Richtungsstreit unter Plagiatejägern:Putsch im Schwarm

Seite für Seite untersuchen Internetuser Doktorarbeiten, um Plagiate aufzudecken. Die Ergebnisse präsentieren sie gemeinschaftlich auf der Plattform VroniPlag. Doch intern brodelt es. Nach einem Streit wurde der Gründer der Site nun von der Community entmachtet.

Tanjev Schultz

Sie sitzen oft bis tief in die Nacht vor dem Computer, es gibt viel zu tun. In Doktorarbeiten suchen sie nach Plagiaten, unermüdlich und unerbittlich. Auf der Internetseite "VroniPlag" dokumentieren sie ihre Funde. Als prominente Politiker hat es zuletzt die FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis erwischt. Und so schnell geben die Nachtarbeiter keine Ruhe, ihre Suche geht weiter. Mit dem Erfolg kommen aber auch die Probleme. Es gibt interne Konflikte.

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Die Politiker Guttenberg, Koch-Mehrin und Chatzimarkakis überführte die Internetcommunity des Plagiats.

(Foto: AFP)

Die Internet-Nutzer, die sich hinter Pseudonymen verbergen, werden oft als "Schwarm" bezeichnet. Hinter ihrer kollektiven Intelligenz stecken jedoch lauter Individuen mit einem eigenen Kopf. In dieser Woche eskalierte ein Streit zwischen dem Gründer von "VroniPlag", der sich "Goalgetter" nennt, und wichtigen anderen Aktivisten. Sie werfen "Goalgetter" vor, zu eigensinnig zu handeln und sich mit seiner Person zu sehr in der Vordergrund zu spielen.

In einem Blog ist sogar von einem "Putsch" die Rede. Tatsächlich ist "Goalgetter" von seinen Mitstreitern zumindest teilweise entmachtet worden: Am Dienstag hat er nach einem förmlichen Votum seine Rechte als "Bürokrat" verloren. Sogar die Basisdemokratie im Internet kommt nicht ganz ohne Hierarchie aus.

In sogenannten Wikis wie "GuttenPlag" oder "VroniPlag" haben einige Nutzer besondere Rechte: Als Administratoren können sie Seiten löschen oder andere Benutzer sperren. Ein "Bürokrat" ist noch mächtiger: Er kann andere Nutzer als Administratoren ein- oder absetzen. Und nun haben die Administratoren gegen ihren Gründer rebelliert.

Selbstinszenierung gegen akademische Zurückhaltung

Viele Aktivisten waren unglücklich darüber, wie "Goalgetter" sich in den Medien inszenierte, zuletzt im Spiegel. Dort präsentierte sich der 45-jährige Unternehmer auf einem Golfplatz und ließ sich mit der Aussage zitieren, ein Schwarm bewege sich in die gleiche Richtung - "ich bewege mich manchmal bewusst in die andere".

Immer wieder gab es zwischen dem offensiven "Goalgetter" und den anderen, akademisch zurückhaltenden Plagiate-Suchern Streit. Für das SPD-Mitglied "Goalgetter", der beteuert, die Parteimitgliedschaft spiele keine Rolle, war Guttenbergs Rücktritt ein wichtiges Ziel. Andere versuchen, die Suche nach Plagiaten strikt von der politischen Bewertung zu trennen.

Verschiedene Ansichten gibt es auch bei der Frage, wie schnell ein Verdacht publiziert werden soll und wie man mit Plagiatoren umgeht, die nicht prominent sind. "Goalgetter" zeigte da weniger Skrupel als andere, so kam es überhaupt zur Gründung von "VroniPlag".

Seriosität gegen Satire

Anfangs spielten Politiker dort noch keine Rolle. Mit dem Namen "VroniPlag" sind viele entsprechend unglücklich; gut möglich, dass sich einige der fleißigsten und sorgfältigsten Plagiate-Sucher demnächst unter einem anderen Namen versammeln.

Der "VroniPlag"-Gründer wolle "sein eigenes Ding" durchziehen, kritisierte ein Aktivist. Ein anderer schrieb, es gebe "kein Vertrauen" mehr, die "Integrität des Projekts" sei gefährdet. Es wird sogar der Vorwurf erhoben, "Goalgetter" betreibe nicht nur eine "überzogene Selbstdarstellung", sondern missbrauche das Projekt für kommerzielle Zwecke.

Dabei soll es um Software-Produkte gehen. "Goalgetter" weist die Vorwürfe zurück, im Detail will er sich erst später äußern. Und er sieht es so: Andere Webseiten-Betreiber würden sich nach einem positiven Medienbericht freuen und eine Flasche Schampus öffnen. Bei "VroniPlag" sei das halt anders.

Während die meisten Nutzer sehr bedacht sind auf Seriosität und Sachlichkeit, hat "Goalgetter" Lust an Satire und Provokation. Auf seiner Seite platzierte er eine Karikatur, die Koch-Mehrin in nicht sehr vorteilhafter Weise darstellt. Und die Rebellion seiner Mitstreiter kommentiert "Goalgetter" mit lässigen Worten: "Die schwere Last, ein Bürokrat zu sein, ist jetzt von mir abgefallen."

Für ihn bringe das neue Freiheiten. Er gehört jedoch weiterhin dazu, rausgeworfen hat man ihn nicht. Sogar seine Rechte als Administrator kann er behalten. Den ganzen Streit dürfe man nicht überbewerten, sagt Debora Weber-Wulff. Die Berliner Informatik-Professorin und Plagiatsexpertin gehört zu den wenigen Aktivisten, die mit ihrem echten Namen Auskunft geben.

Für einige wäre eine Pause gut

Im Internet, wo man sich nicht von Angesicht zu Angesicht begegne, würden die Wellen eben schnell höher schlagen. Der Unterschied zu anderen Vereinen sei, dass bei "VroniPlag" alles öffentlich geschehe. Es kursiert die Idee, sich einmal in aller Ruhe bei einem realen Treffen zu besprechen - nicht im Chat, nicht im Internet.

Vielleicht könnten einige Aktivisten auch eine kleine Pause ganz gut gebrauchen, die vergangenen Wochen waren aufreibend. Ihre Suche nach Plagiaten läuft ja nebenher, neben dem Beruf und der Familie. Sollte es in den kommenden Wochen keine spektakulären Funde bei Prominenten mehr geben, könnte zwar das Interesse der Öffentlichkeit erlahmen.

Doch an Sensationen ist den meisten Aktivisten von "VroniPlag" ohnehin gar nicht so gelegen. Sie wollen einfach einen Beitrag leisten für eine saubere Wissenschaft. Und dieser Beitrag wird noch lange nötig sein.

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