Revolutionäre Filmtechnik:Hollywood im Sprint

GoPro

Dank den GoPro-Kameras entstehen faszinierende Aufnahmen aus der Perspektive von Sportlern. Eine neue Software dürfte sie noch deutlich verbessern.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Eine neue Software glättet Sportvideos so sehr, dass sie sogar im Zeitraffer konsumierbar werden. Die Technik könnte die Welt der Ego-Aufnahmen komplett verändern - doch wie authentisch ist so ein Video noch?

Von Johannes Boie

Die Frau atmet ziemlich schwer jetzt. Man sieht sie nicht, aber man kann sie hören. Die Szenerie wackelt enorm. Ein Knall, und plötzlich bedeckt Wasser das Bild, die Kamera muss untergetaucht sein. Sehr, sehr langsam und sehr, sehr wackelig schwimmt Jordan Kushins nun auf San Francisco zu, ab und an kontrolliert sie, ob die Kamera auf ihrem Kopf noch gut sitzt.

Videos wie dieses, das in der letzten Woche im Netz Furore machte, gehören zu den großen Trends, welche die Digitaltechnik in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat. Dank den Kameras der Firma GoPro, deren Bildqualität manch ältere Kameras aus TV-Studios übertrifft, und deren Gehäuse robust genug ist, um in Schnee, Wasser, Hitze und Kälte zu funktionieren, entstehen faszinierende Aufnahmen aus der Perspektive von Kletterern, Radfahrern, Rangern, Astronauten oder eben Schwimmern. Hinzu kommt die Google-Brille und all die Telefone, mit denen auch gern und viel gefilmt wird.

Noch sind die Videos zu lang und wackelig

Oft sind die Videos jedoch sehr lang - es dauert eben, von Alcatraz zurück in die Stadt zu schwimmen, wie es Kushins gewagt hat. Und die Aufmerksamkeitsspanne im Netz ist oft sehr kurz. Ein Zeitraffer verkürzt zwar die Dauer des Videos, aber das digitale Material erzeugt ein kaum erträgliches Ruckeln und aufgrund der ständigen Brüche im Bildablauf wirkt die Filmdatei im Schnellvorlauf wie ein alter Animationsfilm. Kein Wunder: Zeitraffer-Videos entstehen, indem viele der Einzelbilder, aus denen ein Film besteht, in regelmäßigen Abständen gelöscht werden.

Exakt für dieses Problem hat nun Microsoft eine Lösung vorgestellt, deren erste Eindrücke bestechend sind. Die Technik heißt Hyperlapse, ein Kunstwort das auf den englischen Begriff für Zeitraffer (time lapse) zurückgreift. Sie dürfte die wachsende Welt der Aufnahmen aus Egoperspektive komplett verändern und noch deutlich mehr Nutzer anziehen.

Eine faszinierende Technik, die ethische Fragen aufwirft

Um ein Hyperlapse-Video zu erstellen, wird ein Computer zunächst mit dem ursprünglichen Videomaterial gefüttert. Ein spezielles Programm, das künftig auch für Windows verfügbar sein soll, berechnet einerseits die Geometrie aller einzelnen Bilder so wie den Weg, den die Kamera durch die Szenerie nimmt. Dieser Weg wird nun geglättet. Für das Video der Schwimmerin würde das zum Beispiel bedeuten, dass die abrupten Kamerabewegungen, die durch die ruckartigen Kopfbewegungen beim Schwimmen entstehen, durch eine sanfte Linie ersetzt werden. Weil sich dadurch die Perspektive der Kamera ändert, fehlen nach diesem Schritt Aufnahmen, schließlich zeigt die errechnete Kamera nun viel ruhiger nach vorne - während die echte Kamera gerade nicht während des ganzen Videos nach vorne gefilmt hat.

Die fehlenden Bilder ersetzt das Programm durch Berechnung. Es weiß ja von vielen anderen Aufnahmen im Video, wie die Umgebung grundsätzlich aussieht. Auf Basis dieser Daten kann der Computer das Bildmaterial extrapolieren. Gleichzeitig wird das neu berechnete Video wie für einen klassischen Zeitraffer-Film verkürzt.

So entstehen Videoaufnahmen, bei denen der Zuschauer aus der Perspektive desjenigen, der die Kamera getragen hat, durch eine Umgebung rast, mit höchster Geschwindigkeit, weil der Film stark beschleunigt ist. Aber das Ganze wirkt eben glatt und sanft gefilmt wie ein Hollywood-Dreh. Die Technik führt früher oder später auch zu ethischen Fragen: Wie authentisch ist ein Video, dessen Kameraführung und dessen Inhalt zu einem großen Teil berechnet sind? Dass es verdammt hart ist, von Alcatraz nach San Francisco zu schwimmen, ist klar. Darf es dann künftig so soft aussehen?

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