In den meisten sogenannten Egoshootern steuert der Spieler martialisch aufgemachte Helden durch hektische Schlachten und Abenteuer und holt sich einen Kick, in dem er sich von einem Ort zum nächsten durchschlägt. Schon die Aufmachung deutet auf pubertierende Jugendliche als Zielgruppe hin, obwohl die meisten Spiele wegen der Gewaltdarstellungen erst ab 18 Jahren freigegeben sind.
Nun kann ein Spiel eine Weile gut davon leben, dass die Welt realistisch wirkt und atmosphärisch dicht programmiert ist. Dann kann ein Spiel wie "Crysis 2" sogar den Deutschen Computerspielpreis erhalten. Aber ohne gute Geschichte ist das doch nur wie eine Achterbahnfahrt: aufregend, aber nicht wirklich interessant.
Seltener sind Spiele, die eine Geschichte mit anspruchsvollem Hintergrund bieten. Ist die Story interessant, ist es so, als würde man in einem Actionfilm mitspielen, selbst in "The Walking Dead" dabei oder mal Batman sein.
Sind den Figuren in Spielen wie "The Last of Us" sogar interessante psychologische Auseinandersetzungen mit der eigenen Rolle in einer postapokalyptischen Welt auf den Leib programmiert, wird die Sache noch interessanter. Gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, eine Rolle nicht nur zu übernehmen, sondern ihr Verhalten, ihr Geschlecht, ihre Persönlichkeit mitzubestimmen, wie es in guten Rollenspielen der Fall ist, nähert man sich der Oberliga der Computerspiele. Und wenn es dann - wie etwa in dem Klassiker "Deus Ex - Human Revolution", möglich ist, sich zu entscheiden, für welche fragwürdige Seite man sich in einem komplexen Konflikt über die Kontrolle der Weltpolitik einsetzen möchte, ist es am besten.
Diamond City - wo das Leben halbwegs wieder seinen geregelten Gang geht. Würden nicht immer wieder Menschen verschwinden.
(Foto: Screenshot Fallout4)Zu solchen Spielen gehören schon lange auch die von Bethesda, die in der Reihe von "Morrowind" bis "Skyrim" in der typischen Fantasiewelt angesiedelt sind, oder in denen man sich eben auf der durch einen Atomkrieg zerstörten Erde durchschlagen muss.
Hohe Erwartungen nur teilweise erfüllt
"Fallout 4" ist bereits das dritte Rollenspiel in Erster-Person-Perspektive in der Fallout-Reihe. Die extrem erfolgreichen Vorgänger "Fallout 3" und "Fallout New Vegas" sowie ihr Fantasy-Cousin "Skyrim" hatten die Erwartungen von Hunderttausenden von Spielern in extreme Höhen steigen lassen. Der Publisher hatte die Spannung noch angeheizt, indem er fast keine Informationen über das Spiel herausgab, zugleich aber intensiv dafür warb. Das hat nun zu vielen enttäuschten Kommentaren geführt, denn das Spiel bleibt in einigen Punkten hinter den technischen Möglichkeiten zurück, die andere Spiele wie "The Witcher 3" etwa, oder der jüngste "Batman" demonstriert haben.
Das ist ja der Fluch jedes riesigen Erfolgs: Das nächste Ding muss noch besser sein. Aber muss es das wirklich? Wem es genügt, eine weitere Variation des Fallout-Themas zu spielen, wird zwar am PC über eine Reihe ärgerlicher Veränderungen im Gameplay anfänglich heftig stolpern. Den Umgang mit den Werkstätten, in denen der Spieler die Ausrüstung seines virtuellen Alter Ego verbessern kann, und den Siedlungsbau muss man erst mal kapieren. Es vergeht viel Zeit, bis alle Wände so stehen, wie es sich gehört. Zum Glück gibt es inzwischen eine Reihe von Videos etwa auf Youtube, die gute Tipps geben. Auch die Mimik der Figuren lässt zu wünschen übrig - manche Charaktere wirken sogar künstlicher als die in den Vorgängerspielen. Und die Grafik ist nicht so gut, wie man es 2015 erwarten würde.
Aber das Fazit ist eindeutig: Die wichtigsten Versprechen hält das Spiel.
In der deutschen Version spiegelt sich allerdings eine Entwicklung wider, die seit Jahren deutlich zu beobachten ist: Die Darstellung der Gewalt ist brutaler geworden. "Fallout 3" und "New Vegas" wurden für den deutschen Markt geschnitten, um eine Freigabe ab 18 zu gewährleisten. Das war diesmal offenbar nicht notwendig. In "Fallout 4" werden die Folgen der Gewalt jetzt realistischer dargestellt. Der Spieler muss damit rechnen, dass abgerissene Arme und Beine und sogar Augäpfel und Unterkiefer herumliegen. Über die Schrecken in Filmen wie "The Walking Dead" und "Games of Thrones" geht das aber nicht hinaus - außer man verpasst sich im Verlauf des Spiels die sonst unwichtige Eigenschaft "Bloody Mess". Offenbar gibt es Spieler, die darauf stehen.
Wie alle anderen Spiele für Erwachsene sollte "Fallout 4" wegen der Gewalt deshalb nur diesen zugänglich gemacht und - genauso wie es mit anderen Erwachsenenmedien wie etwa Pornos auch passiert - aus dem Wahrnehmungsbereich von Kindern herausgehalten werden.
Fallout 4 (USK ab 18) ist am 10. November für PC, Playstation 4 und Xbox One erschienen.