Pornoindustrie nutzt Videochat:iPhone 4 wird zum Sex-Spielzeug

Die Videochat-Funktion des iPhone 4 bringt die US-Sexindustrie auf neue Ideen: Sexchats auf dem Handy sollen zum Geschäftsmodell der Zukunft werden.

Es ist eine Grundregel der Technikbranche: Kaum wird ein neues Gerät erfunden, findet die Pornoindustrie Mittel und Wege, damit Geld zu verdienen. So auch beim neuen iPhone 4 und der Videokonferenz-Funktion FaceTime: Mehr und mehr Firmen suchen nach Mitarbeiterinnen für Sexchats mit Hilfe von Kleinanzeigen-Websites.

Teagan Presley

Pornostar Teagan Presley mit ihrem iPhone: Videochat-Funktion soll für neue Einnahmequellen sorgen.

(Foto: APN)

FaceTime ermöglicht Nutzern des neuen iPhones, zu telefonieren und dabei über eine WLAN-Verbindung flüssige Videobilder mit Hilfe der eingebauten Kameras zu übertragen.

In einem TV-Spot zeigt Apple einen werdenden Vater, wie er die Ultraschallbilder seines ungeborenen Kindes sehen kann. Pornofirmen zielen auf Online-Begegnungen der ganz anderen Art. Die Branche machte sich Erfindungen schon immer schnell zueigen. In den 70er Jahren verhalfen Sexfilme dem Videorekorder zum Durchbruch.

Ähnlich war es bei DVDs, bei Streaming Videos aus dem Netz und der elektronischen Bezahlung per Kreditkarte. Dass sich Sex verkauft, ist eine Weisheit, die schon bei der Erfindung der ersten Kameras galt, wie Michael Gartenberg von der Medienanalysefirma Interpret LLC sagt. Damals habe man sich gefragt: "Wäre es nicht gut, wenn sich jemand vor der Kamera ausziehen würde?"

Zufällig verbundene Nutzer

Mit Webcams kann Erotik schon lange über das Netz übertragen werden. Videos auf dem Mobiltelefon ist aber ein gewaltiger Schritt. "Ein Telefon ist ein vertrauliches Gerät. Man leiht es normalerweise nicht aus", sagt Quentin Boyer, der als Sprecher für den Erotikproduzenten Pink Visual arbeitet.

Die Firma will in wenigen Wochen erste Videochats zu Preisen von fünf bis sechs Dollar pro Minute anbieten. Abgerechnet wird per Kreditkarte. "Es ist eine sehr persönliche Atmosphäre", sagt Boyer über die Gespräche, für die man nur zwei iPhones und keinen Computer benötigt.

Auch die Zeigefreudigkeit von Nutzern im Internet dürfte mit FaceTime zunehmen. Das Angebot Chatroulette etwa verbindet per Zufallsprinzip Nutzer, die per Video chatten können. Erotische Chats sind nicht unbedingt beabsichtigt, kommen aber häufig vor.

Das Geschäftsmodell ändert sich

Apple ist nicht der einzige Anbieter von Videochats auf dem Mobiltelefon. Das kann etwa auch das Evo 4G von HTC. Doch der Konzern aus Cupertino hat bislang alles unternommen, um Inhalte auf seinen Geräten möglichst jugendfrei zu halten.

E-Books wurden zurückgewiesen, weil sie sexuelle Inhalte hatten und politische Satire abgelehnt, weil sie nach Befürchtung von Apple für bestimmte Nutzer verletzend sein könnte. Manche Entscheidungen wurden nach Einsprüchen zurückgenommen, doch es gibt eine strenge Regel bei Apple: keine Pornos.

Aber FaceTime ist keine App, die im iTunes Store verkauft wird und damit der Kontrolle von Apple unterliegt. Die Funktion gehört untrennbar zum neuen iPhone, Niemand kann kontrollieren, wer wen anruft und wer mit wem chattet.

Der Internet-Experte Jonathan Zittrain von der Harvard-Universität betont, dass Apple mit FaceTime nicht mehr Verantwortung habe als Hardware-Firmen, die Geräte für Internetverbindungen herstellten.

Kinderschutzorganisationen sind indes besorgt, dass Minderjährige Opfer von Straftätern werden könnten, weil sich die iPhones anders als Familiencomputer schlechter von Eltern überwachen lassen. Die Erwiderung von Apple: Telefonnutzer könnten sich wie bei normalen Gesprächen aussuchen, mit wem sie sprächen. Außerdem könnten Eltern die FaceTime-Funktion beim iPhone ausschalten.

Für die Erotikbranche könnte FaceTime mehr als nur ein neues Medium sein, sondern das Geschäftsmodell ändern. Freischaffende Chatanbieterinnen könnten etwa einen größeren Teil der Gewinne behalten, weil sie weniger Geld für die technische Infrastruktur ausgeben müssen. Zugleich gibt es Nachteile: Anbieter und Kunden müssen ihre Telefonnummern kennen, was zu ungewollten Anrufen bei Chatterinnen führen könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: