Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus und Internet:Gefahr von rechts

Ob auf Videoplattformen wie YouTube oder bei Diensten wie Twitter - immer stärker nutzen Rechtsextreme die Möglichkeiten des Internets, um ihre Propaganda zu verbreiten.

Jan Bielicki

Der User, der sich "Deutschlandfunk1" nennt, mag die Prélude in a-Moll von Johann Sebastian Bach. Er hat sie ins Videoportal Youtube gestellt. Was er dort sonst noch hochgeladen hat, ist deutlich weniger harmlos. Es sind rassistische und antisemitische Lieder der rechtsextremen Hassband "Zillertaler Türkenjäger", darunter solche, deren öffentliche Verbreitung die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien längst verboten hat.

Ob in Videoplattformen wie Youtube, in sozialen Netzwerken wie Facebook oder in Diensten wie Twitter - immer stärker nutzen Rechtsextremisten alle Möglichkeiten des Internets, um ihre Propaganda zu verbreiten. 1872 rechtsextreme Websites zählte die Zentralstelle der Länder für Jugendschutz, jugendschutz.net, im vergangenen Jahr, so viele wie nie zuvor.

Gerade auf den Plattformen und Netzwerken des Web 2.0, in denen meist jugendliche Nutzer Videos, Bilder und Texte hochladen, "können die Extremisten ihre Hass-Botschaften leichter und schneller verbreiten", sagt Michael Wörner-Schappert, Rechtsextremismusexperte bei "jugendschutz.net". Und die Szene nutzt das. Allein 93 Netz-Communities von Neonazis verzeichnen die Jugendschützer in ihrem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht, dreimal so viele wie ein Jahr zuvor. Vor allem rechte Kameradschaften und autonome Nationalisten zielen mit Blogs, Onlineradios und rasant geschnittenen Videos überall im Netz auf ein jugendliches Publikum.

Um die Verbreitung verbotener Propaganda einzuschränken, setzen die Jugendschützer auf die Zusammenarbeit mit den Providern. Im Inland hat dieses Vorgehen Erfolg. Rund 95 Prozent der monierten Inhalte wurden gelöscht oder verändert, nachdem sich Jugendschützer eingeschaltet hatten. Die Erfolgsquote sinkt, wenn die Server im Ausland stehen. Doch schloss auch das US-Netzwerk Ning auf Betreiben der Deutschen 35 neonazistische Hass-Communities. Auch Youtube hat rund 2500 rechtsextreme Videos gelöscht. Bei Facebook, so bemängeln die Jugendschützer, funktioniere das Löschen solcher Inhalte nur für das Inland, in anderen Ländern blieben sie oft im Netz. Die Betreiber sollten "Hass künftig effektiver auch international von ihren Plattformen verbannen", fordert "jugendschutz.net".

Bisher nur schwer verhindern lässt sich in den Netzwerken des Web 2.0, dass die Botschaften der Rechten so schnell wieder online sind, wie sie gelöscht werden. Schließlich können User wie "Deutschlandfunk1" Videos und Texte einfach unter anderem Namen wieder hochladen. "Die Industrie muss Lösungen anbieten, um den erneuten Upload von einmal gelöschten Inhalten zu verhindern", sagt Wörner-Schappert. Im übrigen lasse sich Rechtsextremismus im Netz nur gemeinsam bekämpfen, appelliert der Jugendschützer: "Jeder ist aufgerufen, aktiv gegen solche Inhalte einzuschreiten und sie zu melden."

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SZ vom 25.08.2010/jado
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