, Rihanna und Justin Bieber ganz weit vorne. Bieber führt auch die allgemeine Suchstatistik an - wie so viele Jahre zuvor. Die zehn populärsten Tweets des Jahres 2015 stammen zur Hälfte von Mitgliedern der Boy-Band One Direction. Die Orte, an denen die meisten Instagram-Selfies aufgenommen wurden, könnten auch aus einem Best-of des ADAC-Reiseführers stammen: Times Square, Eiffelturm, Disneyland.

Am meisten überrascht wohl, wie wandlungsresistent das alles ist. Man ist beinahe enttäuscht. Wird nicht immer gesagt, das Internet sei ein dynamisches Medium? Bei aller Banalität bestand der Charme dieser Ranglisten bislang ja darin, dass sie sich aus vermeintlich objektiven Daten konstituieren. Denn bei den Netzrückblicken haben Datenbanken das Sagen - es kommt nicht mehr darauf an, was in vermeintlich latent tendenziösen Redaktionen ausgewählt wurde.

Stars und Storys gleichen sich einander an

Neuerdings verspüren aber auch all die Suchmaschinen und sozialen Netzwerke das Bedürfnis zu kuratieren. Google zum Beispiel unterfüttert die Suchtrends mit allerhand interessanten Diagrammen und Wussten-Sie-schon-Infokästchen. Weit oben im globalen Aufmerksamkeitsranking stehen die Anschläge von Paris und der neue "Star Wars"-Film. Der Terror generierte knapp 900 Millionen Google-Suchen, "Star Wars" hatte etwa 155 Millionen Anfragen.

Youtube hat dagegen ein sogenanntes Rewind-Video produziert, das die populärsten Clips des vergangenen Jahres aneinanderreiht. In einer aufwendigen Produktion laufen auf etwas mehr als fünf Minuten Dutzende Komparsen durch die Kulissen, es wimmelt vor Green-Screens und Special-Effects, und jeder Zuschauer, der sich nicht berufsmäßig mit Internet-Kultur auseinandersetzt oder einfach nur älter als 25 Jahre ist, fragt sich: Was, zur Hölle, geht hier vor? Zu schnell, zu bunt, zu oft wechseln die Bilder. Da sind ein Typ im Haifisch-Kostüm, brennende Gitarren, tanzende Babys. In den Kommentaren wird vergeblich nach Aufklärung verlangt. Das Mem-Medley zeigt einmal mehr, dass beides geschieht: Zum einen etabliert sich ein neuer alter Mainstream im Netz. Stars, Formate und Storys gleichen sich immer weiter an. Zum anderen schrumpft auch die Halbwertszeit der originär im Netz entstandenen Geschichten. Das geht schon in Ordnung. Es kann nun mal niemand das ganze Internet im Auge behalten.

Das beliebteste Emoji ist übrigens das eine, das vor lauter Lachen Tränen in den Augen hat. Aber das hat wohl nichts weiter zu bedeuten.

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