Süddeutsche Zeitung

Quit-Facebook-Day:Klick zum Abschied leise "Gefällt mir"

Mehr als 26.000 Nutzer wollen ihr Facebook-Konto löschen. Doch weil der Protest gegen die Datenschutz-Politik des Unternehmens wenig ausrichten dürfte, werden bereits andere Strategien diskutiert.

Johannes Kuhn

Im Minutentakt gehen auf www.quitfacebook.com neue Kommentare ein: "Nach diesem Posting verlasse ich Facebook", schreibt Alejandro, "es hilft mir zwar, alte Freunde zu treffen, aber die Menschen vergessen, 'Hallo' zu den Menschen neben ihnen zu sagen." Ein anderer Nutzer hingegen schimpft "Ihr seid verbittert, weil Facebook nun in aller Welt bekannt ist. Neidisch, was?"

Es ist der Quit-Facebook-Day, der die Gemüter erregt: Von den beiden kanadischen Webdesignern Joseph Dee und Matthew Milan für den 31. Mai ins Leben gerufen, soll der Tag zu einem Symbol für die Unzufriedenheit mit Facebook werden. Mehr als 26.000 Menschen haben dort bislang erklärt, am Montag ihr Facebook-Konto löschen zu wollen - Informationsvideos auf der Seite zeigen, wie dies funktioniert.

Der Tag soll den Höhepunkt der Kritikwelle bilden, die dem kalifornischen Unternehmen entgegen schlägt, seitdem es im April seine Privatsphären-Grundeinstellungen einmal mehr aufgeweicht hatte und sich damit die Kritik von Nutzern und Bürgerrechtsgruppen zuzog. Allerdings hatte Facebook-Chef Mark Zuckerberg in der vergangenen Woche erstmals Konzessionen gemacht und die Vereinfachung der Privatsphären-Einstellungen angekündigt.

"NIcht darauf angelegt, den Nutzern zuzuhören"

Die Kritik der Quit-Facebook-Day-Macher geht allerdings über die Frage nach der Kontrolle über die eigenen Daten hinaus: "Die Art und Weise, wie Facebook die Zukunft des Internet gestalten will und sich zum Anbieter unserer Online-Identität aufspielt, passt mir nicht", erläutert Dee im Gespräch mit dem SZ-Jugendportal jetzt.de seine Beweggründe, "Dass sie ihren Nutzern sagen wollen, was am besten für sie ist. Zwar reagieren sie jetzt auf ihre Kritiker, aber nur notgedrungen. Die Unternehmenskultur ist nicht darauf angelegt, den Nutzern zuzuhören."

Dass in die Nische des mitfühlenden Sozialen Netzwerks nun unbekannte Plattformen stoßen möchten, zeigt sich bereits bei einem Blick in die Kommentare der Austrittsseite: Diese werden zum großen Teil für werbliche Kommentare für kleine Konkurrenzportale genutzt. Derzeit sorgen auch vier New Yorker Studenten für Schlagzeilen, die für die Verwirklichung des datenschutzkonformen Facebook-Konkurrenten Diaspora innerhalb weniger Wochen fast 200.000 Dollar einsammeln konnten.

Einer der Spender ist ausgerechnet Facebook-Chef Zuckerberg, der Diaspora als "coole Idee" bezeichnete. Es ist nicht die einzige Ironie in der aktuellen Debatte: So werben die Erfinder des Facebook-Ausstiegstags ausgerechnet mit einer eigenen Facebook-Gruppe für den Austritt. Mehr als 6100 Personen haben bereits den "Gefällt mir"-Button angeklickt - ob sie sich allesamt bis Dienstag von der Plattform abgemeldet haben werden, ist durchaus zu bezweifeln.

"Werdet zu Klickmaschinen"

Weil die 26.000 Facebook-Flüchtigen im Vergleich zu den mehr als 400 Millionen Nutzern einen verschwindend geringen Anteil bilden, schlägt der US-Künstler Sean Dockray in seinem "Manifest zum Facebook-Selbstmord" eine andere Strategie vor: Die Nutzer sollten einfach wahllos den "Gefällt mir"-Knopf auf allen möglichen Seiten klicken, so vielen Gruppen wie möglich beitreten und so viele fremde Freunde wie möglich sammeln.

"Werdet zu Klickmaschinen", rät Dockray, "Jeder Klick zersetzt Deinen virtuellen Doppelgänger, den Facebook von Dir erschaffen hat." Unsichtbarkeit, so folgert er, entstehe in sozialen Netzwerken auch durch die Überladung mit Informationen. Wenn das eigene Profil bedeutungslos werde und Facebook in Daten ertrinke, könne sich der Mensch wieder "von der traurigen Version unseres Ichs, das in diesem blutleeren Dorf lebt" emanzipieren.

Vielleicht genügt es auch, einfach einmal an die frische Luft zu gehen. Ein Nutzer schreibt auf der Seite ausgestiegen.com, er habe Facebook verlassen, weil es der "postmoderne Pausenhof ist, auf dem wir unsere Beziehungen pflegen wie Grundschulkinder." Außerdem, so ergänzt er, "kann man dort nicht fummeln und der Sommer kommt."

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