Profi-Computerspielerin Jacky Lange:"Ich schieße doch nicht auf Menschen"

Jacky Lange verdient mit dem Computerspiel Counter-Strike ihr Geld. Ein Gespräch über Gewalt, Vorurteile und das Leben als weibliche Zockerin.

Simone A. Mayer

Bereits 1,5 Millionen Computer-Spieler sind Mitglied im Deutschen E-Sport-Bund, Tendenz stark steigend. sueddeutsche.de sprach mit Jacky Lange. Sie ist eine der wenigen weiblichen Profis in Deutschland und tritt in Wettkämpfen mit dem als besonders brutal geltendem Ego-Shooter Counter-Strike an.

Jacky Lange

Jacky Lange ist eine der wenigen weiblichen Profis in der Computerspielszene. Die 22-Jährige kommt aus Darmstadt und ist Mitglied einer rein weiblichen Counter-Strike-Mannschaft im Kölner E-Sport-Verein n!faculty.

(Foto: Foto: oH)

sueddeutsche.de: Sie sind E-Sportlerin und verdienen mit einem Ego-Shooter Ihr Geld. Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, warum Computerspielen eine Sportart wieTennis und Fußball sein soll. Was ist das Sportliche am Computerspielen?

Jacky Lange: Beim E-Sport ist es wichtig, die Spieltechnik zu beherrschen und taktisch vorzugehen - wie bei jeder anderen Sportart auch. Computerspiele trainieren besonders die Hand-Augen-Koordination und die Reaktionsschnelligkeit. Ich spiele auch Volleyball und ich bin meist die, die Bälle vom Gegner annimmt und für meine Teamkollegen Spielzüge vorbereitet. Im E-Sport ist das genauso: Ich schicke meine Spielfigur voran und lenke den Gegner ab.

sueddeutsche.de: In Ihren Wettkämpfen werden die Spiele Counter-Strike und War Craft III gespielt - Spiele, die wegen Ihrer Brutalität stark kritisiert werden. Die Bundesregierung will diese sogenannten Killerspiele laut Koalitionsvertrag sogar abschaffen.

Lange: Ich finde, diese Spiele sind absolut nicht realistisch. Ich hatte schon einmal eine echte Waffe in der Hand - ich war Biathletin. Es ist gedanklich etwas ganz anderes, eine reale schussbereite Waffe in der Hand zu haben oder online auf etwas zu ballern. Ich schieße in der Realität doch nicht auf Menschen! Ich könnte nicht einmal mit einer echten, ungeladenen Waffe auf eine Tonne zielen.

Es wird kritisiert, dass diese Spiele brutal wären. Ja, es gehört zum Spiel, andere Figuren auch mit einem Kopfschuss niederzustrecken. Aber diese Spielwelt und die reale Welt sind zwei Welten, die ein Spieler klar unterscheiden kann. Ich verstehe nicht, wie bei Menschen, die noch nie einen Ego-Shooter gespielt haben, der Eindruck entstehen kann, dieses Spiel mache aggressiv.

sueddeutsche.de: In der Diskussion steht auch die Frage, ob häufiges Spielen am Computer bei Jugendlichen zu schlechten Zensuren führt. Macht Daddeln doof?

Lange: Gegenfrage: Macht Lesen blöd? Wenn man sich nur auf eine Tätigkeit konzentriert, macht das sicher blöd, weil man den Blick für alles andere verliert. Ein Beispiel: Wenn ich den ganzen Tag nur in der Küche stehe und mir nur Gedanken über neue Rezepte mache, kann ich mich außerhalb der Küche nicht über andere Themen unterhalten. Ich denke, genauso ist es im PC-Bereich.

sueddeutsche.de: Stimmt das Klischee, dass Computerspieler den lieben langen Tag vor dem PC sitzen?

Lange: Ich spiele wie gesagt auch Volleyball, ich gehe auch gerne und oft aus und ich habe Freunde, die ich nicht im Internet treffe. Aber es gibt tatsächlich viele Spieler, die nur noch ihren PC kennen. Aber diese Spieler sind auch ohne PC oder Fernsehen nicht aus dem Haus zu bekommen, sie wollen alleine bleiben und sind wenig aktiv. Diese Eigenbrödler werden leider auf alle Computerspieler übertragen. Das ist aber nicht richtig. Sie sind für mich auch keine E-Sportler. Wir gehen auf Events und wir wollen sportlich etwas erreichen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum männliche E-Sportler sich ungern von den wenigen Frauen in der Computerspielszene besiegen lassen.

"Ich schieße doch nicht auf Menschen"

sueddeutsche.de: E-Sport ist nach wie vor eine Männerdömäne. 95 Prozent der Spieler sind männlich und es gibt auch nur sehr wenige weibliche Profi-Spieler. Haben Frauen denn weniger Chancen im E-Sport erfolgreich zu sein?

Lange: Es werden zwar immer mehr Spielerinnen, aber die Guten bleiben die gleichen. Die Spiele werden schon so lange auf Turnieren gespielt. Wer jetzt neu anfängt, hat es aber doppelt so schwer wie ich damals 2002. Man muss heute als Frau schon sehr gut sein, um wahrgenommen zu werden und Kontakte zu Vereinen und Sponsoren müssen da sein, um in höheren Ligen antreten zu können und dann dort auch erfolgreich zu sein.

Aber E-Sportlerinnnen treten in allen Ligen an - in gemischten Teams oder wie ich in einem reinen Mädchenteam. Mein Team hat aber auch vor, an Turnieren für rein weibliche Spieler der Onlineseite Zockerweibchen teilzunehmen. Es ist ein Markt für Frauen vorhanden, auch wenn es hauptsächlich Jungs ab 16 Jahre sind, die in den Ligen organisiert sind. Ab diesem Alter darf man offiziell auf Game-Events gehen. Mit Mitte 20 hört das Interesse für die Community meist auf. Das liegt einerseits daran, dass die Motivation sinkt und andererseits bleiben durch Job und Familie dann weniger Zeit fürs Computerspielen .

sueddeutsche.de: Wie gehen die Männer damit um, wenn sie gegen oder mit einer Frau spielen? Haben sie Hemmungen, virtuell auf Mädchen zu schießen?

Lange: Hemmungen haben männliche Spieler sicher nicht. Aber einige überschätzen sich und kommentieren unser Spiel mit Aussagen wie "Wollt ihr euch nicht erst noch schminken?". Andere ärgern sich sehr darüber, wenn sie gegen uns verlieren. Das ist der männliche Stolz. Aber es beeinflusst das Spiel nicht. Ich habe lange nur mit Jungs gespielt. Jungs spielen anders. Sie sind strategischer, Mädchen hingegen spielen emotionaler. Da wir jedoch wenig weibliche Spieler sind, sind die meisten Spielerinnen Mitglied in gemischten Teams - meist vier Jungs, ein Mädchen.

sueddeutsche.de: Weibliche Spieler bevorzugen laut einer Studie strategische Lebenssimulationen wie "Anno", während männliche Spieler lieber Ego-Shooter spielen. Was fasziniert Sie an Ego-Shootern?

Lange: Die Spiele sind viel schneller. Ich habe auch einige Zeit intensiv "Anno" gespielt. Aber irgendwann kam ich an den Punkt, dass mein Spiel perfektioniert war und es mich gelangweilt hat. Ego-Shooter haben einen anderen Reiz. Ich habe einen Gegner, von dem man nicht weiß, wie er auf mich und meine Vorstöße reagieren wird.

sueddeutsche.de: In Asien ist Computersport längst etabliert, die Spieler sind gefeierte Helden und treten vor bis zu 50.000 Zuschauern in ausverkauften Stadien an. Warum fristen in Deutschland professionelle Wettkämpfe noch ein Nischendasein?

Lange: Ich denke, die Spielkultur in Asien ist eine andere. Dort treten zumeist Einzelspieler an und nicht wie in Deutschland ganze Teams. Das macht es hier schwierig, diesen Sport zu organisieren. Meine Teammitglieder kommen aus fünf verschiedenen Städten - von Darmstadt bis Hamburg. Auch der Erfolg stellt sich nicht so leicht ein. Wenn ein Spieler acht Stunden täglich trainiert, weiß er, was er kann und ob er gewinnen kann. Im Team ist immer auch die Tagesform der anderen entscheidend. Wer in Deutschland als Team erfolgreich sein will, muss sich mehr einbringen.

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