Razzia wegen Bundestrojaner:Bedingt abhörbereit

Hat Bayern den Bundestrojaner bereits illegal eingesetzt? Die Piratenpartei hatte einen Brief veröffentlicht, der das nahelegt. Jetzt durchsuchte die Polizei die Wohnung des Pressesprechers.

Mirjam Hauck

Was kostet es, einen Bundestrojaner in den Computer eines Verdächtigen einzuschleusen? Zumindest die Preise der bayerischen Variante sind bekannt. Im Januar 2008 veröffentlichte die Piratenpartei auf ihrer Website ein Schreiben des bayerischen Justizministeriums.

Razzia wegen Bundestrojaner: Mittels Hausdurchsuchung will die Staatsanwaltschaft München den Informanten der Piratenpartei ermitteln.

Mittels Hausdurchsuchung will die Staatsanwaltschaft München den Informanten der Piratenpartei ermitteln.

(Foto: Foto: dpa)

Darin teilen die Beamten den Generalstaatsanwälten in München, Nürnberg und Bamberg unter anderem mit, dass die umstrittene Schnüffelsoftware bereits für 3500 Euro im Monat einsatzbereit sei. Der Brief ist der Piratenpartei nach deren Angaben von einem Informanten zugespielt worden.

Die Veröffentlichung des Schreibens hatte für die kleine Partei, die sich für einen freien Wissensaustausch, für besseren Datenschutz und ein neues Urheberrecht einsetzt, schwerwiegende Folgen. Vergangene Woche durchsuchten bayerische Beamte die Münchner Wohnung des Pressesprechers Ralph Hunderlach und beschlagnahmten dessen Computer, um die Identität des Informanten zu ermitteln.

Die Münchner Staatsanwaltschaft begründet den Durchsuchungsbeschluss damit, dass mit der Veröffentlichung des vertraulichen Schreibens das Dienstgeheimnis verletzt und die Arbeit der Ermittlungsbehörden behindert worden sei.

Umstrittene Spionagesoftware

Das Schriftstück des Justizministeriums, das die Piratenpartei ins Netz gestellt hatte, ist auf den Dezember 2007 datiert. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Einsatz eines Trojaners illegal. Erst im Juli 2008 hat der CSU-geführte bayerische Landtag ein Polizeigesetz beschlossen, das das Ausspähen von Computern erlaubt.

Der Bund ist bislang noch nicht so weit. Nachdem im Februar das Bundesverfassungsgericht das nordrhein-westfälische Gesetz zum Trojanereinsatz für verfassungswidrig erklärt hatte, berät der Innenausschuss derzeit noch das neue BKA-Gesetz, das Regelungen zur umstrittenen Verwendung der staatlichen Spionagesoftware enthalten soll.

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Bedingt abhörbereit

"Das Vorgehen der Münchner Staatsanwaltschaft kann man nur als Repression unserer politischen Arbeit verstehen", sagt Jens Seipenbusch, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei. "Einige unserer Staatsdiener möchten den Überwachungsstaat wohl zu gerne ohne Wissen der Bevölkerung installieren." Die Münchner Staatsanwaltschaft will sich zur Hausdurchsuchung nicht äußern. "Zu laufenden Ermittlungsverfahren geben wir keine Stellungnahme ab", sagt deren Sprecher, Oberstaatsanwalt Anton E. Winkler.

Welche Folgen die polizeiliche Maßnahme der Staatsanwaltschaft für die Partei und ihren Informanten hat, ist somit noch unklar. Anders als Journalisten genießen Organisationen wie Parteien keinen Informantenschutz. Erst 2007, zur Cicero-Affäre, hatte das Bundesverfassungsgericht den Schutz der im Grundgesetz garantierten Pressefreiheit gestärkt: Durchsuchungen bei Journalisten sind dann unzulässig, wenn sie allein dazu dienen, die Identität eines Informanten zu ermitteln.

Das Monatsmagazin Cicero hatte 2005 einen Artikel veröffentlicht, der ausführlich aus einem Bericht des Bundeskriminalamtes zitiert. Daraufhin wurden die Potsdamer Redaktionsräume und die Wohnung des Autors des Artikels durchsucht, Datenträger sichergestellt und eine Kopie der Computerfestplatte angelegt.

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