Pläne von Innenminister und Bundesrat:Im Darknet geht die Angst um

Darknet: Logo des Tor-Browsers

Das Logo des Tor-Browsers (The Onion Router). Mit dem Zwiebel-Browser kommt man ins sogenannte Darknet.

(Foto: OH)

Die Politik will das Anbieten des anonymen Tor-Netzwerks in bestimmten Fällen kriminalisieren. Die Community fürchtet fragwürdige Razzien.

Von Max Muth

Reporter ohne Grenzen (RoG) kritisiert Pläne von Bundesrat und Bundesinnenministeriums, neue Strafnormen für das Betreiben von Internet-Infrastruktur zu schaffen. Die Organisation, die sich für Pressefreiheit einsetzt, befürchtet, dass dadurch auch viele aus Bürgersicht wünschenswerte Angebote kriminalisiert werden.

Der Bundesrat möchte das Anbieten von "technisch zugangsbeschränkten internetbasierten Leistungen" unter Strafe stellen, wenn diese darauf ausgerichtet sind, bestimmte Straftaten wie Drogen- oder Waffenhandel zu "ermöglichen oder zu fördern". Damit gemeint sind ziemlich unzweideutig Plattformen im Darknet. Der von Netzpolitik.org geleakte Entwurf des BMI geht noch weiter. Wenn es nach Horst Seehofer geht, macht sich bald auch strafbar, wer internetbasierte Plattformen betreibt, die beliebige kriminelle Geschäfte erleichtern - ob im Darknet oder nicht.

Besonders der BMI-Entwurf hat in der deutschen Tor-Community Verunsicherung ausgelöst. Bis zu zweihundert Freiwillige in Deutschland stellen Server zur Verfügung, die für den Betrieb der Anonymisierungssoftware "Tor-Browser" notwendig sind. Dabei wird der gesamte anfallende Internetverkehr per Zufallsprinzip über diese Knotenpunkte weitergeleitet. Das hat den Effekt, dass niemand ohne weiteres nachverfolgen kann, woher eine E-Mail oder ein Webseitenzugriff kommt - weder Diktatoren in Unrechtsregimen, noch Cookies der Werbeindustrie, noch deutsche Strafverfolger. Auch die Standorte eines Internetangebots bleiben dort anonym. Die deutschen Strafverfolger wünschen sich deshalb mehr Ermittlungsbefugnisse.

Furcht vor Durchsuchungen

Moritz Bartl vom Verein Zwiebelfreunde ist eine Art Sprecher der Community. Bartl bekommt zuletzt vermehrt Anfragen von besorgten Tor-Knoten-Betreibern, die sich fragen, ob sie bald eine Razzia befürchten müssen. Denn natürlich ist nicht auszuschließen, dass über die von ihnen betriebene Infrastruktur auch illegale Geschäfte abgewickelt werden.

Die Sorge vor einer Durchsuchung ist nicht aus der Luft gegriffen. Mitte 2018 wurden die Wohnungen des Vorstands des Vereins Zwiebelfreunde durchsucht, und Computer beschlagnahmt. Die Ermittler hofften, die Identität eines Nutzers lüften zu können, der zu einem gewaltsamen Protest gegen den AfD-Parteitag in Augsburg aufgerufen hatte. Der Verein war in dem Verfahren nicht Beschuldigter, sondern wurde als Zeuge durchsucht. Zu Unrecht, urteilte in zweiter Instanz das Landgericht München, die Arbeit des Vereins wurde dennoch monatelang stark eingeschränkt.

In Zukunft könnten solche Durchsuchungen für Ermittler noch leichter zu begründen sein, befürchtet Bartl. Freiwillige Tor-Knoten-Betreiber würden so eingeschüchtert. Und das könnte weltweit Konsequenzen haben. Deutschland nimmt im Tor-Netzwerk eine Sonderrolle ein, rund 30 Prozent der weltweiten Tor-Infrastruktur steht hier. Reporter ohne Grenzen sieht deshalb eine ganze Reihe schützenswerter Angebote bedroht. Ausnahmen soll es dem BMI-Entwurf zufolge nur für ausschließlich von Medien genutzte Angebote geben, wie etwa den auch von der SZ genutzten anonymen Briefkasten für Whistleblower.

Wikileaks könnte betroffen sein

Gegen Wikileaks hingegen könnten deutsche Ermittler vorgehen, wenn über die Plattform geheime Dokumente geleakt werden, heißt es in einer Mitteilung von Reporter ohne Grenzen. Auch Onion-Share, eine Art Dropbox im Darknet, die von Exilmedien autokratischer Länder genutzt wird, könnte bedroht sein.

Das BMI begründet seine Gesetzespläne gegenüber der SZ vor allem mit Strafbarkeitslücken. Doch mehrere Juristen widersprechen dieser Auffassung. Miriam Streicher, Richterin am Landgericht Karlsruhe sagte in einem Fachgespräch der Grünen im Bundestag diese Woche, sie könne sich kaum Fälle vorstellen, in denen man nicht auch ohne eine Strafbarkeit des bloßen Betriebs einer derartigen Plattform zu Verurteilungen kommen könnte - etwa durch Beihilfe. Für Ermittler ist das deutlich aufwendiger, weil für Beihilfestraftatbestände erst Haupttaten bewiesen werden müssen.

Doch für Christian Rückert, Experte für Cyberkriminalität an der Universität Erlangen-Nürnberg ist das kein gutes Argument. "Unser rechtsstaatliches Strafverfahren fordert, dass ich nachweisen muss, dass es eine Haupttat gegeben hat. Wenn ich das nicht kann, muss ich mir die Frage stellen, ob das Verhalten der Plattformbetreiber wirklich so strafwürdig ist."

Eine Lücke sehen Rückert und Streicher eher bei der Ausstattung der Ermittler mit Personal und Know-how. Streicher hatte das Verfahren gegen den Betreiber der Plattform geführt, auf welcher der Attentäter von München die Waffe kaufte, mit der er 2016 neun Menschen erschoss. Der Betreiber wurde schließlich in erster Instanz verurteilt - nicht wegen des Betriebs eines Internetforums, sondern unter anderem wegen fahrlässiger Tötung.

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