Süddeutsche Zeitung

Regierungspläne zum IT-Gipfel:"Nie mehr Spam"

Das Innenministerium will ein neues E-Mail-System einführen - aus Sicherheits- und Kostengründen. Dem Chaos Computer Club kommen bei diesen Plänen die Lachtränen.

E. Jung

Wenn sich an diesem Donnerstag die IT-Branche in Darmstadt zu einem Gipfel trifft, sind die Erwartungen an die Bundesregierung hoch. Dann nämlich wird sich zeigen, wie weit sie ihr hehres Ziel verwirklichen konnte - die Digitalisierung von Verwaltung und Behörden. Bürgerfreundlicher soll alles werden, schneller und effizienter.

Schon jetzt nutzen 68 Prozent der Deutschen das Internet, die meisten täglich. Sie bezahlen Rechnungen, buchen Urlaube, lernen sich kennen. Die Behörden hinken den Bürgern in Sachen Internet-Affinität da meist hinterher. Zwar konnte sich Deutschland laut einer Studie der EU-Kommission im internationalen E-Government-Ranking im vergangenen Jahr unter die Top Ten vorschieben - nach Platz 18 im Jahr 2006. Noch immer aber sind Behördengänge oft unvermeidlich, müssen Anträge schriftlich und auf dem Postweg gemacht werden.

Vom kommenden Jahr an soll sich das ändern. Das Bundesinnenministerium will ein E-Mail-System, mit dem Bürger rechtsverbindlich Dokumente mit Ämtern, Web-Shops oder Banken austauschen können sollen.

Eine Speicherfunktion soll den Nutzern zudem erlauben, digitale Dokumente und elektronische Rechnungen verschlüsselt und authentifizierbar aufzuheben. De-Mail heißt dieses Verfahren und soll laut Ulrich Dietz, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), Behörden, Wirtschaft und Bürgern Zeit und Geld sparen.

"Rechtsverbindliche Kommunikation"

"E-Mails sind weit verbreitet, aber in der überwiegend genutzten Form nicht geeignet für vertrauliche, rechtsverbindliche Kommunikation", sagt Dietz. Zwar könnten Bürger und Unternehmen elektronische Formulare herunterladen und ausdrucken oder - eher selten - online bearbeiten und elektronisch an die Verwaltung zurücksenden. Es fehle jedoch die Möglichkeit, ein Verfahren mit der Behörde vollelektronisch abzuschließen. "Diese Lücke kann mit De-Mail geschlossen werden", sagt Dietz.

Um teilnehmen zu können, muss sich ein Nutzer zunächst zweifelsfrei identifizieren lassen. In Zukunft soll das beispielsweise auch über den elektronischen Personalausweis möglich sein. Aus der Wirtschaft sollen nach Angaben der Bitkom unter anderem GMX/Web.de und T-Online bei dem Projekt mit dabei sein, aber auch die Deutsche Post, Deutsche Bahn, Sparkassen und Volksbanken sowie Microsoft. Unternehmen müssen sich aber zunächst einer Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterziehen, ehe sie an dem De-Mail-Dienst teilhaben können.

"Der Dienst ist freiwillig und dezentral organisiert", sagt Martin Schallbruch, IT-Direktor des Bundesinnenministeriums. Die Finanzierung soll über ein sogenanntes e-Porto erfolgen - vergleichbar einer virtuellen Briefmarke.

Denkbar sei auch, dass die Internet-Provider De-Mail als sogenannten kostenpflichtigen Premium-Dienst anbieten, sagt Heike Stach, Projektleiterin im Bundesinnenministerium. Die Provider selbst halten sich bedeckt, in welcher Form sie künftig De-Mails anbieten wollen.

Die Kosten für das Projekt tragen die Provider und der Bund, dessen Anteil sich aus Mitteln des Bildungsministeriums für die "Hightech-Strategie für Deutschland" speist, die im August 2006 verabschiedet wurde.

Noch ist nicht sicher, ob es De-Mails tatsächlich wie geplant von 2010 an geben wird. Das Gesetzgebungsverfahren dazu läuft noch. Die Bundesregierung ist jedoch zuversichtlich, dass es bis spätestens Mitte 2009 abgeschlossen ist.

In Berlin rechnet man jedenfalls jetzt schon mit einem großen Erfolg. Datenschützer sind da skeptischer. Vor allem die Sicherheit der neuen De-Mails bereitet ihnen Sorge. Denn zum Einsatz kommen soll dabei das herkömmliche SSL-Verschlüsselungsverfahren, das auch überwiegend beim Online-Banking verwendet wird und nicht als völlig wasserdicht gilt.

Unklar ist auch die rechtliche Lage, da noch keine Zweifelsfälle einem Gericht vorgelegt worden, welche Beweiskraft eine solche Mail hat. "Wir befürchten, dass ähnlich wie bei EC-Karten dem Bürger pauschal die Beweislast im Missbrauchsfall auferlegt wird", sagt Frank Rosengart vom Chaos Computer Club.

Ulrich Dietz vom Bitkom ficht das alles nicht an. "Die Sicherheit hat höchste Priorität", sagt er. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnologie prüfe nach weltweit anerkannten Sicherheitsstandards und habe einen hervorragenden Ruf. "Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit der De-Mail." BMI-IT-Direktor Schallbruch geht sogar noch weiter, wenn er sagt: "Über die De-Mail wird es keine unerwünschten Spams mehr geben", da jeder Kommunikationspartner zweifelsfrei identifizierbar sei und das massenhafte anonyme Versenden von Mails dadurch erschwert werde.

Nach Meinung von Datenschützern ist es allerdings kaum vorstellbar, dass die Bundesregierung mit De-Mail ein absolut sicheres System hat entwickeln lassen. In der Vergangenheit sei noch jedes System, jeder Code geknackt worden, heißt es.

So ist es kaum verwunderlich, dass Regierung, Provider und Unternehmen leise Töne anschlagen, wenn die Diskussion auf den Sicherheitsaspekt zu sprechen kommt. Stattdessen wuchern sie lieber mit ihrem Lieblingsargument pro De-Mail: der Kostenersparnis. Laut Angaben des Bundesinnenministeriums werden Wirtschaft, Verwaltung und Bürger jährlich zwischen einer und 1,4 Milliarden Euro Kosten für Porto und Abwicklung sparen.

Vorausgesetzt, es finden sich genügend, die mitmachen. Denn vor dem Hintergrund von Schäubles Plänen, im Rahmen von Online-Durchsuchungen, den Bundestrojaner mittels getürkter Behördenmails ins Netz einzuspeisen, wird die Skepsis in der Bevölkerung groß sein. "Da können einem eigentlich nur die (Lach-)Tränen kommen", sagt Rosengart.

Und selbst De-Mail-Fürsprecher Schallbruch ist bei dieser Prognose vorsichtig: "Bis sich De-Mail wirklich durchgesetzt hat, werden sicher noch einige Jahre vergehen."

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