Smart Home:Das intelligente Zuhause ist immer noch ziemlich dumm

Smart Home Stefan Dimitrov

Die meisten Menschen machen sich falsche Vorstellungen vom Smart Home: Wirklich intelligente Technik muss gar nicht sichtbar sein.

(Foto: Stefan Dimitrov)
  • Wer sein "dummes" Zuhause in ein Smart Home umrüsten will, kämpft oft mit Kinderkrankheiten und inkompatibler Technik.
  • Der Besuch in einer Musterwohnung zeigt: In einem wirklichen smarten Haus rückt die Technik in den Hintergrund, das Meiste passiert von selbst.
  • So bequem das sein mag, eine Gefahr bleibt: Je mehr vernetzte Geräte, desto größer das Risiko, dass Hacker Schwachstellen finden und ausnutzen.

Von Helmut Martin-Jung

Scannen Sie nun den QR-Code auf der Verpackung ein." Also die große Schachtel geholt. Darin steckt die Grundausstattung, die ein Haus schlau und sicher machen soll. Zu einem vernetzten Heim. "Connected home. Safer home" steht groß auf dem roten Pappkarton. Aber wo ist der QR-Code? Es gibt einen Strichcode, aber den akzeptiert die Smartphone-App nicht. Allmählich steigt der Blutdruck.

Um das Starterpaket von Vodafone und Samsung in Betrieb zu nehmen, mussten davor schon zwei Online-Konten eröffnet werden, eines für die Samsung Cloud, eines bei Vodafone. Und das Smartphone lud noch Software herunter, bis es schließlich startklar war. Vielleicht doch keine so gute Idee, das System noch schnell am Abend auszupacken. Wo zum Teufel ist nur dieser vermaledeite QR-Code?

"Ich probiere so ziemlich alles aus, was es im Smart-Home-Bereich gibt", sagt Achim Berg. Berg, 54, Diplom-Informatiker, Ex-Telekom-Manager, Ex-Microsoft-Manager, ist seit 2017 Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom. Er gibt zu: "Die Installation von Smart-Home-Geräten ist mittlerweile schon einfacher geworden, aber sie ist immer noch komplex."

Zu komplex für Menschen, die sich nicht wie Berg gut mit Computer und Co. auskennen? Darauf deuten die Ergebnisse einer Studie hin, die sein Verband vor Kurzem veröffentlicht hat. "Home, smart home", heißt sie. Darin steht, dass nur neun Prozent der Befragten, die schon solche Geräte nutzen, sie auch selber in Betrieb genommen haben. Fast in der Hälfte aller Fälle waren das stattdessen Handwerker, Elektriker zum Beispiel oder Heizungsinstallateure. Den Rest teilen sich Freunde und Verwandte.

Jeder vierte Haushalt in Deutschland nutzt bereits smarte Geräte

Es steht aber auch eine andere Zahl in dieser Studie, bei der mehr als 1600 Menschen in Deutschland befragt wurden: 26 Prozent davon haben schon ein smartes Gerät, das mit dem Internet verbunden ist. "Jeder Vierte ist auf dem Weg zu einem intelligenten Zuhause", schreibt der Bitkom-Verband. Auf der Ifa, der Messe für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte, die gerade in Berlin stattfand, war die Heimvernetzung eines der Hauptthemen.

Aber was ist das überhaupt, ein intelligentes Zuhause?

"Unsere Vorstellung davon ist geprägt von Filmen", sagt John Grøtting, Group Design Director der Design-Agentur Fjord. Noch könne man zum Beispiel mit sprachgesteuerten Assistenten wie Amazons Alexa oder Googles Assistant bei Weitem nicht so frei kommunizieren, wie es in Science-Fiction-Filmen dargestellt wird. Die Computer in den Filmen verstünden immer auch den Zusammenhang, in dem etwas gesagt werde, "aber Alexa weiß nicht, was wir mit ihr gesprochen haben".

Wirklich intelligent seien Smart Homes zurzeit noch nicht, sagt Grøtting: "Die Bezeichnung 'Smart Home' lässt glauben, dass die Systeme zumindest eine grundlegende Form von Intelligenz besitzen. Doch Stand heute bieten die meisten Hersteller nur neue Lichtschalter an." Erst wenn das Smart Home Device tatsächlich für mehr Bequemlichkeit und Sicherheit sorge und dazu noch helfe, Geld zu sparen, könne man von Intelligenz sprechen. "Diese Dinge werden kommen, die Frage ist jedoch, wann."

"Wenn man nur über Technik redet, verschreckt man die, die sich damit nicht befassen wollen"

Lässt man sich von Manuel Nader, dem Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Loxone, einem österreichischen Hersteller von Smart-Home-Systemen, durch die Musterwohnung im schwäbischen Wäschenbeuren führen, kann man den Eindruck haben, sehr weit sei diese Zukunft nicht mehr weg. Es fällt vor allem auf - dass eigentlich nichts auffällt. In der sachlich-modern eingerichteten Wohnung steckt viel Technik. Nur hält sie sich weitgehend im Hintergrund.

Dass die schlichten Leuchten alle möglichen Lichtstimmungen erzeugen können, sieht man ihnen nicht an. Die Lautsprecher, die die Räume auf Wunsch mit Musik versorgen, sind kaum zu erahnen. Wer im Schlafzimmer nachts das Bett verlässt, muss nicht nach dem Lichtschalter tasten. Sensoren erkennen es, und unterm Bett scheint gerade so viel Licht hervor, dass der schlafende Partner nicht gestört wird.

Smart Home, das werde oft verwirrend dargestellt, sagt Naders Chef Rüdiger Keinberger, einer der drei Geschäftsführer von Loxone. Auch bei Loxone habe man anfangs sehr stark auf Technik gesetzt. "Aber wenn man nur über Technik redet, verschreckt man die, die sich damit nicht befassen wollen." Als sich einer beiden Gründer, Thomas Moser, vor zehn Jahren selber ein Haus mit smarten Funktionen bauen wollte, stellte er fest, dass es sehr kompliziert und dazu teuer war. Also entwickelte er mit Mitgründer Martin Öller einen spezialisierten, kleinen Computer, den sogenannten Miniserver, der alle Funktionen eines schlauen Hauses steuern sollte.

Im wirklich smarten Zuhause funktioniert vieles wie von selbst

Das Gerät steckt noch heute in den mehr als 60 000 Smart Homes, die Loxone inzwischen weltweit ausgestattet hat. Doch geredet wird darüber kaum mehr. Viel lieber redet man darüber, welche Vorteile ein schlaues Heim bietet und dass man eben nicht das Licht mit dem Smartphone einschalten muss - für viele eine Horrorvorstellung. "Smartphone oder Tablet braucht man nur im Ausnahmefall", sagt Keinberger. Dann etwa, wenn Grundeinstellungen geändert werden sollen.

Ansonsten funktioniert vieles wie von selbst. Man drückt etwa beim Verlassen des Hauses einfach auf einen Taster - und das gesamte Haus "fällt in Tiefschlaf", wie Loxone-Mann Nader sagt. Heißt: Alle elektrischen Verbraucher werden ausgeschaltet, sofern sie nicht für den Betrieb des Hauses nötig sind, Heizung oder Klimaanlage werden heruntergeregelt.

Zugleich wird die Außenhaut scharf geschaltet, über Lautsprecher erinnert eine Stimme daran: "Die Alarmanlage ist eingeschaltet." Dass, wie beim eingangs beschriebenen Selbstversuch mit dem Vodafone-System, der Kleber des Fenstersensors versagt und nachts der Alarm losgeht, passiert hier eher nicht.

Wie smart man sein Haus einrichtet, ist - glaubt man Loxone - eher eine Frage des Geschmacks als der Komplexität. Automatische Jalousien, Fenstersensoren, Sprechanlage mit Videokamera, Lichtsteuerung gehören zur Grundausstattung. Zusätzlichen Wünschen ist fast keine Grenze gesetzt: Vom Rasensprenger, der aufhört zu gießen, wenn jemand vorbeiläuft, über einen Multimedia-Speicher mit Anbindung an den Streamingdienst Spotify oder Internet-Radiosender bis hin zur Sauna inklusive Lichttherapie-Ausstattung ist so ziemlich alles möglich.

20 000 Aufpreis im Vergleich zu einem "dummen" Haus

Natürlich ist die smarte Vielfalt auch eine Frage des Preises. Mit etwa 20 000 Euro Aufpreis im Vergleich zu einem "dummen" Haus müsse man schon rechnen, sagt Loxone-Geschäftsführer Keinberger. Darin seien aber die Lampen, die Multimedia-Anlage und die Alarmanlage schon enthalten. Für jede davon seien schnell 5000 Euro weg - so hoch sei also der Aufpreis gar nicht, und man erhalte viele Funktionen, die andere gar nicht liefern könnten. In jedem Loxone-Lichtschalter steckten zum Beispiel neben den Reglern für Musik und Lichtstimmung auch Fühler für Temperatur und Feuchtigkeit - Heizung und Klima ließen sich so erheblich besser regulieren.

Was viele aber noch vor dem Schritt zum vernetzten Heim zurückschrecken lässt, ist die Sorge, dass ein Teil des schlauen Hauses nicht richtig mit einem anderen zusammenspielt. Das haben mittlerweile viele Hersteller erkannt. Firmen wie das Start-up Smartfrog aus Berlin oder Coqon aus Bremen vertreiben aufeinander abgestimmte Geräte, bei denen sie garantieren, dass sie auch problemlos zusammenarbeiten.

Andere wie etwa der Elektronikhändler Conrad bieten eine Plattform an, die sich sozusagen als Vermittlerin zwischen Geräte schiebt, die sich eigentlich nicht verstehen. Das ist dann aber schon eher eine Sache für Dienstleister oder für Nutzer, die Spaß daran haben, sich in die Technik einzuarbeiten. Zudem läuft die Plattform in der Cloud, das heißt, die Sicherheitskameras, Heizkörperventile, Fenstersensoren und was man sonst noch miteinander verknüpfen kann, kommunizieren mit dem Internet. Das muss nicht, aber es kann sehr problematisch werden.

Wer seine Systeme nicht absichert, macht es Hackern leicht

Vor wenigen Wochen erst meldete die Sicherheitssparte Talos des Technologie-Unternehmens Cisco, man habe eine Reihe von Lücken in Samsungs Smart Things Hub entdeckt - jenem Gerät, das Samsung unter anderem zusammen mit Vodafone vertreibt, um das Zuhause sicherer zu machen. "Insgesamt fand Talos 20 Sicherheitslücken", heißt es in dem Bericht. Eindringlinge hätten sich über das Internet - zumindest theoretisch - Zugriff verschaffen können auf Überwachungskameras, smarte Türschlösser, Bewegungssensoren, Steckdosen oder Thermostate. Eine Horrorvorstellung.

Über Angriffe ist in diesem Fall nichts bekannt. Anders erlebten das 2016 dagegen 1,5 Millionen Besitzer von vernetzten Überwachungskameras und digitalen Videorekordern. Hacker hatten ihre Geräte gekapert und sie für eine breite Welle von Attacken auf Internetangebote benutzt. Hätte das verhindert werden können?

Für 50 Euro gibt es keine IT-Sicherheit

"Wenn ein Gerät 40 oder 50 Euro kostet, kann man nicht erwarten, dass da eine hochwertige IT-Sicherheit drinsteckt", sagt Uwe Kissmann. Der Schweizer leitet die Abteilung für Cybersicherheit des Beratungs- und Technologie-Dienstleisters Accenture für Europa, Afrika und Lateinamerika. Er sagt, in der IT-Sicherheitsbranche gebe es sehr viele Leute, die andauernd über die Verletzlichkeiten der Systeme redeten. "Das Wichtigste aber ist der potenzielle Schaden", sagt Kissmann.

In die meisten Systeme komme man irgendwie rein, sagt er, "die Frage ist, was steht in Gefahr?" Einen Kühlschrank auszuschalten, sei ärgerlich, aber meist nicht wirklich schlimm. Doch wenn Hacker physischen Zugang etwa zu einer Wasserleitung hätten, sei das schon etwas anderes. Und das ist keineswegs ausgeschlossen: "Sobald etwas mit externen Quellen verbunden ist, ist es nur eine Frage von Aufwand und Zeit, das zu hacken."

Vermutlich aber lohnt sich der Aufwand nicht, um in ein simples Einfamilienhaus einzudringen. Es sei denn, der Hausbesitzer macht es den Hackern leicht. Die Gefahr liegt also eher in unzureichend abgesicherten Systemen. Längst gibt es eine Art von Suchmaschinen, über die sich nicht oder schlecht gesicherte Geräte in vernetzten Häusern finden lassen. Was also tun?

Nutzer sollten die Basisregeln der IT-Sicherheit befolgen

"Ich würde es machen wie beim E-Banking", rät Kissmann: Das Girokonto könne man online verwalten, das Sparkonto lieber nicht. Übersetzt aufs Smart Home: "Alles, was hausinterner Sicherheit dient, würde ich nur über ein eigenes Netz, aber nicht übers Internet ansprechbar machen", sagt Kissmann.

Die meisten Angriffe könnten wahrscheinlich schon abgefangen werden, wenn die Nutzer wenigstens die Basisregeln der IT-Sicherheit befolgen. Also zum Beispiel die Standardpasswörter der Geräte ersetzen, am besten durch ein schwer knackbares, also langes Passwort mit ein paar Sonderzeichen wie ! oder §. Das sieht auch Bitkom-Präsident Berg so: "Wenn ich die Standardpasswörter ändere, ist es sehr schwer zu knacken", sagt er.

Doch dazu muss man erst einmal wissen, wie das geht. Wenn der Elektriker oder eine Bekannte das System eingerichtet hat, wird der oder die nicht andauernd Zeit und Lust haben, sich darum zu kümmern. Wer also spielt die Updates ein (wenn es denn überhaupt welche gibt)? Für den sicherheitstechnisch löchrigen Samsung Hub gibt es mittlerweile sogar eines - immerhin.

Eine Nachricht, wenn die Spülmaschine neue Tabs braucht - will man das?

Schließlich war auch klar geworden, welcher QR-Code auf der Verpackung gemeint war. Danach war es in der Tat kein Hexenwerk, über die App auf dem Smartphone weitere Geräte aus dem Starterpaket von Samsung und Vodafone hinzuzufügen. Ein batteriebetriebener Fenstersensor war dabei. Der kann mit einer Sirene kombiniert werden, die schrill piepst und blinkt, wenn das Fenster geöffnet wird.

Zieht man allerdings die Sirene aus der Steckdose, ist wieder Ruhe - einen Profi wird das wohl nicht abschrecken, Gelegenheitsdiebe aber vielleicht schon. Mit etwas Glück kann man der Polizei aber dann vielleicht Videoaufnahmen der mutmaßlichen Täter übergeben. Die im Paket mitgelieferte Kamera zeichnet in recht ordentlicher Qualität auf, mithilfe von Infrarot-Leuchtdioden auch nachts.

Ob man dagegen per Smartphone-App informiert werden will, wenn die Spülmaschine neue Tabs braucht - mit dieser Idee wirbt der Energieversorger Innogy um Entwickler für seine Smart-Home-Sparte -, das ist wiederum eine ganz andere Frage.

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