Pornographie in Second Life:Die virtuelle Streife

LKA-Fahnder stoßen in Second Life auf viel verbotene Pornographie. Sie können aber wenig dagegen tun.

Stefan Mayr

Alex fliegt auf "Chantal's Sex Island". Wie im richtigen Leben, so weisen auch hier, in der Computerwelt Second Life, bunte, blinkende Schilder den Weg in die Bars und Kinos und sonstigen Etablissements mitsamt ihrer fleischfarbenen Angebote.

Pornographie in Second Life: Fast wie im richtigen Leben: die virtuelle Welt von Second Life.

Fast wie im richtigen Leben: die virtuelle Welt von Second Life.

(Foto: Foto: dpa)

Die Fotos und Filmchen zeigen allerdings keine virtuellen Wesen, sondern sehr reale Fotos von nackten Frauen und Männern in sehr eindeutigen Posen. Für 99 sogenannte Linden-Dollars - das sind in Europa umgerechnet gerade einmal 40 Cent - kann sich Alex 20 Sexfotos anschauen. Egal, ob er minderjährig ist oder nicht.

Wolfgang Kaps vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) stößt immer wieder auf solche Angebote. "Sex wird hier schon sehr groß geschrieben", sagt der Kriminalhauptkommissar, der regelmäßig mit seinem Avatar Alex (ein Avatar ist die Kunstfigur eines Nutzers in der virtuellen Onlinewelt, Name geändert) durch Second Life streift.

Auch Kinder und Neulinge haben in dieser Ersatzwelt keinerlei Probleme, die schlüpfrigen Stellen zu finden - dafür sorgt schon die eigene Suchmaschine. Nach offiziellen Angaben der Betreiberfirma Linden Lab haben zwar nur Erwachsene Zutritt zu Second Life, doch kontrolliert wird dies de facto nicht.

Cyber-Cops im WWW

Da die Verbreitung pornographischer Schriften an Kinder und Jugendliche hierzulande verboten ist, würde Wolfgang Kaps gerne alle Sexangebote in Second Life unterbinden. Doch meistens hat Kaps gegen die Täter keine Chance, sie treiben ihr lukratives Unwesen weitgehend unbehelligt. In der virtuellen Welt als rechtsfreier Raum stoßen die Cyber-Cops im weltweiten Web regelmäßig an eng bemessene Grenzen. Nicht einmal gegen Kinderpornographie können sie effektiv vorgehen.

"Oft legen wir der Staatsanwaltschaft einen Sachverhalt vor, doch die muss das Verfahren einstellen, weil der Täter unbekannt ist", sagt Günter Maeser, der Leiter des LKA-Sachgebiets "Netzwerkfahndung".

Die Fahnder scheitern mitunter an der Gesetzeslage, denn bis heute gibt es zahlreiche Internet-Provider, die die Verbindungsdaten ihrer Kunden nicht oder nur kurz speichern. "Wenn die Daten schon gelöscht sind, haben wir Pech gehabt", sagt Maeser. Er und seine Kollegen freuen sich deshalb auf den anstehenden Jahreswechsel.

Denn erst vom 1.Januar 2009 an muss jede Firma, die nicht alle Verbindungsdaten sechs Monate lang speichert, Strafen zahlen. Zurzeit droht den Providern lediglich eine Verwarnung. Außerdem gelten in vielen Staaten andere Gesetze. So wird Pornographie in den USA vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, deshalb müssen die Fahnder bei allen einschlägigen Inhalten erst prüfen, aus welchem Staat das Angebot kommt.

Die virtuelle Streife

Auf diesem schwierigen Terrain bewegen sich die 13 Männer und Frauen des LKA-Sachgebiets Netzwerkfahndung. Ihr Auftrag ist die "anlassunabhängige Recherche" im Internet. Zwei Beamte streifen mit ihren verschiedenen Avataren regelmäßig durch Second Life - mal als Erwachsener, mal als Kind, aber immer in Zivil. "Ich gehe herum und warte, bis ich angemacht werde", sagt Wolfgang Kaps. Mitunter nimmt er Kontakt zu Teilnehmern auf, vor allem, wenn er Hinweisen von Bürgern nachgeht.

Second Life ist seit 2003 online, seit 2004 sind die Beamten aus dem dritten Stock der Münchner LKA-Zentrale dabei. Der Boom von Anfang 2007 ist zwar vorbei, aber trotz sinkender Teilnehmerzahlen meldet Linden Lab Rekordumsätze. Wie viel Geld davon die Sexindustrie generiert, wird verschwiegen. Das LKA jedenfalls trägt zu diesen Umsätzen nichts bei. Als aktiver Porno-Konsument tritt Kaps grundsätzlich nie auf. "Wir sind kein Agent Provocateur", sagt der 57-Jährige, "das LKA darf und will auch zu Fahndungszwecken keine Straftaten begehen."

Aus diesem Grund, und weil verbotenes Material wie Kinder-, Tier- und Gewaltpornographie gut versteckt wird, sind die Netzfahnder auf Hinweise angewiesen. Wie im Fall eines Täters aus Bremen, der in Second Life in einem virtuellen "Kinderzimmer" Pornographie mit Minderjährigen angeboten hatte. Der 40-Jährige wurde im Februar zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Den entscheidenden Tipp hatte ein Journalist der ARD gegeben. Er hatte aus San Francisco für 300 Linden-Dollar (1,20 Euro) sechs Kinderporno-Fotos bestellt und vom Täter per E-Mail erhalten.

Ein Schlupfloch weniger

Die bayerischen Cyber-Cops leiten pro Jahr insgesamt etwa 600 Verdachtsfälle aus dem Internet an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften weiter. Wie viele davon aus Second Life stammen, ist in keiner Statistik aufgeführt. "Das sind eher wenige", sagt Albert Bischeltsrieder, der Cheffahnder des LKA. "Aber viel wichtiger als die Zahlen ist, dass wir die Entwicklungen beobachten." In den virtuellen Parallelwelten, unter denen Second Life nur eine von vielen ist, bewege sich etwas, "was die Gesellschaft interessieren muss", so Bischeltsrieder.

"Hier können Erwachsene anonym mit Kindern Kontakt anbahnen, darum ist es zwingend notwendig, hier präsent zu sein." Die Polizei müsse gegenwärtig sein, um präventiv zu wirken und die Entwicklung der Kriminalität zu beobachten. "Wir geben dem Gesetzgeber Rückmeldung über das, was sich im Netz abspielt", so Bischeltsrieder, "nur so kann er auf neue Methoden der Kriminellen schnell reagieren."

Noch ist das Fahnder-Dasein in Second Life ein mühseliges ohne große Erfolgserlebnisse. Womöglich aber nicht mehr lange: Während die Datenschützer die endgültige Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung am 1. Januar bedauern, feiern die Fahnder am Jahreswechsel einen Fortschritt bei ihrem Kampf gegen die Internettäter und ihre Schlupflöcher.

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