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Regulierung und Milliardenstrafe:Wovor sich Facebook fürchten muss

  • Facebook verkündet nach dem Datenskandal ausgezeichnete Zahlen.
  • Der US-Kongress diskutiert derweil über milde Regulierung.
  • Die Handelsbehörde FTC muss über eine mögliche Milliardenstrafe entscheiden.
  • Facebook hat zudem Ärger mit Konservativen, die ihre Meinungsfreiheit in Gefahr sehen.

Von Johannes Kuhn, Austin

"Wir müssen voranschreiten", erklärte Facebook-Chef Mark Zuckerberg Analysten, als er die äußerst positiven Zahlen seines Konzerns am Mittwoch vorstellte. Das Werbegeschäft brummt, schlechte Presse und verärgerte Politiker im Zuge des Cambridge-Analytica-Skandals können der Firma derzeit nichts anhaben.

Gut zwei Wochen, nachdem der US-Kongress Zuckerberg anhörte, wird nun auch klarer, was Facebook in seinem Heimatland zu erwarten hat - und was nicht. Ein Überblick.

Das Wahlwerbe-Gesetz

Ein Gesetzesentwurf soll soziale Netzwerke verpflichten, politische Werbung zu kennzeichnen und transparent zu machen, wer die Anzeigen geschaltet hat. Dies ist für Medien wie Radio, Fernsehen und Print schon lange üblich. Facebook und Twitter unterstützen den Vorschlag. Der Entwurf hat nichts mit den Datenabfluss-Enthüllungen zu tun, sondern ist eine Reaktion darauf, dass ausländische Akteure versuchten, die US-Wahl 2016 mittels digitaler Desinformation und Propaganda zu beeinflussen.

Prognose: Das Gesetz birgt für die Firmen kaum Nachteile. Vielmehr signalisieren sie damit, dass sie die Probleme ernst nehmen, ohne große Einschränkungen ihres Geschäftsmodells fürchten zu müssen. Weil der Entwurf nur bestehende Regulierungen im digitalen Bereich anwendet, hat er mittelfristig ordentliche Aussichten, verabschiedet zu werden.

Der Verbraucherschutz-Entwurf

Ein Senatoren-Duo aus beiden Parteien hat in dieser Woche einen Gesetzentwurf zum Verbraucherschutz in sozialen Netzwerken vorgestellt. Er sieht vor, dass soziale Netzwerke Nutzer binnen 72 Stunden informieren müssen, wenn deren Daten an Dritte abgeflossen sind. Außerdem sollen sie Datenschutz-Bestimmungen in verständlicher Sprache verfassen und Nutzern die Daten aushändigen müssen, die über sie gespeichert werden.

Dies sind alles Forderungen, die Zuckerberg in den Anhörungen unterstützte oder Facebook bereits umsetzt. Im Falle der Daten-Aushändigung ist jedoch unklar, ob Facebook mit seinem Download-Werkzeug die Forderung bereits erfüllt. Möglicherweise bezieht sich die Formulierung "verarbeitete Daten" auch auf Analysen, die im Hintergrund erstellt werden, etwa Zielgruppen-Zuordnung oder Tracking-Daten, die außerhalb des Netzwerks gesammelt wurden. Bislang können Nutzer diese Informationen nicht einsehen oder herunterladen.

Prognose: Der Entwurf ist noch in einer frühen Phase, sein Schicksal völlig offen. In seiner aktuellen Form wäre er für Facebook kein größerer Grund zur Beunruhigung.

FTC-Ermittlungen

In der kommenden Woche soll der Senat die neue fünfköpfige Kommission der Handelsbehörde Federal Trade Commission (FTC) absegnen, die dann erstmals seit Monaten wieder arbeitsfähig wäre. Weil sie auch für einige Datenschutz-Aspekte verantwortlich ist, hat sie eine wichtige Entscheidung zu treffen: 2011 hatte sich Facebook gegenüber der FTC verpflichtet, Nutzer zu informieren und sie explizit um Einwilligung zu bitten, wenn Daten jenseits der eigenen Privatsphäre-Einstellungen geteilt werden.

Sollte die FTC die Cambridge-Analytica-Affäre als Verstoß gegen diese Abmachung werten, kann sie eine Strafe von bis zu 40 000 Dollar pro Fall verhängen - das wären mehrere Billionen Dollar, legt man die mehr als 70 Millionen betroffenen US-Amerikaner zugrunde.

William Kovacic, Jura-Professor an der George Washington University und bis 2011 FTC-Kommissar, bezeichnete im Time-Magazin die damalige Einigung als "Pionier-Politik". Die Behörde habe seinerzeit signalisieren wollen, dass sie Datenschutz-Verstöße ernst nehme. Entsprechend könne die FTC nun nicht einfach Milde walten lassen und damit signalisieren, dass eingerammte Grenzpflöcke nichts zählen. "Schwer vorstellbar, dass die Kommission aus der Sache ohne eine Menge Nullen rausgeht", erklärte er.

Auch die Politik fordert ein Eingreifen: Richard Blumenthal, demokratischer Senator aus Connecticut, rief die FTC in einem Brief auf, hart gegen Facebook vorzugehen: "Trotz Mark Zuckerbergs jüngster Entschuldigungstour zeigt Facebooks Geschichte von Sorgfaltspflicht-Missachtungen, dass man der Firma nicht mehr vertrauen kann, sich selbst zu regulieren."

Prognose: Die FTC steht unter Druck, den Datenskandal zu ahnden. Die Strafe könnte für Facebook schmerzhaft ausfallen. Angesichts der Tatsache, dass Facebook allein in der ersten drei Monaten dieses Jahres fünf Milliarden Dollar verdient hat, könnte das Unternehmen aber selbst eine Milliardenstrafe verkraften.

Gute Zahlen und eine offene Frage

Ein leichter Nutzerzuwachs in allen Kontinenten auf insgesamt mehr als 2,2 Milliarden monatlicher Nutzer, ein Gewinn von fünf Milliarden US-Dollar im ersten Quartal 2018: Facebooks Geschäft brummt, und der Aktienkurs legte deutlich zu, nachdem er in der Datenaffäre zwischenzeitlich 18 Prozent verloren hatte.

Wie intensiv die Nutzer die Facebook-Apps nutzen, bleibt aber seit längerem unklar. Der Konzern verzichtete darauf, die Veränderung der Verweildauer von Nutzern auszuweisen. Diese war Ende vergangenen Jahres rückläufig gewesen. Facebook selbst hatte einen Rückgang erwartet, nachdem die Firma im Newsfeed seit diesem Jahr wieder Beiträge von Freunden und Bekannten statt Inhalten von Facebook-Seiten oder Medien bevorzugt.

Facebook erklärte bei der Vorstellung der Quartalszahlen, dass man durch die Europäische Datenschutzverordnung auch mit stagnierenden Nutzerzahlen in Europa rechne.

Die Machtfrage

Die FTC ist auch für die Frage zuständig, ob Facebook mit seinen Tochterfirmen Whatsapp und Instagram eine zu große Marktmacht innehält. Allerdings hat auch das Justizministerium eine entsprechende Kartellabteilung, und beide Institutionen arbeiten eher gegen- als miteinander. Das könnte einer Regulierung im Wege stehen.

Zudem zeigte sich die FTC oft handzahm, wenn es um Zukäufe oder Kartellfragen in der Technologie-Branche ging: 2013 kam die FTC-Abteilung für Wettbewerbsrecht wie die Europäische Union zu dem Schluss, dass Google seine Marktmacht bei der Websuche missbraucht, riet aber dennoch von einer Kartellklage ab. Viele Beobachter bringen die damalige Entscheidung mit dem engen Verhältnis zwischen Google und der Regierung Barack Obamas in Verbindung.

Die Zurückhaltung amerikanischer Kartell-Wächter hat auch mit einem lange zurückliegenden Paradigmenwechsel zu tun. Seit den 80er-Jahren greifen Behörden nur bei einem direkten oder absehbaren Schaden für den Konsumenten ein, vor allem bei höheren Preisen - Facebook, Google und Co. sind aber kostenlos. Nach dem Datenskandal machen zahlreiche Aktivisten Druck, die Frage nach "Big Data"-Marktmacht im Kartellrecht zu berücksichtigen und hier sogar eine neue Behörde zu gründen. FTC und Justizministerium haben sich zuletzt offen für neue Ansätze gezeigt.

Prognose: Ein kartellrechtlicher Paradigmenwechsel in den USA ist nicht ausgeschlossen, doch die wissenschaftliche Diskussion steht noch am Anfang. Lobbyarbeit und Wahlkampfspenden an Parteien und Politiker sind dabei Faktoren, die dabei konkrete politische Schritte beeinflussen oder verhindern könnten.

Die Kritik der Konservativen

Schon in den Anhörungen wollten republikanische Politiker immer wieder von Zuckerberg wissen: "Diskriminiert Facebook konservative Meinungen?" Die Konservativen verdächtigen Facebook und Google (mit Youtube), Botschaften der politischen Rechten zu unterdrücken und das mit Maßnahmen gegen Hassbotschaften und Falschnachrichten zu begründen. "Sie sind ganz klar Demokraten, und was wir erleben ist, dass sie Meinungen verstärken, denen sie zustimmen - die von liberalen Demokraten", sagte Ted Cruz dem Radiosender des Portals Breitbart. Derzeit findet zu dem Thema eine Anhörung im Senat statt.

Hinter dem Vorwurf, der die Situation überzeichnet darstellt, verbirgt sich auch eine Regulierungsfrage: Facebook und Youtube werden wie Plattformen, nicht wie Medienfirmen behandelt. Dadurch haften sie nicht für die Inhalte der Nutzer. Sobald sie aber eingreifen und Konten sperren oder Inhalte entfernen, bewegen sie sich in den USA in einem Grenzbereich.

Die Republikaner haben nichts dagegen, dass Videos des "Islamischen Staates" gelöscht werden. Allerdings sind sie aufgeschreckt, als extreme Botschaften konservativer bis rechtsradikaler Youtuber und anderer Social-Media-Figuren gesperrt wurden. In diesem Fall halten sie die Verfassung in die Höhe, die Meinungsfreiheit sehr weitreichend auslegt. Die Progressiven hingegen fordern die Plattformen häufig auf, "Hassinhalte" konsequenter zu löschen und verweisen auf die Nutzungsbedingungen.

Im Hintergrund ist die Debatte also ein Kampf um das Sagbare, dem die Plattformen als größte Megafone der Welt kaum entkommen können. Der texanische Senator Cruz hat bereits eine Zerschlagung der Tech-Konzerne ins Spiel gebracht.

Prognose: Langfristig könnte Facebook von den Republikanern das größte Ungemach drohen.

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