Rohstoffe in Elektroschrott:Wertvoller als ein Kilo Minenerz

Hersteller von Computern, Smartphones und Tablets merken langsam, dass ihre Rohstoffe knapp werden. Womöglich ist es sogar schon zu spät. Weil die Geräte immer kleiner werden, verteilen sich wertvollen Bestandteile in winzigen Mengen auf der ganzen Welt.

Varinia Bernau

Es gibt viele Gründe, warum sich die Leute inzwischen lieber ein Tablet zulegen als einen PC. Weil die Dinger so handlich sind. So unterhaltsam. So hip. Einen Grund aber nennt niemand, der sich ein Tablet kauft: Weil viel weniger Neodym darin steckt.

Recyceln gegen Rohstofflücke

Das Recycling gebrauchter Elektrogeräte gewinnt an Bedeutung.

(Foto: dpa)

Neodym gehört zu den Seltenen Erden. Doch Armin Reller, der den Lehrstuhl für Ressourcenstrategie an der Universität Augsburg leitet, findet den Begriff Gewürzmetall treffender. "So wie Safran. Den streut man auch nur in ganz kleinen Mengen über den Reis. Aber ohne Safran schmeckt der eben nicht." Für Magneten ist Neodym das, was Safran für Reis ist. Ein Tablet aber braucht kaum noch Magnete. Denn die flachen Computer, kaum größer als eine Zeitschrift, müssen stromsparender sein als PCs. Und robuster. Deshalb haben die Entwickler dort auf die beweglichen Bauteile verzichtet, die noch im klassischen Computer steckten. Etwa auf drehende Magnetscheiben.

Doch zu einem guten Gericht gehört eben nicht nur Safran. Und in einem Tablet stecken mehr als 40 verschiedene Metalle. Die Seltenen Erden stammen fast vollständig aus China. Und um sie ist vor wenigen Jahren ein Handelskrieg entbrannt. Das Land drosselte zeitweise die Exporte und sorgte damit in der westlichen Welt für viel Aufregung. Es war eine Aufregung, die die Anbieter von Unterhaltungselektronik eigentlich nicht hätte stören müssen: iPads von Apple, Handys von Nokia, Fernseher von Sony - all dies wird in den chinesischen Fabriken von Foxconn gefertigt. Ohne dass dabei Seltene Erden exportiert werden müssten. Es war auch eine Aufregung, die manchen irritiert hat.

Michael Kaminski-Nissen zum Beispiel, der sich bei Hewlett-Packard um den Umweltschutz kümmert. "Selbst wenn wir uns in Deutschland Rohstoffe sichern, wir werden sie hier nicht verarbeiten können", sagt er. Eben weil Computer, Musikanlagen und Spielekonsolen vor allem in Asien gefertigt werden. "Wollen wir das mit der Bahn zurückbringen? Mit dem Flugzeug? Das würde doch enorm viel Zeit, Geld und letztlich auch Ressourcen verschlingen." Und doch, da sind sich Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft einig, war es gut, dass es die Aufregung um die Seltenen Erden gab. Sie hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass in all den technischen Spielereien, wie sie in der nächsten Woche auch auf der Internationalen Funkausstellung präsentiert werden, knappe Rohstoffe stecken. Kostbare Rohstoffe.

Ersatz durch nachwachsende Rohstoffe

Vor ein paar Jahren taten die Hersteller noch so, als sei die Beschaffung von Rohstoffen allein Sache der Zulieferer. Und als sei Recycling den Aufwand nicht wert. Inzwischen haben viele Unternehmen eigene Strategen, die diese Fragen im Blick behalten. Es gibt branchenübergreifende Zusammenschlüsse wie die vom Industrieverband BDI im April gegründete Rohstoffallianz, die den Bedarf analysiert und neue Partnerschaften etwa mit Kasachstan und der Mongolei aushandelt. Und es gibt Unternehmen wie HP, die Recycling-Projekte in Afrika fördern.

Groß ist der Glaube bei den Anbietern von Elektrogeräten, dass die Rohstoffknappheit die Suche nach neuen Technologien beschleunigen wird. Dass Ersatzstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden. Dass die Recyclingquote steigt. Dass Geräte noch effizienter werden. Gleichzeitig aber wächst die Weltbevölkerung - und der Anteil derer, die auch einen Flachbildfernseher und ein iPad haben wollen. Und der Trend zu immer kleineren Geräten in immer mehr Händen schafft neue Probleme. So laufe man Gefahr, wertvolle Rohstoffe in kleinsten Mengen quer über die Welt zu verteilen und letztlich zu verlieren, warnt Reller.

Zwar lässt sich aus einem Kilogramm Handyschrott mehr Gold gewinnen als aus einem Kilogramm Erz einer Mine. Der Weg der Rohstoffe aber ist lang - und verworren: Geschürft werden die Metalle von Minenarbeitern mit niedrigsten Löhnen; zerlegt werden die kaputten Geräte dort, wo es weder Arbeits- noch Umweltschutz gibt. "Den Preis für unseren Wohlstand zahlen andere", sagt Reller.

Er ist überzeugt davon, dass sich die Anbieter von Unterhaltungselektronik lange auf eine sichere Rohstoffversorgung verlassen und ein Tempo vorlegt haben, das sie auf lange Sicht nicht halten können: Eine Generation von Geräten gilt schon nach einem Jahr als veraltet, bei der Fertigung werden kaum noch Bauteile auf Vorrat gehalten. "Aber eine neue Mine zu eröffnen, das kann schon mal bis zu zehn Jahren dauern. In Bolivien, in 4000 Metern Höhe, dort, wo es noch Vorkommen gibt, da führt noch nicht einmal eine Straße hin."

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