Projekt "Greyball":Uber soll Behörden mit Spezial-Software getäuscht haben

Uber hat für viele Nutzer das Taxi abgelöst - doch das Unternehmen steht erneut in der Kritik.

Uber soll spezielle Software genutzt haben, um Kontrollen zu umgehen.

(Foto: Martin Ollman/Getty Images)
  • Mit einer Software namens Greyball wollte Uber seine Fahrer vor übergriffigen Kunden schützen.
  • In Städten, in denen Uber noch keine offizielle Zulassung hatte, sollte die Software aber auch Kontrollen durch die Stadtverwaltung verhindern.
  • Das Unternehmen gerät damit erneut in die Kritik. Zuvor hatten sich ehemalige Mitarbeiter über das Arbeitsklima beschwert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wäre die Idee nur dazu genutzt worden, wozu sie ursprünglich gedacht war, könnte man sie vielleicht sogar als genial bezeichnen. Sie ist gleichzeitig aber auch derart ausgeklügelt und niederträchtig, dass sie zeigt, wie weit der Fahrdienst Uber zu gehen bereit ist, um an der Börse eine noch höhere Bewertung als die gegenwärtig knapp 70 Milliarden Dollar zu erreichen.

Medienberichten zufolge soll es bei Uber ein Programm mit dem Namen VTOS geben. Das steht für "Violation of Terms of Service" und soll über einen Algorithmus Nutzer filtern, die für Ärger sorgen. In Frankreich, Indien und Kenia etwa sind Uber-Fahrer von Konkurrenten und Taxi-Unternehmen angegriffen worden, oftmals ist es dabei zu Gewalt gekommen. Über das Programm, das seit 2014 eingesetzt wird, sollen zuvor identifizierte Problemstifter nicht mehr in der Lage sein, sich ein Auto zu bestellen. Das berichtet die New York Times unter Berufung auf vier ehemalige und aktuelle Mitarbeiter sowie auf Dokumente.

Auf den ersten Blick klingt das nach einer sinnvollen Sicherheitsmaßnahme, doch Uber ging offenbar noch viel weiter. Das Unternehmen setzte die zum VTOS-Programm gehörende Software Greyball wohl auch dazu ein, um Beamte in die Irre zu führen - etwa in Städten wie Boston, Portland und Paris und Ländern wie Australien, Südkorea und China.

In Portland beispielsweise beantragte der Fahrdienst keine Genehmigung, sondern legte einfach mal los - wie in vielen anderen Städten und Ländern auch. Die Stadtverwaltung wollte Uber verbieten und schickte zur Beweissammlung Zivilbeamte los, die ein Auto bestellen und die Fahrer anschließend verwarnen sollten. Die Beamten jedoch blieben oftmals tagelang erfolglos, es war einfach kein Fahrzeug verfügbar oder die Chauffeure sagten eine Fahrt kurzfristig ab. Was war da los?

Uber spionierte seine Nutzer aus - auch, um Zivilbeamte zu erkennen

Den Aussagen der Mitarbeiter und den Dokumenten zufolge hat Uber ein Programm entwickelt, das einzig und allein darauf ausgelegt war, die Nutzer auszuspionieren. Es überprüft etwa, ob ein Kunde die App häufig in der Nähe von Regierungsgebäuden öffnet. Bei diesen Nutzern forschte das Unternehmen, ob die zur Zahlung benutzte Kreditkarte womöglich mit der Stadtverwaltung verknüpft war.

Weil die Beamten meist Billighandys benutzten, um mehrere Profile gleichzeitig anzulegen, hatten Uber-Mitarbeiter in den Geschäften die Seriennummern herausgefunden und damit einen weiteren Warnhinweis bekommen. Sie überprüften zudem die sozialen Netzwerke und andere Internetseiten, um Nutzer als Beamte zu identifizieren.

Wer auf dem Index stand, der wurde von Uber mit einem Greyball-Code versehen. Wenn der Kunde dann die App öffnete, dann sah er entweder, dass gerade keine Autos verfügbar seien - sollte er dennoch ein Fahrzeug bestellt haben, dann rief ein Uber-Mitarbeiter schnell beim Fahrer an und bat ihn darum, den Auftrag zu stornieren.

Ubers Rechtsabteilung segnete die Praxis ab

Die Beamten in Portland wunderten sich, warum sie so selten jemanden erwischten und warum andauernd Fahrten abgesagt wurden. "Zwei Fahrer haben innerhalb kürzester Zeit storniert", sagt Erich England, Mitarbeiter der Stadtverwaltung von Portland, in einem Video der Zeitung The Oregonian vom Dezember 2015: "Ich weiß nicht, was da los ist. Vielleicht ist die Nachfrage groß." Uber wusste, was da los ist: England war offenbar entdeckt worden.

Es heißt, dass die Anwendung bei Uber für heftige Diskussionen im Management gesorgt hat, von der Rechtsabteilung jedoch abgesegnet wurde. In einem Statement des Unternehmens nach Bekanntwerden des VTOS-Programmes heißt es nun: "Es verweigert betrügerischen Nutzern, die gegen unsere Geschäftsbedingungen verstoßen, Fahrten anzufordern. Das können Leute sein, die unseren Fahrern Gewalt antun wollen. Es können Konkurrenten sein, die unseren Betrieb stören wollen. Es können aber auch Gegner sein, die mit Beamten zusammenarbeiten und auf geheimen Missionen unsere Fahrer in die Falle locken wollen."

Uber steht nicht gut da

Es ist unklar, ob dieses Vorgehen das Gesetz bricht - es klingt jedoch moralisch höchst verwerflich und wirft kein gutes Licht auf ein Unternehmen, das sich gerade nun wahrlich nicht im besten Licht präsentiert. Das Arbeitsklima gilt nicht erst seit dem Blogeintrag der ehemaligen Angestellten Susan Fowler (sie wirft ihren damaligen Vorgesetzten Diskriminierung und sexuelle Belästigung vor) als frauenfeindlich und ausbeuterisch, mehrere Mitarbeiter haben sich mittlerweile beschwert.

Zwei hochrangige Manager, Ed Baker und Amit Singhal, sind in der vergangenen Woche zurückgetreten. Baker soll sich auf Partys ungebührlich verhalten haben, Singhal hatte vor seiner Einstellung verschwiegen, dass es bei seinem früheren Arbeitgeber Google eine Untersuchung wegen sexueller Belästigung gegeben hatte.

Im vergangenen Monat fuhr das Unternehmen den Flughafen JFK an - und brach damit den Streik der Taxigewerkschaft von New York, der aufgrund des von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreisestopps ausgerufen worden war. Erst nach heftigen Protesten und der Drohung vieler Kunden, die Uber-App zu löschen, entschuldigte sich Firmenchef Travis Kalanick und räumte seinen Platz im Beratergremium des Präsidenten.

Kalanick, 40, wurde zudem bei einem Streit mit einem Fahrer gefilmt, bei dem er schnell ausfällig und aggressiv wurde. "Es wäre eine gewaltige Untertreibung, wenn ich behaupten würde, dass ich mich schäme", schrieb Kalanick danach in seinem privaten Blog: "Ich muss mich gewaltig ändern und erwachsen werden. Ich brauche Hilfe und die werde ich mir auch holen." Zum aktuellen Skandal hat er sich noch nicht geäußert.

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