Prozess gegen kino.to:Wo die Freiheit im Internet endet

Der Gründer und Chef der Download-Plattform kino.to, der jetzt wegen massenhafter Urheberrechtsverletzungen zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt wurde, hat das Konsumverhalten bei Filmen dauerhaft verändert. Doch Haftstrafen für die Betreiber werden die Konsumenten nicht abschrecken, befürchten Rechtsexperten.

Sophie Crocoll

Nur einmal während des gesamten Prozesses lässt sich erahnen, wer Dirk B. ist. Als ein Sachverständiger vor Gericht beschreibt, wie er die Internetseite kino.to für die Ermittlungsbehörden untersuchte, widerspricht B. plötzlich, redet laut und schnell.

Urteil gegen den Drahtzieher von Kino.to

Der Gründer und Chef des illegalen Filmportals Kino.to, Dirk B., im Landgericht Leipzig.

(Foto: dpa)

Es stimme nicht, was der Sachverständige über die Seite sage. In diesem Moment blitzt auf: Kino.to, das war die Idee von B.; das war sein großes Projekt. Nun ist B. wegen massenhafter gewerbsmäßiger Verletzung des Urheberrechts zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Als das Urteil fällt, bleibt B. stumm.

Dirk B. hat die Internetseite kino.to gegründet und sie betrieben, bis er vor etwa einem Jahr verhaftet wurde. Das Portal war ein gut sortierter Katalog für Filme, die Seite bot Links zu über 135.000 Kinofilmen, Dokumentationen und vor allem US-amerikanischen Serien. Kostenlos für die Zuschauer; das Portal verdiente sein Geld mit Werbung, hinter vielen Anzeigen lagen versteckte Abonnements.

B. besaß keine Rechte, um die Filme zu verbreiten. Es störte ihn nicht. Der 39-Jährige ist Handwerker, er arbeitete als Bodenleger, bis seine eigene Firma pleite ging. Was er über Computerprogramme und das Internet weiß, hat er sich selbst beigebracht. B. lernte schnell, dass sich im Internet mit Werbung viel Geld verdienen lässt - je attraktiver der Inhalt, den man zu vermarkten hat, und je größer die Zugriffszahlen, desto höher die Einnahmen. Auch, wenn einem der Inhalt gar nicht gehört.

Sechs Millionen verdient

B. hat mit Werbung und Provisionen durch kino.to über sechs Millionen Euro verdient. Sein Mandant sei den Verlockungen des Internets erlegen, sagte Wolfgang Müller, der Verteidiger von B., in dem Prozess. Im Gerichtssaal warten Familienmitglieder und Freunde auf das Urteil gegen B., von Prozesstag zu Prozesstag ist die Gruppe gewachsen. Die beiden kleinen Kinder sind nicht dabei.

Die Richter entscheiden auch: Nach über einem Jahr in Untersuchungshaft darf B. erst mal nach Hause, bevor er seine Haftstrafe antritt. Die Familie umarmt sich. Im Prozess wird deutlich, dass sich B. selbst vor allem als Werbevermarkter sah. Über seinen Anwalt ließ er erklären, dass er das, was er tat, lange nicht für strafbar hielt.

Nun ist klar: Künftig werden Staatsanwaltschaften noch stärker versuchen, gegen alle vorzugehen, die an Portalen wie kino.to verdienen. Gegen zwei Werbevermittler ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden derzeit noch. Und mit dem Verfahren gegen B. verhandelte das Gericht auch die Frage, wo das freie Internet endet, wie es die Piratenpartei fordert, die mittlerweile in vier deutschen Länderparlamenten vertreten ist.

Die Richter entschieden: Sie endet dort, wo die Rechte Dritter betroffen sind. "Der Angeklagte war kein Kämpfer für die Freiheit im Internet. Es ging ihm ausschließlich um den persönlichen Profit", sagte Staatsanwalt Dietmar Bluhm. Die Justiz scheint außerdem entschlossen, Urheberrechtsverletzungen nun anders zu werten, als das bislang der Fall war.

B. selbst wurde schon mal angeklagt, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben; er hatte eine Internetseite betrieben, über die auch illegal kopierte Filme getauscht werden konnten. Damit hatte er sein erstes Geld im Netz verdient. Damals verurteilte ihn das Gericht lediglich zu einer geringen Geldstrafe.

"Hier wird ganz klar ein Exempel statuiert. Große Fälle werden sicher auch in Zukunft strafrechtlich verfolgt werden", sagt Medienrechtsanwalt Till Kreutzer. Und der Fall Dirk B. wird Anlass für weitere Diskussionen über das Urheberrecht sein.

Die deutschen Gesetze reichen aus

"Der Prozess zeigt, dass die deutschen Gesetze ausreichen, um gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen", sagt Mario Rehse, der sich beim IT-Branchenverband Bitkom um gewerblichen Rechtsschutz kümmert. Eine Verschärfung des Urheberrechts brauche es nicht. Das Problem liege vielmehr darin, die Täter zu fassen, gerade auch, wenn sie im Ausland leben. Auch im Fall kino.to hatte erst die dritte Strafanzeige, die die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) stellte, Erfolg.

Davor war es den Behörden schlicht nicht möglich gewesen, die Betreiber der Seite ausfindig zu machen. Die Server standen in Russland, Gründer Dirk B. lebte in Spanien, zuletzt auf Mallorca. Ihn zu verhaften gelang nur, weil ein ehemaliger Mitarbeiter seine früheren Mitstreiter verpfiff.

Das sei ein wichtiges Signal, sagt Rehse. Auch andere Anbieter müssten sich nun fragen, ob sie verraten werden könnten. Kurz nachdem die Kriminalpolizei kino.to geschlossen hatte, hätten einige andere Betreiber ihre Dienste auch eingestellt, sagt der Geschäftsführer der GVU, Matthias Leonardy.

Nachfolger bereits wenige Tage später

Allerdings tauchte auch nur wenige Tage später ein Nachfolger auf, der kino.to zum Verwechseln ähnelt. Und es gibt ein weiteres Angebot, auf das noch mehr Menschen klicken. Die Gewinnspannen sind hoch, auch das hat kino.to gezeigt.

Mag sein, dass die Betreiber vorsichtiger werden. Illegale Filmportale wird es aber wohl immer geben. Denn Hunderttausende nutzen die Angebote. Kino.to war zeitweise eine der beliebtesten Internetseiten in Deutschland und ein Synonym dafür, kostenlos im Netz Filme zu schauen.

"Sie haben mit kino.to das Konsumverhalten bei Filmen dauerhaft verändert", warf Staatsanwalt Dietmar Bluhm dem Angeklagten vor. Auch wenn fünf Betreiber von kino.to zu Haftstrafen verurteilt wurden, bleiben die Zuschauer selbst: "Die breite Masse der Konsumenten wird es nicht abschrecken, wenn die Anbieter solcher Seiten hart bestraft werden", sagt Ulf Buermeyer, der sich neben seiner Tätigkeit als Richter am Landgericht Berlin mit dem Thema Freiheit und Sicherheit im Internet beschäftigt.

Sein Lösungsvorschlag: Eine Abgabe auf den Internetzugang, die Kopien dort legalisiert, wo beispielsweise Serien aus den USA in Deutschland nicht legal gekauft werden können. Rechtsanwalt Kreutzer fordert von der Filmindustrie legale Angebote, die eine große Auswahl zu vernünftigen Preisen bieten, ähnlich wie es sie mit Apples iTunes für Musik längst gibt. "Wer sich nicht anpasst, wird untergehen", sagt er.

Dirk B. jedenfalls, der "Urvater" von kino.to, wie sein Verteidiger sagte, habe nun erkannt, dass er sich schuldig gemacht habe.

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