Aufruhr in Ägypten:Wie Google die Blockade austrickst

Mit einem neuen Dienst ermöglicht es Google den Ägyptern, per Telefonanruf Botschaften ins Web zu senden. Es ist nicht der einzige Versuch, die Internetsperre zu umgehen.

Johannes Kuhn

Während die US-Regierung noch um eine klare Haltung zu den Demonstrationen in Ägypten ringt, hat sich Google entschieden: Der US-Konzern ermöglicht es den Bürgern Ägyptens, per Telefonanruf Kurznachrichten in den Mikrobloggingdienst Twitter einzuspeisen und damit die anhaltende Abschaltung des Internets zumindest symbolisch zu umgehen.

Der neue Service, den das Unternehmen auf seinem Firmenblog vorstellte, besteht aus einer internationalen Telefonnummer: Wer sie wählt, kann dort eine Nachricht hinterlassen, die wiederum über das Twitter-Konto "Speak2Tweet" im Netz abrufbar ist. Gleichzeitig können unter der Nummer auch die Botschaften anderer Anrufer abgehört werden. "Wir hoffen, dass dies dabei hilft, dass die Menschen in Ägypten in einer schwierigen Zeit in Verbindung bleiben", heißt es im Blogeintrag. "Saynow", das Start-up, das Telefonate in eine Internet-Umgebung übersetzt, hatte Google erst vor wenigen Tagen akquiriert.

Zu einem echten Kommunikationsinstrument dürfte der Dienst allerdings nicht werden, vielmehr werden die Botschaften zu zeitgeschichtlichen Dokumenten in Echtzeit: Bislang gehen im Zehn-Minuten-Takt Nachrichten ein, einige davon auf Arabisch, andere auf Englisch. Meist scheinen sie bereits einige Stunden alt zu sein.

"Wir sind vom Internet abgeschnitten", erzählt eine junge Frau, "aber macht euch keine Sorgen. Das letzte Mal hatte ich solche Angst, sie würden uns erschießen und niemand bekommt es mit. Dieses Mal sage ich: Kommt nur her!" Eine andere weibliche Stimme klagt: "Mubarak führt Krieg gegen sein eigenes Volk!"

Der neue Dienst startet zu einer Zeit, da das ägyptische Breitband-Internet endgültig offline ist: Am späten Montag ging mit dem Internet-Anbieter Noor der letzte DSL-Provider vom Netz. Das Unternehmen hatte nach Angaben des Internet-Analyseunternehmens Renesys unter anderem die internationale Verbindung zur ägyptischen Börse hergestellt und war für viele Finanztransaktionen zuständig; mit großen ägyptischen Hotels und Unternehmen wie Coca-Cola oder dem Ölkonzern Exxon Mobile zählte es international wichtige Firmen zu seinen Kunden. Bereits am Donnerstag waren die anderen Internet-Provider des Landes auf Anweisung des Mubarak-Regimes vom Netz verschwunden.

Per Modem ins Netz

Allerdings sind die 80 Millionen Menschen im bevölkerungsreichsten arabischen Land nicht komplett vom Internet abgeschottet: Vereinigungen von Netzaktivisten wie Werebuild oder Telecomix verbreiten schon seit Tagen internationale Telefonnummern, mit denen sie sich per Modem ins Internet einwählen können.

Zwar können sich die Bewohner Ägyptens so unter bestimmten Umständen auch ihr Mobiltelefon als Modem verwenden, jedoch sind internationale Verbindungen Berichten zufolge nicht von allen Anschlüssen aus möglich.

Hinzu kommt, dass solche Verbindungen äußerst teuer und damit nur für die Oberschicht des Landes erschwinglich sein dürften. Dies gilt auch für den Google-Dienst, für den die Anrufer eine Nummer in Italien wählen müssen - in einem von Armut geprägten Land für die meisten Bewohner illusorisch: Etwa die Hälfte der Menschen muss mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen.

Handynetz gestört

Im Netz wird deshalb bereits seit Tagen diskutiert, wie wichtig das Internet in der jetzigen Phase der Proteste überhaupt ist. Zwar dürften Berichte von möglichen Übergriffen durch Polizei und Militär die Öffentlichkeit erst verspätet erreichen, bei Hunderttausenden mit Fotohandys ausgerüsteten Demonstranten würden sie aber nur schwer zu verbergen sein.

Die Organisation der Bewegung funktioniert zudem offenbar längst über die klassische Technik des Weitersagens. Die hierfür entscheidende Infrastruktur bieten die Telefonnetze - wie die Regierung genau weiß: Verschiedenen Berichten zufolge ist inzwischen auch das Handynetz gestört. Beobachter rechnen deshalb damit, dass der Mobilfunk im Laufe der Großdemonstration am Dienstag abgeschaltet wird, um die Kommunikation unter den Protestierenden zu behindern.

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