Süddeutsche Zeitung

Recycling:Neue Jobs für alte Handys

Viel zu schade für die Tonne: Mit alten Smartphones oder Tablets lässt sich einiges anstellen. Als Überwachungskamera, Wecker oder Rauchmelder leisten ausgemusterte Geräte noch gute Dienste.

Von Thorsten Riedl

Endlich lagen sie unterm Baum: das neue Smartphone, das Tablet der jüngsten Generation. Klar, die Alten hätten es noch eine Weile getan. Aber die bessere Batterie, der schärfere Bildschirm, der schnellere Prozessor - es finden sich immer Argumente, die für die Neuen sprechen. Doch wohin mit den Altgeräten? In die Mülltonne auf keinen Fall. Zu viele wertvolle Ressourcen sind verbaut. In die Schublade? Da liegen schon genug alte Handys - die einen langsamen Tod sterben. Bald wird ihr Akku nicht mehr funktionieren. Woran die wenigsten denken: Die Technik von gestern lässt sich durchaus noch sinnvoll nutzen, zur Steuerung des smarten Heims etwa oder als Überwachungskamera. Eine Ideensammlung.

Elektronik gehört zu den beliebtesten Weihnachtsgeschenken. Laut Branchenverband Bitkom hat die Hälfte der Deutschen dieses Jahr zu Weihnachten Hightech verschenkt. Fünf Prozent der Befragten legten der Studie zufolge ein Smartphone unter den Weihnachtsbaum - 30 Prozent planten sogar, sich selbst mit einem besseren Alleskönnerhandy zu beschenken. Tablets wollten sechs Prozent für andere kaufen und sogar 22 Prozent für sich besorgen.

Mit kostenlosen Apps zur Überwachungskameras

Ein neues Gerät ist schnell gekauft. Das alte zu entsorgen, verlangt mehr Gehirnschmalz. Viele unterschätzen, was ein Verkauf bringt . Es gibt aber auch jede Menge andere Möglichkeiten, die Alten clever zu recyceln.

Ideen gibt es fast so viele, wie es Programme in den App-Stores gibt. Wenn das Smartphone für das heißeste Spiel oder die neue Trend-App zu langsam geworden ist, bedeutet das ja noch lange nicht, dass altbewährte Programme auch ruckeln. Manche Apps sind sogar speziell für ältere Geräte ausgelegt. Das funktioniert - solange das Betriebssystem des Smartphones oder Tablets mitspielt. Viele können ein Lied davon singen, wie ein Software-Update das Gerät langsamer gemacht hat.

Ein Schelm, wer dem Hersteller Absicht unterstellt, um den Absatz anzukurbeln. Zwei Auswege: die automatische Erneuerung der Systemsoftware abzustellen - was sich aus Sicherheitsgründen nicht besonders empfiehlt. Oder aber man spielt eine spezielle Version des Systems auf, ein sogenanntes Custom ROM. Android-Handys laufen damit oft besser als mit den aufgeblähten Versionen der Hersteller. Ganz einfach ist die Sache allerdings nicht.

Zwei gute Programme, die sich speziell für Altgeräte anbieten, heißen Presence und Manything. Beide Apps verwandeln alte Smartphones oder Tablets mit iOS von Apple oder Android-System von Google-Geräten in Überwachungssysteme. In ihren Basisversionen kosten beide nichts. Schon dann sind die Programme mächtiger als viele Überwachungskameras für mehrere Hundert Euro. Sie erkennen beispielsweise Bewegungen, starten dann die Aufnahme und alarmieren den Besitzer, der über das Internet das Bild kontrolliert.

In Kombination mit dem Webservice IFTTT (If this then that) können sie sogar noch mehr: So startet die Überwachung automatisch, sobald der Bewohner das Haus mit seinem neuen Handy verlässt - und stoppt, wenn er wieder nach Hause kommt. Ziemlich praktisch.

Sehr intelligent auch die App Smokey von Cleverloop: Sie wirbt ebenso damit, perfekt auf ausrangierter Hardware zu laufen. Das Programm macht jeden Rauchmelder zu einem smarten Alarmgeber. Über das Mikrofon des Altgerätes analysiert Smokey die Geräusche im leeren Heim - und sendet eine Mail, sobald die Sirene des Rauchmelders losgeht. Viele andere Programme bieten sich so für die Heimsteuerung an: Die Peel Smart Remote etwa will alle Fernbedienungen und die TV-Zeitschrift ersetzen. Es gibt noch Dutzende andere Fernbedienungs-Apps. Wer schon Smart-Home-Geräte in seinem Heim einsetzt, kann das alte Tablet an die Wand montieren - und als Steuerzentrale dafür nutzen.

Zu Hause dient das alte Smartphone zudem perfekt als Wecker. Mit einer App wie Sleep as Android für das Google-System oder Sleep Cycle für iOS und Android ertönt der Alarm in einem Zeitfenster, in dem man schon fast wach ist. Das Smartphone nutzt dafür seinen Bewegungssensor und überprüft, wie unruhig der Schläfer gerade ist. Dieser wacht ausgeruhter auf, was manchmal sogar klappt. Im Bad zeigt das Alte als überdimensionierte Smartwatch nicht nur die Zeit an, sondern auch das Wetter, neueste Nachrichten oder die Verkehrslage auf dem Weg zur Arbeit. Nähert sich der Akku schon seinem Ende, hilft ein Netzstecker oder - komfortabler - eine Dockingstation, vielleicht sogar mit Lautsprecher. Dann wird das Altgerät zum Radio oder zur Sound-Anlage.

Unterwegs im Auto unterhält das alte Tablet die Kinder mit Musik oder Filmen. Oder es dient als Navi. Karten lassen sich beispielsweise über Google Maps auf das Gerät herunterladen, so ist keine Mobilfunkverbindung nötig. Wer Wert auf Verkehrsinformationen wie Staus legt, braucht dann doch eine Internetverbindung: Mobilfunkkarten mit einigen Hundert Megabyte Datenvolumen sind aber schon für wenige Euro monatlich zu bekommen. Dann kann das Alt-Phone sogar als Notfall-Telefon dienen.

Wem das alles zu eigennützig ist: der spendiert das Smartphone oder Tablet der älteren Generation der jüngeren Generation, den Kindern. Ab Android Version 4.3 lassen sich Profile einstellen, mit denen sich auch steuern lässt, welcher Benutzer was darf. Bei kleineren Kindern kann zum Beispiel der Webbrowser deaktiviert werden. Dazu gibt es jede Menge kinderfreundlicher Apps oder für Android auch Launcher-Startprogramme, die bunt aussehen, kinderfreundlich und einfach zu bedienen sind.

Darf's noch etwas philanthropischer sein? Mit Programmen wie Boinc der Berkeley's Space Sciences Laboratory oder Power To Give von HTC kann Rechenzeit von Smartphone oder Tablet für wissenschaftliche Projekte gespendet werden, beides bislang leider nur für Android. Das Alte hilft dann bei einem Vorhaben etwa, das menschliche Hirn nachzubilden - oder große Primzahlen zu suchen.

Auch ein Verkauf lohnt sich oft

Hightech von gestern ist viel zu schade für die Schublade oder die Tonne. Wer sein Gerät nicht weiterverwenden will, sollte über einen Verkauf nachdenken. Viele unterschätzen, was das bringt. Der Wertverfall bei Apple-Smartphones oder -Tablets beispielsweise ist nicht mehr so gering wie früher, aber immer noch langsamer als bei Geräten von anderen Herstellern. Wer einen ersten Eindruck gewinnen möchte, was das Alte einbringt, schaut auf bidvoy.net. Diese Webseite überwacht Auktionen bei eBay und zeigt einen Preisverlauf der jüngeren Vergangenheit an. Ein iPhone 6S aus dem Jahr 2015 bringt demnach noch deutlich mehr als 450 Euro. Ein iPhone 4S - fünf Jahre alt - erlöst immerhin noch 65 Euro, ein Samsung Galaxy S2 aus demselben Jahr knapp unter 50 Euro. Als Verkaufsplattform mit großer Reichweite eignen sich eBay oder der Amazon Marketplace, beide vor allem für neuere Technik. Mit Verkaufsprovisionen von teils mehr als zehn Prozent langen beide aber ordentlich zu. Auf Plattformen wie eBay Kleinanzeigen, Quoka oder Stuffle kosten Annoncen nichts. Hier finden auch ältere Geräte noch Liebhaber, manches Mal allerdings zum "letzten Preis". Am einfachsten läuft der Verkauf über Ankaufsplattformen wie Rebuy, Flip4New oder Wirkaufens. Gekauft wird, was noch gefragt ist: Das iPhone 4S bringt bei Rebuy mehr als 40 Euro, das S2 etwas weniger. Vorteil: Dort lässt sich vorab der ungefähre Preis ermitteln. Dann wird das Gerät portofrei eingeschickt, geprüft - und das Geld fließt aufs Konto. Wenn es selbst dort keiner will: Auf dem Flohmarkt findet sich bestimmt jemand. Falls auch das nicht klappt, das Handy zum Recyceln abgeben, das ist immer noch besser als die Tonne. Thorsten Riedl

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Quelle:
SZ vom 04.01.2017/mri
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