Propaganda im US-Wahlkampf:Manipuliert, mit Grüßen aus Sankt Petersburg

Propaganda im US-Wahlkampf: Facebook- und Instagram-Beiträge, mit denen russische Akteure die US-Wahl laut amerikanischen Geheimdiensten beeinflussen wollten.

Facebook- und Instagram-Beiträge, mit denen russische Akteure die US-Wahl laut amerikanischen Geheimdiensten beeinflussen wollten.

(Foto: AP)
  • Facebook, Twitter und Google sagen im US-Kongress vor dem Geheimdienstausschuss über russische Internet-Propaganda rund um die Wahl 2016 aus.
  • Dabei zeigen die Senatoren und Abgeordneten erstmals Beiträge, die aus einer russischen Troll-Fabrik stammen.
  • Die Trolle gründeten einander politisch gegenüberstehende Gruppen zu polarisierenden Themen, um Konflikte und Chaos bei Demonstrationen zu provozieren.

Von Johannes Kuhn, Austin

Ihm sei es "todernst mit dieser Sache", sagte Mark Zuckerberg, doch die Senatoren in Washington konnten ihn nicht hören. Wie auch, der Facebook-Chef befand sich am Mittwochnachmittag am anderen Ende des Landes.

In Kalifornien erklärte er die Firmen-Quartalszahlen und streifte auch das leidige Propaganda-Thema. Zu den wichtigen Kongress-Anhörungen zur russischen Wahl-Propaganda 2016 hatte er stattdessen seinen Chef-Juristen geschickt. Ebenso verfuhren Google und Twitter, die auch vorgeladen waren. Statt der omnipräsenten Zuckerberg, Sundar Pichai und Jack Dorsey holten sich nun unbekanntere Vorstandsmitglieder die verbalen Prügel aus der Politik ab.

Geholzt und gebolzt wird gerne, wenn Firmen in Washington ihre Verfehlungen erklären müssen. Doch dieses Mal geht es um etwas Großes, Amerikas Demokratie und die Versuche aus Russland, diese im Wahljahr 2016 auf den US-Großplattformen zu beeinflussen - mit Falschmeldungen, irreführenden Anzeigen und Bots.

Selbst Dianne Feinstein, als kalifornische Senatorin dem Silicon Valley eigentlich gewogen, schimpfte am Mittwoch: "Ich vertrete die Tech-Community mit Stolz. Aber ihr kapiert es nicht. Das ist der Beginn der Cyber-Kriegsführung." Und weiter: "Ihr habt diese Plattformen gebaut. Jetzt werden sie missbraucht. Und ihr müsst etwas dagegen tun, sonst werden wir das erledigen."

146 Millionen Amerikaner sahen Propaganda-Postings

Die Frage, ob die Plattformen in der Lage zur Selbstkontrolle sind, ist eine der brisantesten dieses politischen Herbstes. Die drei Vertreter verneinten, dass sie mit ihrer Reaktion auf die Wahl 2016 zufrieden seien. Und alle drei Firmen wussten bereits weit vor der Wahl, dass es russische Aktivitäten gab. Wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen sie offenbar nicht.

Buzzfeed veröffentlichte am Mittwoch zudem ein Dokument, das zeigt, wie Twitter dem kremlnahen Sender RT (ehemals "Russia Today") vergangenes Jahr ein großes Paket von Wahlkampf-Anzeigenplätzen verkaufen wollte. Und Facebook musste die Zahl der US-Amerikaner nach oben korrigieren, die in ihrem Newsfeed von russischem Boden gepostete Propaganda sahen - inklusive Instagram waren es 146 Millionen Nutzer.

Eine erstaunliche Entwicklung: Kurz nach der Wahl hatte Zuckerberg die Idee einer relevanten Beeinflussung via Facebook noch als "ziemlich irre Idee" bezeichnet. Ende September dann hatte Facebook die Zahl 470 veröffentlicht - so viele "inauthentische Konten und Seiten" mit russischem Hintergrund habe man rund um die Wahl gefunden.

Kent Walker, Colin Stretch, Sean Edgett

Kent Walker (Google), Colin Stretch (Facebook) und Sean Edgett (Twitter) vor Facebook-Anzeigen, die im Wahlkampf aus Russland geschaltet wurden.

(Foto: AP)

Erst in dieser Woche dann verriet man, dass neben den 3000 Werbeanzeigen auch 80 000 "herkömmliche" Beiträge aus der Troll-Fabrik stammten. Dass diese Propaganda-Beiträge über Anzeigen, Shares und Likes mehr Nutzer in den USA erreichen konnten als letztlich Bürger zur Wahl gingen, zeigt die Macht des Netzwerks.

Im Zuge der Anhörungen präsentierten die Abgeordneten und Senatoren auch Beispiele für die Postings und Anzeigen, mit denen die Troll-Farm "Internet Research Agency" in Sankt Petersburg versucht haben soll, das politische Klima zu beeinflussen. Bei einigen Beiträgen handelt es sich um reine Wahlwerbung und Propaganda. Oft aber war die Strategie komplexer: So sammelte eine Seite mit Bibelzitaten 200 000 Facebook-Anhänger, um dann vor der Wahl plötzlich politisch zu werden und Hillary Clinton als Satan darzustellen ("Klicke 'Like', wenn Jesus gewinnen soll").

Gegensätze werden ausgespielt

Zudem versuchten die Akteure, Meinungsunterschiede zu betonen: Pro-Einwanderungs-Gruppen gründeten sie ebenso wie Anti-Einwanderungs-Gruppen - beide jeweils mit scharfer Botschaft. Gruppen, die Polizisten in der Debatte um Gewalt gegen Afroamerikaner bedingungslos unterstützten, fanden ebenso Anhänger wie Gruppen mit Namen wie "Black Matters", die in militantem Ton gegen Polizei und Regierung wetterten.

Dabei blieben die Auseinandersetzungen nicht immer auf die Plattform beschränkt. Cyber-Propagandisten schalteten im Mai 2016 zwei Facebook-Anzeigen: In einer rief die Fake-Gruppe "Heart of Texas" zu einer Demonstration gegen die "Islamisierung von Texas" vor dem Islamischen Zentrum in Houston auf. Die andere Gruppe, "Muslims of America", forderte einen Protest zur Rettung "islamischen Wissens" auf - an gleicher Stelle, am selben Tag und zur selben Uhrzeit.

Bei den Demonstrationen kam es zu Handgemengen, sogar der Stadtrat beschäftigte sich mit dem Fall. Dass die Organisatoren in Russland saßen und sie nur 200 Dollar benötigt hatten, um Tausende Kilometer entfernt Unruhe zu stiften, wurde erst im Zuge der Kongress-Ermittlungen bekannt. Noch erfolgreicher war übrigens der Aufruf zu einer Anti-Trump-Demonstration in New York am Samstag nach der Wahl: Tausende folgten der Einladung der auf russischen Computern erschaffenen Gruppe "Black Matters".

Angesichts solcher Beispiele betonten die Republikaner, dass der Wahlkampf nur Teil der Propaganda-Offensive sei und Russland nicht Trump bevorzugt habe, sondern Chaos säen wollte. Doch jenseits dieser Debatte lautet die Frage, ob dies künftig zu verhindern ist.

Als automatisierte Plattformen sind Facebook, Twitter und Google nicht für die händische Kontrolle der Herkunft einzelner Anzeigen gemacht - alleine Facebook hat fünf Millionen Werbekunden. Dazu kommt, dass sich in sozialen Netzwerken Inhalte auch ohne Geld verbreiten lassen. Letztlich identifizierten Facebook, Twitter und Google die Propaganda-Postings über eine Mischung aus IP-Adresse, bezahlter Währung und bestimmten Verhaltensmuster.

Propaganda muss nicht politisch motiviert sein

Die Aktionen seien so erfolgreich gewesen, so der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, weil "die Algorithmen, die sie (Facebook, Twitter und Google-Tochter Youtube; Anm. d. Red.) benutzen, vor allem Inhalte hervorheben, die auf Angst oder Wut basieren." Dies ist etwas eindimensional, zeigt aber das Grundproblem: Immerhin konnten die Petersburger real existierende Gegensätze ausnutzen und verstärken, so wie die berühmten "Fake-News"-Produktionsstätten ganz ohne politisches Ziel mit erfundenen Aufreger-Themen Geld verdienten.

Die drei Firmen haben signalisiert, in den USA mit einem Gesetz zu mehr Transparenz bei politischer Werbung leben zu können. Andere Schritte sind bislang nicht angedacht.

International stehen die Firmen unter dem Druck von Regierungen, stärker zu zensieren und zu blockieren. In den USA fragen Konservative dagegen schon jetzt, ob die Sperrung von Nutzern und die Sortierung von Inhalten nicht das eigene Lager benachteilige. Selbst Faktencheck-Hinweise sind umstritten.

Umgekehrt wollen die Firmen vermeiden, für die Inhalte verantwortlich gemacht zu werden und damit auch haftbar zu sein. So bleibt es bei dem Versprechen der Firmen, künftig ausländische Manipulation besser erkennen zu wollen.

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